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Doch „Geldscheißer“ gefunden?

Trotz Sparappell: Ministerien in Baden-Württemberg wollen fast 9.000 neue Stellen schaffen

Krise? Welche Krise? Die Ressorts melden munter Mehrausgaben in Milliardenhöhe an und wollen Tausende neue Stellen schaffen. Dabei hat Kretschmann schon gesagt, dass er keinen „Geldscheißer“ wie im Märchen hat.

ARCHIV – 23.06.2022, Baden-Württemberg, Stuttgart: Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen – l), Ministerpräsident von Baden-Württemberg spricht mit Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg, während der Sitzung des Landtages. (zu dpa: „Trotz Sparappell: Ministerien wollen fast 9000 neue Stellen schaffen“) Foto: Tom Weller/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Winfried Kretschmann (Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg spricht mit Danyal Bayaz (Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg, während der Sitzung des Landtages. Foto: Tom Weller/dpa

Trotz der schwierigen Haushaltslage haben die Ministerien von Grünen und CDU die Schaffung von 8959 neuen Stellen in der Landesverwaltung, Schulen und Hochschulen angemeldet. Das geht aus einer Aufstellung des Finanzministeriums für die weiteren Haushaltsberatungen hervor, die der dpa in Stuttgart vorliegt.

Es gilt als sicher, dass nur ein kleiner Teil der neuen Posten bewilligt wird. Denn Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Finanzminister Danyal Bayaz (beide Grüne) hatten wegen der absehbaren wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs mehrfach zur Mäßigung aufgerufen.

Die oppositionelle FDP-Fraktion kritisierte, die Ministerinnen und Minister hätten „den Schuss nicht gehört“.

Schopper will Schulen stärken, Strobl die Polizei

Dennoch hat allein Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) für die kommenden zwei Jahre 4.493 neue Stellen vor allem für die Schulen beantragt.

Zwar soll sie nach dem Willen der grün-schwarzen Koalition im Doppeletat 2023/2024 einige neue Stellen bekommen, aber längst nicht so viele wie von ihr gefordert. Innenminister Thomas Strobl (CDU) will 2.741 neue Stellen schaffen, um insbesondere die Regierungspräsidien und die Polizei zu stärken.

Gesundheitsämter sollen personell besser besetzt werden

Seine Justizkollegin Marion Gentges dringt auf 604 neue Posten und Landwirtschaftsminister Peter Hauk (beide CDU) auf 407. Die scheidende Forschungsministerin Theresia Bauer (Grüne) will bei den Hochschulen nachbessern und hat 167 neue Stellen angemeldet.

Die für Umwelt zuständige Thekla Walker (Grüne) will 148 neue Posten, ihr Sozialkollege Manne Lucha 145. Der Grüne hat vergleichsweise gute Karten, weil wegen der Pandemie der Öffentliche Gesundheitsdienst weiter gestärkt werden soll.

Ressorts wollen Mehrausgaben in Höhe von 7,75 Milliarden Euro

Aus der Liste des Finanzministeriums geht zudem hervor, dass die Ressorts insgesamt Mehrausgaben in Höhe von 7,75 Milliarden Euro beantragt haben. Von den 7,75 Milliarden Euro würden 5,6 Milliarden Euro dauerhaft zu Buche schlagen und damit als strukturelle Mehrausgaben gelten. Jedoch liegt der Spielraum für zusätzliche Ausgaben im Doppeletat bisher nur bei 890 Millionen Euro. Damit ist der Haushalt fast neunmal überzeichnet.

Allein Strobl hat einen Bedarf von fast 1,4 Milliarden Euro angemeldet. Kretschmann hatte vor kurzem schon erklärt, es könnten längst nicht alle Wünsche erfüllt werden. „Ich habe auch keinen Geldscheißer im Staatsministerium“, sagte er. Hinzu kommt, dass das Land den Kommunen auch bei den Kosten für Geflüchtete aus der Ukraine unter die Arme greifen muss.

Der FDP-Finanzexperte Stephen Brauer monierte, die Ministerien täten so, „als würde es Corona und den Ukraine-Krieg mit seinen Folgen überhaupt nicht geben“. Es räche sich, dass Ministerpräsident und Finanzminister „alle Mindereinnahmen mit Schulden zugeschaufelt“ hätten. „Sparen Fehlanzeige, Aufgabenkritik Fehlanzeige.“ Hinzu komme, dass Tausende Stellen im Land nicht besetzt seien und trotzdem wolle man neue Posten schaffen. „Ein desaströseres Bild kann die Landesregierung kaum abgeben“, findet Brauer.

Das Finanzministerium beziffert die zwangsläufigen Mehrbedarfe, zu denen auch Hilfen für die Kommunen gehören, allein auf 836 Millionen Euro für den Doppelhaushalt. Das allein würde den bisher vorgesehenen Spielraum schon fast auffressen. Doch das Haus von Finanzminister Bayaz hat nun noch einen weiteren Überschuss aus dem Jahr 2021 verrechnet und kommt somit auf einen Korridor für politische Schwerpunkte von 389 Millionen Euro.

Investitionen in Kliniken, Justizgebäude und Verkehrswende beantragt

Neben Strobl hat auch Lucha einen deutlich Aufschlag geltend gemacht. Der Gesundheitsminister will 1,4 Milliarden Euro mehr und damit unter anderem den Krankenhäusern im Land stärker helfen.

Das Kultusministerium und das Justizressort benötigen demnach knapp eine Milliarde Euro mehr. Gentges will damit zum Beispiel Justizgebäude sanieren. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat 700 Millionen Euro zusätzlich beantragt, um die Mobilitätswende weiter voranzubringen.

Razavi will ihr Wohnbauministerium personell aufpolstern

Von den angemeldeten 8.959 Stellen sollen 412 in den Ministerien selbst angesiedelt sein. Von den Ressorts haben nur das Staatsministerium und das Finanzministerium keine neuen Stellen für ihre Häuser angemeldet. Spitzenreiter ist hier Lucha mit 135 Stellen, es folgt Strobl mit 66 Posten.

Umweltministerin Walker reklamiert 42 neue Stellen für ihr Haus und die Chefin des neuen Wohnbauministeriums, Nicole Razavi (CDU), will ihr relativ kleines Ressort mit 41 neuen Posten ausbauen. Agrarminister Hauk will über 37 neue Stellen, sein Verkehrskollege Hermann pocht auf gut 35.

Haushaltskommission in Baden-Württemberg muss nun entscheiden

An diesem Dienstag diskutieren die Koalitionsfraktionen über die Aufstellung des Doppelhaushalts. Nächste Woche Dienstag kommt dann die Haushaltskommission der Regierung zusammen, um über die Verteilung der Mehrausgaben zu entscheiden.

Finanzminister Bayaz hat schon mehrfach erklärt, dass er wegen der Gaskrise einen Einbruch bei den Steuereinnahmen im Herbst befürchtet, was dramatische Folgen für den Doppeletat haben könnte.

Der Grünen-Politiker hat schon zwei Puffer in den Eckpunkten für den Haushalt eingebaut. Um die Inflation, höhere Personal- und Energiekosten abzufedern, soll eine Milliarde Euro zurückgelegt werden. Zudem sollen 600 Millionen Euro zur Verfügung stehen, wenn der Bund Steuererleichterungen beschließt und das Land dann weniger Einnahmen haben sollte.

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