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Meinung

von Martin Ferber

Digitalisierung im Schneckentempo

Das Scheitern des E-Rezepts zeigt: Deutschland hinkt hinterher

In Westfalen-Lippe sollte das E-Rezept eingeführt werden. Nun ist die Kassenärztliche Vereinigung aus dem Pilotprojekt ausgestiegen. Das ist symptomatisch für den deutschen Stand der Digitalisierung.

Auf einem Smartphone ist die App «Das E-Rezept» neben einem Apothekensymbol zu sehen (zu dpa «Vor dem Start des bundesweiten E-Rezept-Testlaufs in Apotheken»). +++ dpa-Bildfunk +++
In der Praxis gescheitert: So schnell kommt das elektronische Rezept auf dem Smartphone nicht. Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

In der Theorie klingt es ebenso einfach wie revolutionär. Der Arzt stellt das nötige Rezept nicht mehr auf Papier aus, sondern übermittelt es auf elektronischem Wege auf das Handy des Patienten. Dieser kann dann in der Apotheke die digitale Verschreibung vorlegen und das Medikament besorgen.

E-Rezepte: bundesweit bedeutungslos

Was so einfach klingt, stellt sich allerdings in der Praxis als kaum durchsetzbar dar. Hohe Kosten für die Ärzte und Apotheker für die notwendige Infrastruktur, jüngst Probleme mit der Software, massive Bedenken der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie ein kompliziertes Verifizierungsverfahren für die Patienten haben dazu geführt, dass das E-Rezept in Deutschland so schnell nicht kommen wird.

Vor wenigen Tagen gab die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe ihren Ausstieg aus dem Vorhaben bekannt. Bundesweit war die Umstellung ohnehin bedeutungslos – 550 Millionen Rezepten auf dem bekannten rosa Zettel standen gerade einmal 525.000 digitale Verschreibungen gegenüber.

Das Scheitern des E-Rezeptes steht symptomatisch für den Stand der Digitalisierung in Deutschland. Großen Versprechungen und vollmundigen Ankündigungen folgt ein klägliches Scheitern in der Praxis. So hält das Gesundheitsministerium unbeirrt an seinem Plan fest, das E-Rezept bis 2025 als Standard zu etablieren. Wie das aber angesichts der massiven Bedenken der Datenschützer gelingen soll, bleibt ein Geheimnis.

Unattraktiv für IT-Spezialisten

Kein Einzelfall. Die seit Jahren von allen Bundesregierung versprochene Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung kommt nur im Schneckentempo voran. Nach dem 2017 beschlossenen Onlinezugangsgesetz müssen es Bund, Länder und Kommunen bis Ende des Jahres schaffen, 575 Dienstleistungen auch digital anzubieten. Doch bis März waren gerade einmal 80 Leistungen tatsächlich online verfügbar.

Die Probleme fangen schon damit an, dass der öffentliche Dienst für viele IT-Spezialisten unattraktiv ist. Und sie enden noch lange nicht bei den gesplitteten Zuständigkeiten, die sich aus der föderalen Struktur ergeben. Ein Beispiel unter vielen ist die Grundsteuererklärung: Da die Finanzverwaltung nicht in der Lage ist, die bei unterschiedlichen Ämtern gespeicherten Daten zusammenzuführen, müssen es die Bürger tun.

Estland, Dänemark, Finnland oder Malta beweisen längst, dass es geht und könnten lehren, wie es geht. Deutschland hingegen hinkt hinterher und droht gar den Anschluss zu verlieren. Und so werden die Ärzte weiter die Rezepte auf Papier ausstellen und die Gesundheitsämter die Zahl der Neuinfektionen per Fax ans RKI übermitteln. Wie man‘s eben schon immer gemacht hat.

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