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Terrorismus

Amnesty: Wenig Besserung bei Polizei nach NSU-Morden

Die Terror-Organisation NSU flog vor zehn Jahren auf. Es folgten insgesamt 13 Untersuchungsausschüsse. Doch nach Einschätzung von Amnesty International hat die Polizei bis heute nichts daraus gelernt.

Das Wohnmobil der NSU-Terrorzelle steht mit Brandspuren in der Asservatenkammer des Bundeskriminalamtes.
Das Wohnmobil der NSU-Terrorzelle steht mit Brandspuren in der Asservatenkammer des Bundeskriminalamtes. Foto: Oliver Berg/dpa

Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Polizei keine ausreichenden Konsequenzen aus der rassistischen Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ gezogen.

„Die Polizei hat nicht genug aus dem NSU-Komplex gelernt, für die nächste Bundesregierung besteht weiter viel Handlungsbedarf“, erklärte die Organisation am Mittwoch in Berlin. Vor zehn Jahren, am 4. November 2011, war das rechtsextreme Terrornetzwerk, das eine rassistische Mordserie, Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle verübte, aufgeflogen.

Im Bundestagswahlkampf habe das Thema Sicherheit vor rassistischer, antisemitischer und rechtsextremistischer Gewalt keine wirkliche Rolle gespielt, so als hätte es den NSU und die Anschläge von Halle und Hanau nicht gegeben, kritisierte Markus Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. „Wir erwarten, dass die neue Bundesregierung mit Entschlossenheit den Auftrag angeht, sich für eine Polizei einzusetzen, die alle Menschen in Deutschland vor menschenfeindlicher Gewalt schützt.“ Die Organisation fordert unter anderem unabhängige Untersuchungsmechanismen mit ausreichenden Ermittlungskompetenzen bei der Polizei sowie verpflichtende Antirassismus-Trainings für Polizisten.

Mancher Zweifel an Integrität der Sicherheitsbehörden

Aus Sicht des FDP-Innenpolitikers Benjamin Strasser ist die reale Bedrohung durch rechten Terror noch immer hoch. Das zeigten etwa die Anschläge von Halle und Hanau und das Auffliegen weiterer rechtsterroristischer Gruppen seit 2011. Die Lehren aus diesen Taten seien aber nur in Teilen gezogen worden. „Wir brauchen sowohl eine Neuordnung unserer föderalen Sicherheitsarchitektur wie auch eine viel stärkere und effektive parlamentarische Kontrolle von Nachrichtendiensten“, sagte er. FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae betonte, es müsse den immer wieder aufkommenden Zweifeln an der Integrität der Sicherheitsbehörden konsequent nachgegangen werden.

Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow mahnte: „Wir alle sollten auch den Opfern rassistischer Übergriffe mehr und genauer zuhören. Denn an der Frage, wie wir mit den Opfern von Hass und Rassismus umgehen, entscheidet sich auch der demokratische Charakter unserer Gesellschaft.“ Die Linken-Co-Vorsitzende Janine Wissler sagte, Medien und Zivilgesellschaft hätten mehr zur Aufklärung der Mordserie beigetragen als Sicherheitsbehörden und Geheimdienste. Noch immer seien zahlreiche Akten nicht zugänglich und als geheim eingestuft. „Aufklärung unter Verschluss ist keine Aufklärung“, kritisierte Wissler.

Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) machte deutlich, dass das Vertrauen – insbesondere der migrantischen Gemeinden – in die Ermittlungsbehörden noch immer tief erschüttert sei. Auch nach zehn Jahren könne man nicht von einer lückenlosen Aufklärung sprechen. „Im Gegenteil, es gibt immer noch mehr Fragen als Antworten.“ Immer noch gäbe es zum Beispiel noch keine Erklärung, warum wichtige Akten vernichtet wurden. „Immer noch wissen wir nicht, inwieweit die Ermittlungsbehörden im NSU-Komplex verstrickt waren.“

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