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Stärkerer Abschuss soll erlaubt werden

Wild vor Wald: Klöckners Reform des Bundesjagdgesetzes sorgt für Unmut

Mit der aktuellen Änderung des Bundesjagdgesetzes will Bundeslandwirtschaftsministerin eine „Naturverjüngung“ des durch Dürren und Käferinvasionen stark geplagten Waldes in Deutschland erreichen. Dass dafür mehr Wild abgeschossen und außerdem der Einsatz von Bleimunition minimiert werden soll, macht manche Jäger und Naturschützer unzufrieden.

Tierschutz und Waldschutz gehen nicht immer unter einen Hut: Weil Rehe gerne junge Bäumchen fressen, will die Bundesregierung mit einem neuen Gesetz ihren Bestand wirksamer regeln, damit sich Deutschlands stark geschädigte Wälder erholen können.
Tierschutz und Waldschutz gehen nicht immer unter einen Hut: Weil Rehe gerne junge Bäumchen fressen, will die Bundesregierung mit einem neuen Gesetz ihren Bestand wirksamer regeln, damit sich Deutschlands stark geschädigte Wälder erholen können. Foto: Patrick Pleul picture alliance/dpa

Die „grüne Lunge“ der Republik ist der Mehrheit der deutschen Bevölkerung heilig. Neun von zehn Bundesbürgern finden den Wald sehr wichtig, 82 Prozent fordern mehr Engagement des Staates für den Forst als natürlichen Lebensraum.

Nun setzt die Politik diesen Auftrag der Bürger um: Mit der ersten großen Änderung des Bundesjagdgesetzes seit 1976 will Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eine nachhaltige „Naturverjüngung“ des geplagten Waldes in Deutschland erreichen. Dass dafür unter Umständen mehr Wild abgeschossen werden soll, macht jedoch manche Jäger wie Naturschützer unglücklich.

Bundeskabinett stimmt Gesetzesnovelle zu

Am Mittwoch hat das Bundeskabinett Klöckners Novelle des Jagdgesetzes zugestimmt. Sie gibt Rahmenbedingungen vor, während das jeweilige Jagdrecht der Länder viele Fragen selbst regelt. Die Ministerin sieht von ihrer Reform eine starke Signalwirkung ausgehen: „Wir tragen den Bedürfnissen der Jäger Rechnung und schaffen Ausgleich zwischen Jägern und Waldbesitzern.“ Ihr Motto laute „Wald und Wild“ und nicht das Gegeneinander von beiden, versuchte Klöckner, die Kritik zu dämpfen.

Dass es den Wäldern in Deutschland nicht gut geht, ist unumstritten. Die Dürrejahre 2018 und 2019, die Stürme und eine Borkenkäferplage haben in der „grünen Lunge“ tiefe Schrammen hinterlassen. Etwa 280.000 Hektar geschädigte Waldflächen müssen mit einem klimastabilen Mischwald schnell wieder bewaldet werden. Ein Problem dabei sind die Wildbestände. Laut einer Statistik hat das Rehwild seit der Jahrtausendwende um 22 Prozent zugenommen, das Damwild sogar um 60 Prozent. Die Rehe knabbern gerne an jungen Bäumchen. Laut Klöckner schädigt solcher „Wildverbiss“ mittlerweile jeden dritten kleinen Baum.

Ein jährlicher „Abschusskorridor“

Auf dem Nationalen Waldgipfel 2019 hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, dass Jungpflanzen der Hauptbaumarten auch ohne Zaunschutz aufwachsen sollen. Um das zu erreichen, schafft der Entwurf des neuen Bundesjagdgesetzes nun die behördliche Abschussplanung für Rehwild ab. Stattdessen sollen sich Waldbesitzer und Jäger vor Ort auf einen jährlichen „Abschusskorridor“ verständigen, der Mindest- und Höchstzahlen festlegt.

Die Grundlage für die Festlegung des Korridors soll ein Gutachten über die örtliche Vegetation sein, das um eine Analyse des Lebensraums des Wilds ergänzt wird. Gibt es in der Frage „Wald oder Wild“ keine Einigung oder bleibt diese hinter dem notwendigen Mindestabschuss zurück, soll die Jagdbehörde eine Abschussquote festlegen dürfen.

BUND Baden-Württemberg sieht kaum Verbesserungen für den Waldumbau

Der Vorwurf, dass ihr Gesetz zu einer partiellen Ausrottung des Rehwildes führen könnte, sei völlig unbegründet, sagte Klöckner in dieser Woche: „Ein solches Ansinnen wäre auch absolut fatal“. Doch es gibt weitere Kritikpunkte. So sieht der BUND Baden-Württemberg kaum Verbesserungen für den Waldumbau im Sinne naturnaher Laubwälder.

