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Klimakrise

Großbritannien: Erde retten, aber Aktivisten einsperren?

Immer wieder beziehen sich Politikerinnen und Politiker in Deutschland auf junge Menschen, die für das Klima auf die Straße gehen. Anders sieht das in Großbritannien aus.

Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, spricht während eines Interviews auf dem Parteitag der Konservativen.
Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, spricht während eines Interviews auf dem Parteitag der Konservativen. Foto: Peter Byrne/PA Wire/dpa

Geht es um grüne Versprechen, überschlägt sich Boris Johnson mittlerweile fast vor Euphorie. Die Offshore-Windparks vor den britischen Küsten sollen sein Land zum „Saudi-Arabien der Windkraft“ machen, wie der Premier gerne betont.

In ein paar Wochen will Johnson sein Land bei der Weltklimakonferenz in Glasgow als Klimaschutz-Vorreiter präsentieren. Anders klingt seine Stimme, wenn er über jene redet, die eigentlich das Gleiche wollen.

„Unverantwortliche Ökos“ (original: „Irresponsible Crusties“) nannte Johnson die Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppe Insulate Britain, die seit Wochen mit ihren Protesten von sich reden machen, am Dienstag im Gespräch mit dem Sender LBC. Die Vertreter von Insulate Britain, die Johnsons Worte gelassen hinnahmen, fordern die flächendeckende Wärmeisolierung von Häusern in Großbritannien - bislang eine große Schwachstelle britischer Klimapolitik. Eine Strategie für klimafreundlichere Gebäude lässt auf sich warten.

Patel spricht von „sogenannten Öko-Kriegern“

Verglichen mit seiner Innenministerin wählte Johnson sogar noch harmlose Worte. Priti Patel sprach in ihrer Rede beim Parteitag der Konservativen Partei in Manchester am Dienstag von „sogenannten Öko-Kriegern, die unsere Lebensweise mit Füßen treten und die Ressourcen der Polizei verschwenden“. Der Grund: Insulate Britain legt mit seinen Aktionen immer wieder den Verkehr lahm. Die Aktivistinnen und Aktivisten klebten sich auf Spuren der Londoner Ringautobahn oder blockierten die Hafeneinfahrt von Dover. Auch dann noch, als Gerichte bereits einstweilige Verfügungen gegen die Gruppe verhängt hatten. Wer sich widersetze, könne ins Gefängnis kommen, hieß es darin.

Nun also die noch härtere Kante. Obwohl Patel bereits im vergangenen Jahr die Daumenschrauben anzog und der Polizei mehr Macht bei Demonstrationen gab, geht ihre Null-Toleranz-Politik gegenüber zivilem Ungehorsam nun noch einige Schritte weiter: So soll die maximale Strafe für das Blockieren von wichtigen Verkehrsachsen wie Autobahnen erhöht werden, wie sie im Kreise jubelnder Parteifreunde ankündigte. Außerdem sollen Polizei und Gerichte neue Befugnisse bekommen, um Aktivisten aufzuhalten, die quer durchs Land zu Protesten anreisen.

Gruppen setzen stärker auf Widerstand

Dass deren Anliegen nützlich sein könnten, um eine ambitionierte Klimapolitik, wie sie sich die Johnson-Regierung zumindest vorgenommen hat, in der Gesellschaft zu legitimieren, ist in Londoner Regierungskreisen bislang kein schlagkräftiges Argument. Allerdings hat man es in Großbritannien auch weniger mit Gruppen wie Fridays for Future zu tun, deren schlimmstes Vergehen in der Regel darin besteht, freitags nicht in der Schule zu erscheinen. Präsenter sind Gruppen wie Insulate Britain oder Extinction Rebellion, deren Strategie stärker auf Widerstand, Blockade und Aufrütteln angelegt ist.

Eine gemeinsame Pressekonferenz mit denen, die für das Klima auf die Straße gehen, wie sie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im vergangenen Jahr mit den Fridays-for-Future-Aktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer gab, scheint in der Downing Street fern jeglicher Vorstellungskraft. Ob die Hunderttausenden, die rund um die Klimakonferenz in Glasgow zu Protesten erwartet werden, das ändern, bleibt abzuwarten.

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