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Neue Vorsitzende

Giffey will Berliner SPD wieder zur Volkspartei machen

Die Berliner SPD hat zwei neue Vorsitzende. Neuer Star ist Franziska Giffey. Nach der Müller-Ära soll sie zusammen mit Raed Saleh für frischen Wind sorgen - und für einen Wahlsieg.

Franziska Giffey will die Partei in den Wahlkampf im kommenden Jahr führen.
Franziska Giffey will die Partei in den Wahlkampf im kommenden Jahr führen. Foto: Michael Kappeler/dpa-pool/dpa

Zehn Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus will die Berliner SPD mit einer neuen Doppelspitze aus dem Umfragetief kommen.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (42) als neue Hoffnungsträgerin und Fraktionschef Raed Saleh (43) sollen die Partei, die die Hauptstadt im Moment gemeinsam mit Linken und Grünen regiert, zu neuer Stärke führen. „Das Rote Rathaus muss Rot bleiben“, kündigten beide auf einem weitgehend online abgehaltenen Parteitag an. Ihr Ziel sei, die SPD wieder zu einer Volkspartei zu machen.

Nach der Urnenwahl am Freitagabend gab die SPD am Samstagmorgen die Wahlergebnisse bekannt: Giffey kam auf 89,4 Prozent der gültigen Stimmen. Saleh fuhr mit 68,7 Prozent ein durchwachsenes Ergebnis ein.

Giffey kündigte daraufhin an, dass sie für die Abgeordnetenhauswahl 2021 als Spitzenkandidatin der SPD antreten will. „Ich will Euch auch sagen, wenn ihr es wollt, dann bin ich auch bereit, Eure Spitzenkandidatin zu sein für das nächste Jahr“, sagte sie an die Adresse der Delegierten. Sie spüre durch das Wahlergebnis auf dem Parteitag „Unterstützung, Solidarität und Rückenwind“. Wann Giffey zur Spitzenkandidatin gekürt wird, ist noch offen.

Der bisherige Landesparteichef Michael Müller (55), der auch Regierender Bürgermeister ist und mit zwölfeinhalb Jahren so lange im Amt war wie kein Vorsitzender vor ihm, trat nicht noch einmal an. Er kandidiert im kommenden Jahr für den Bundestag. Auf den Wechsel an der Parteispitze hatte sich die Berliner SPD-Führung bereits zu Beginn des Jahres verständigt.

Hintergrund sind schlechte Umfragewerte der SPD von jüngst 15 bis 20 Prozent. Damit ist sie schon lange nicht mehr stärkste Partei in der Hauptstadt und könnte den Posten des Regierungschefs im Roten Rathaus an die Grünen oder die CDU verlieren. Wegen der Corona-Pandemie musste die SPD die Neuwahl ihrer Spitze zunächst von Mai auf den 31. Oktober und dann auf November verschieben.

Giffey, die bis zu ihrem Wechsel in das Bundeskabinett 2018 Bürgermeisterin im Berliner Multi-Kulti-Bezirk Neukölln war, gilt als Hoffnungsträgerin und soll einen Neustart verkörpern. Sie wolle in ihrer neuen Funktion „anpacken“, versprach sie. „Wir schlagen ein neues Kapitel auf in der Geschichte der Berliner SPD.“ Zum ersten Mal werde die Partei von einer Doppelspitze geführt, und erstmals übernehme eine Frau die Führung der Landespartei.

Allerdings belastet die Politikerin die Affäre um mögliche Plagiate in ihrer Doktorarbeit. Die Freie Universität Berlin (FU) erteilte ihr im Herbst 2019 wegen Mängeln in der Arbeit eine Rüge, entzog ihr aber nicht den Doktortitel. Nach breiter Kritik an ihrem Vorgehen kündigte die FU jüngst eine erneute Prüfung an, die bis Ende Februar abgeschlossen sein soll. Die Rüge für Giffey wurde zurückgezogen. Unter Druck hatte die Ministerin vor kurzem verkündet, auf ihren Doktortitel zu verzichten.

Am Samstag machte sie vor Journalisten deutlich, dass auch ein möglicher Entzug durch die FU an ihrer Spitzenkandidatur nichts ändert. „Ich habe den Genossinnen und Genossen gesagt: Ihr könnt euch auf mich verlassen, egal, was kommt“, so Giffey. „Ich bin für euch da, wir sind für euch da.“ Bis Ende Januar wolle die SPD ihr Wahlprogramm erarbeiten und im Frühjahr dann beschließen.

Ein Schwerpunkt werde das Thema Sicherheit sein, das soziale ebenso wie innere Sicherheit umfasse, kündigte sie an. Nötig sei zum Beispiel ein hartes Vorgehen gegen Clan-Kriminalität. „Wir haben hier zwölf Groß-Clans in der Stadt, acht davon sind in Neukölln unterwegs, nicht nur da, aber auch. Wir müssen das klar benennen“, sagte Giffey. „Gute Politik beginnt mit dem Aussprechen von dem, was ist. Wir haben hier organisierte Clan-Kriminalität in der Stadt, die macht den Leuten das Leben schwer.“ Das sei nicht zu akzeptieren.

Weitere Themen der SPD seien Wohnungsbau, Bildung, eine bürgernahe Verwaltung und eine funktionierende Wirtschaft. Wichtig sei auch der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) - nicht zuletzt der U-Bahn. An dem Punkt hatte es zuletzt häufiger Dissens der SPD mit dem Koalitionspartner Grüne gegeben. Diese - so der SPD-Vorwurf - setzten zu stark auf Radwege und eine Symbolpolitik gegen Autofahrer.

Der Co-Vorsitzende Saleh unterstrich, die SPD müsse wieder attraktiv für Wählerschichten werden, die sich in der Vergangenheit von ihr abgewandt hätten. Als Beispiele nannte er Arbeiter genauso wie Polizisten, Sozialarbeiter oder Menschen mit ausländischen Wurzeln. „Wir wollen auch die Kneipen zurückholen für die Sozialdemokratie.“

Wegen der Corona-Pandemie saßen die Parteitagsdelegierten zu Hause an ihren Computern, die Parteiführung versammelte sich in einem Hotel. Für Wahlgänge gingen die Delegierten mehrfach in die SPD-Kreisgeschäftsstellen, um ihre Stimmzettel abzugeben.

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