„Die Novelle definiert das Waldverjüngungsziel nicht ausreichend, da eine Spezifizierung der Zielbaumarten fehlt“, kommentierte auf BNN-Anfrage der Waldexperte des Landesverbandes, Christoph Schramm. „So besteht weiterhin die Gefahr, dass durch die hohe Rehwilddichte junge Laubbäume abgeknabbert werden und nur die wenig schmackhaften Fichten wachsen.“ Durch den Wegfall der behördlichen Abschusspläne werde zudem die Verantwortung für das Wildtiermanagement einfach an Waldbesitzer und Jäger abgegeben, bemängelte Schramm.

Der Entwurf ist in Tendenzen wildfeindlich.
Ralph Müller-Schallenberg, Deutscher Jagdverband

Kritisch sehen die neuen Regelungen die Jäger. „Der Entwurf ist in Tendenzen wildfeindlich“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Jagdverbandes (DJV), Ralph Müller-Schallenberg. Es entstehe der Eindruck, dass der Waldumbau nur mit dem Gewehr gelingen könne. Wenn der Fokus weiterhin auf den verbissenen Bäumen liege, drohe das Wild den forstlichen Interessen geopfert zu werden.

Der DJV hält es für „praxisfern“, dass die gesamte Verjüngung „im wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen“ erfolgen soll. „Kein Waldbauer wird in einen Nadelholzforst kleine Laubbäume pflanzen und diese nicht vor Wildverbiss schützen“, so Müller-Schallenberg. „Da reicht das letzte Reh, und die Laubbäume sind angeknabbert.“

Eine Kampfansage gegen die moderne und fortschrittliche Jagdgesetzgebung einiger Länder.
Alexander Eichener, Ökologischer Jagdverein Baden-Württemberg

Viele Einwände hat auch der Ökologische Jagdverband (ÖJV). In einer Stellungnahme mahnte er, die Verantwortung für die Abschusspläne nicht ausschließlich den Grundeigentümern und Jagdpächtern zu überlassen. Das Vorstandsmitglied des ÖJV in Baden-Württemberg, Alexander Eichener, weist darauf hin, dass die Vegetationsgutachten im vielen Ländern eine längst anerkannte und sinnvolle Praxis seien. Eichener sieht in der „inhaltlich reaktionären“ Novelle eine politische „Augenwischerei“ und eine „Kampfansage gegen die moderne und fortschrittliche Jagdgesetzgebung einiger Länder“.

Einsatz der toxischen Bleimunition ist umstritten

Der Landesverein stört sich außerdem an Klöckners Versuch, den Einsatz der umweltschädlichen Bleimunition bei der Jagd zu regulieren. Laut Gesetz soll Blei in Büchsenmunition „minimiert“ werden, dabei solle „eine hinreichende Tötungswirkung gewahrt“ werden. Eichener hingegen sieht in der Neuregelung einen Versuch im Interesse von Herstellern, den in einigen Landesjagdgesetzen verbotenen Einsatz von Bleimunition durch die Hintertür zu ermöglichen. „Die Position der Ökologischen Jagdverbände ist, dass die Einbringung eines grundsätzlich toxischen Schwermetalls in die Natur nach Möglichkeit zu vermeiden ist“, sagte der ÖJV-Vertreter den BNN.

Man kann mit waidgerechten und respektvollen Jagdmethoden das Wild nicht ausrotten.
Dietmar Hellmann, Bund Deutscher Forstleute

Diesem Standpunkt schließen sich auch die Förster an. „Es gibt keine Gründe mehr für den Einsatz bleihaltiger Munition. Die Entlastung der Natur vom Blei und Wildpret als einziges unbelastetes Fleisch sind Verpflichtungen, über die man nicht mehr diskutieren muss“, sagte Dietmar Hellmann, Vorsitzender des Bundes Deutscher Forstleute (BDF) in Baden-Württemberg.

Der BDF hält jedoch die neue „Wald und Wild“-Regelung für richtig. Um die Wälder zu regenerieren und die nachwachsenden Bäume zu schützen, brauche man eine intensive „Bejagung, die ihren Namen auch verdient“. Die Jäger müssten mehr schießen und nicht nur beobachten und füttern, wie das mancherorts der Fall sei, so Hellmann. „Man kann mit waidgerechten und respektvollen Jagdmethoden das Wild nicht ausrotten“, beruhigt er.

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