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Evangelische Landeskirchen

Vorbereitung für Missbrauchs-Kommission im Süden auf Zielgeraden

Die evangelische Kirche ist erst nach der katholischen vom Thema Missbrauch eingeholt worden. Hunderte Fälle sind ans Licht gekommen, die Dunkelziffer wird als hoch eingeschätzt, die Aufarbeitung läuft. Ein wichtiger Schritt – auch für die Betroffenen – steht nun bald an.

Der Himmel bleibt dunkel: Die Kirchen in Deutschland und Baden-Württemberg haben weiter mit hohen Austrittszahlen zu kämpfen – auch wenn diese weniger hoch waren als noch im Jahr 2019.
Auch die evangelischen Kirchen in Süddeutschland haben wegen Missbrauchsfällen mit Austrittszahlen zu kämpfen. Foto: Bernd Weissbrod picture alliance/dpa

Die Vorbereitungen für eine Missbrauchs-Kommission der evangelischen Landeskirchen in Baden, Württemberg, der Pfalz und Bayern sind auf der Zielgeraden. Der Entwurf einer Vereinbarung der vier Südkirchen liege vor und werde bis zum Sommer mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dann mit der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung abgestimmt, teilte eine Sprecherin der badischen Landeskirche in Karlsruhe mit.

Ein wesentliches Ziel sei, dass Betroffene in die Arbeit der Kommission eingebunden werden. „Personen aus dem Kreis der Betroffenen werden gleichberechtigte Mitglieder der Kommission sein“, hieß es. Um eine unabhängige Aufarbeitung zu gewährleisten, solle eine kirchlich unabhängige, gesellschaftlich bekannte und anerkannte Person den Vorsitz der Aufarbeitungskommission übernehmen. Die Landesregierungen sollen diese und weitere Experten benennen.

Betroffene sollen einbezogen werden

„Das Gelingen der Aufarbeitung hängt entscheidend davon ab, dass die Arbeit der Kommission die Bedürfnisse und Situation von Betroffenen berücksichtigt und auf Augenhöhe einbezieht und unabhängig benannte Mitglieder mit kirchenleitenden Personen zusammenarbeiten“, sagte Landesbischöfin Heike Springhart. Sie sei froh, dass nun ein Entwurf vorliegt. Im Laufe des Jahres sollten konkrete Schritte folgen.

Die Sprecherin kündigte an, die evangelischen Landeskirchen in Baden und der Pfalz würden sich noch vor der Sommerpause darauf verständigen, auf welche Weise ein Betroffenenforum so durchgeführt werden kann, dass die Betroffenen gut gehört werden können. Die beiden Landeskirchen arbeiten den Angaben zufolge eng zusammen.

Hohe Dunkelziffer vermutet

Für den Zeitraum 1954 bis 2010 wurden in der badischen Landeskirche und der Diakonie aus Personal- und Disziplinarakten 27 Täter ermittelt. Trotz der Aufforderung und Ermutigung, sexualisierte Gewalt zu melden, schwiegen viele Betroffene – aus unterschiedlichen Beweggründen. „Die Dunkelziffer der Fälle sexualisierter Gewalt in Landeskirche und Diakonie dürfte daher die Zahl der heute bekannten 92 Fälle deutlich übersteigen“, teilte die Sprecherin weiter mit.

Bislang hätten 56 Betroffene, die sexualisierte Gewalt in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen in Baden erfahren haben, Unterstützung im Umfang von 275.000 Euro erhalten. Hinzu kämen weitere Hilfsangebote. Gespräche mit Betroffenen liefen nach wie vor.

Die evangelische Landeskirche in Württemberg hat nach Angaben eines Sprechers in bisher 174 Fällen Betroffenen von sexualisierter Gewalt sogenannte Anerkennungsleistungen in Höhe von 2,6 Millionen Euro zugesprochen. 154 Fälle kamen demnach aus dem Bereich Diakonie, 20 aus dem Bereich Landeskirche. Darin seien elf Pfarrer involviert.

Seit 2010 seien rund 190 Meldungen zu Grenzüberschreitungen, Vorfällen und Beratungsanfragen zu fachlichem Fehlverhalten aus Bereichen wie Kindergärten, Freizeiten, Konfirmandengruppen und Ehrenamt eingegangen. „Alle diese Meldungen wurden bearbeitet, selbst wenn die Fälle strafrechtlich verjährt waren.“

Projekt will Missbrauchsfälle aufarbeiten

Präventionsmaßnahmen, verbindliche Standards im Dienst- und Arbeitsrecht wie ein Abstinenz- und Abstandsgebot und Meldepflicht bei hinreichendem Verdacht, strukturierte Handlungs- und Notfallpläne sowie Schulungen sollen demnach den Umgang mit dem Thema verbessern beziehungsweise weitere Fälle möglichst verhindern.

Seit dem vergangenen Jahr läuft das wissenschaftliche Projekt „Auf! – Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch in Einrichtungen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg“. Dabei geht es darum, Ursachen und Folgen sexualisierter Gewalt sichtbarzumachen.

Am Samstag soll die Beauftragte für Chancengleichheit im Evangelischen Oberkirchenrat, Ursula Kress, bei der Sitzung der Württembergischen Landessynode ihren jährlichen Bericht vorstellen. Sie wird laut dem Sprecher zum Thema „Missbrauch und sexualisierter Gewalt“ über die landeskirchlichen Standards, die Pflichtschulungen, aber auch über ein geplantes Symposium mit Betroffenen berichten.

Mitglieder verlieren Vertrauen in christliche Kirchen

Die katholische Kirche ist bei dem Thema schon etwas weiter, weil der Missbrauchsskandal hier früher ans Licht kam. Die bisher bekannten Zahlen lassen auch auf eine größere Dimension schließen. In Rottenburg-Stuttgart hat Bischof Gebhard Fürst im Unterschied zu anderen Diözesen schon vor rund 20 Jahren die Kommission sexueller Missbrauch berufen.

Die Erzdiözese Freiburg hatte zuletzt mitgeteilt, dass ein lange erwartetes Gutachten zu Fällen sexuellen Missbrauchs voraussichtlich am 25. Oktober öffentlich vorgestellt werden soll.

Nicht zuletzt wegen der Missbrauchsfälle und der teils schleppenden Aufarbeitung verlieren die christlichen Kirchen zusehends Mitglieder.

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