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Betroffene zeigt Risse im Video

Zahlreiche Bürgerinitiativen wehren sich gegen Geothermieprojekte am Oberrhein

Rechts und links des Rheins, im Norden und im Süden des Oberrheingrabens erheben Geschädigte, Betroffene und Gegner der Erdwärmebohrungen ihre Stimmen. Oft mit Erfolg. Eine Betroffene zeigt im Video die Risse an ihrem Haus.

Tanja Rutkowski aus Honau Erdbebenopfer
Tiefe Risse: Die Schäden am Haus von Tanja Rutkowski sind durch Erdbeben entstanden, die von Geothermie-Bohrungen ausgelöst wurden. Foto: Benedikt Spether

Risse im Mauerwerk sind das Eine. „Schlimmer noch sind die psychologischen Folgen, die so ein Erdbeben hat“, sagt Pia Fischer. Die Elsässerin aus Reichstett in der Nähe von Straßburg hat es erlebt.

Wie Hunderte von anderen Menschen in geografischer Nähe zur Geothermie-Bohrung des französischen Unternehmens Fonroche wurde sie schon mehrmals durch seismische Ereignisse aus dem Schlaf gerissen. „Richtig dramatisch ist es, seit wir wissen, dass die Bohrungen gestoppt sind. Die Erde bebt weiter und man weiß nie, was noch alles kommt.“

Pia Weber ist die Präsidentin der französischen Bürgerinitiative „pree“. Die Abkürzung steht für „Présérver Reichstett et environs“ – Reichstett und die Umgebung erhalten. Der kleine Ort liegt nördlich von Straßburg in unmittelbarer Nähe der Gemeinde Vendenheim, auf deren Gemarkung das Geothermie-Kraftwerk eigentlich steht.

Auch nach dem Ende der Bohrungen bebt die Erde weiter

Mit dem Probebetrieb 2019 fing alles an: leichte Erdbeben, die dann aber immer häufiger und immer stärker wurden. Der bisherige Höhepunkt mit 4,0 auf der Richterskala war im Juni 2021 erreicht. Sieben Monate nach dem Betriebsende des Werks.

Ich konnte hören, wie das Gemäuer reisst.
Tanja Rutkowski, Erdbebengeschädigte

Im Dezember 2021 folgte ein weiteres heftiges Beben mit einer Stärke von 3,6. Auf der deutschen Rheinseite erlebt es Tanja Rutkowski aus Honau, einem Stadtteil von Rheinau. „Da war so ein Geräusch. Ich dachte, dass ein Flugzeug sehr niedrig über die Siedlung fliegt“, erinnert sie sich. Plötzlich wackelte das ganze Haus. „Dann konnte ich richtig hören, wie das Gemäuer reißt.“

Die Schäden, die durch das Erdbeben entstanden, sind heftig. An zwei Außenwänden befinden sich mehrere Millimeter dicke Risse, die sogar im Innern zu sehen sind. Die selbstständige Friseurmeisterin ist nur eine von vielen deutschen Geschädigten der Bohrungen von Fonroche. Weit über 400 Schadensstellen wurden bislang registriert.

Die meisten Hausbesitzer sind nicht ganz so schwer betroffen wie die 49-Jährige. Aber sie alle eint die Angst vor weiteren Erschütterungen und der Umstand, dass die Ersatzzahlungen, die die Versicherung von Fonroche anbietet, nicht annähernd ausreichen, um die Schäden zu reparieren.

Deutsche und Franzosen erheben ihre Stimmen

„2.000 Euro sind mir geboten worden“, sagt Tanja Rutkowski. Ein befreundeter Bauunternehmer taxierte die Kosten für die Reparatur und die Beschädigungen allerdings auf 25.000 Euro. Unmittelbar nach dem Jahreswechsel schloss sich die Friseurmeisterin deshalb der neu gegründeten Interessensgemeinschaft von Geschädigten und Betroffenen in Rheinau an.

Die Ortsvorsteherin von Honau, Annette Fritsch-Acar, hat sie ins Leben gerufen. Am 6. Januar trafen sich zehn Personen zur Gründungsversammlung. „Wegen Corona mussten wir den Kreis der Anwesenden beschränken“, erklärt die Wirtschaftsjuristin. Zur ersten Info-Veranstaltung Ende Oktober in Rheinau waren mindesten 100 Menschen gekommen.

Auf deutscher und französischer Seite des Rheins gibt es viele solcher Interessensvertretungen, die alle ihre Stimmen erheben. Sie eint die tiefe Verunsicherung über das, was unter der Erde passiert, auf der sie leben. Sie beklagen Versäumnisse des Betreibers, der Behörden und der Politik. „Die Kommunikation war von Anfang an schlecht“, sagt Pia Fischer.

Initiativen haben oft Erfolg

Immerhin hat der organisierte Bürgerprotest dazu geführt, dass auf Betreiben der Straßburger Präfektin alle weiteren Geothermie-Vorhaben rund um Straßburg vorerst gestoppt wurden. Auch ein Projekt im Raum Neuried ist dank des Einsatzes der Bürgerinitiative gegen Tiefengeothermie vom Tisch. Die Gemeinde konnte ein Gelände, auf dem ein Kraftwerk gebaut werden sollte, wieder zurückkaufen.

Der Interessensgemeinschaft von Honau geht es in Sachen Ausgleichszahlung um das große Ganze. „Wir kümmern uns nicht um jeden einzelnen Schaden“, erklärt Annette Fritsch-Acar. Ihnen gehe es vor allem darum, dass die Betroffenen auch Einsicht in die Gutachten des Versicherers von Fonroche bekommen und sich nicht mit den Abfindungserklärungen zufriedengeben. „Denn die haben ihre Tücken“, warnt die Juristin.

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