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Der Komet „Neowise”

Heller Komet am Himmel: Im Juli auch aus Karlsruhe sichtbar

Über diesen Anblick freuen sich auch die Astronauten auf der Raumstation ISS: Der helle Komet Neowise fliegt in der für kosmische Maßstäbe knappen Entfernung von 100 Millionen Kilometern an der Erde vorbei - und lässt gerade die Herzen der Himmelsbeobachter höher schlagen.

Faszinierendes Schauspiel am nächtlichen Himmel: Dem BNN-Leser Rainer Mannoff gelang diese beeindruckende Aufnahme des Kometen Neowise in der Nähe von Weingarten.
Faszinierendes Schauspiel am nächtlichen Himmel: Dem BNN-Leser Rainer Mannoff gelang diese beeindruckende Aufnahme des Kometen Neowise in der Nähe von Weingarten. Foto: Rainer Mannoff

Russische Kosmonauten sind eher selten sentimental. Doch am vergangenen Wochenende konnte der Bordingenieur Iwan Wagner beim Blick aus dem Fenster der Internationalen Raumstation ISS seine Begeisterung nicht zurückhalten.

Auf dem in etwa 400 Kilometer Höhe aufgenommenen Bild des 35-jährigen Raumfahrers sieht man das zartblaue Glühen der Erdatmosphäre und darüber im schwarzen Himmel eine leuchtende weiße Kugel mit einem Schweif. „Ein atemberaubendes Schauspiel”, twitterte Wagner aus der Erdumlaufbahn. „Freunde, das ist der hellste Komet seit sieben Jahren”.

Schöner Himmelsobjekt auch mit bloßem Auge gut sichtbar

Er hält derzeit nicht nur die Besatzung der ISS vom Arbeiten ab, sondern bringt auch zahllose Sterngucker und Astrofotografen weltweit um den Nachtschlaf. Das faszinierende Objekt mit der offiziellen Bezeichnung C/2020 F3 Neowise ist der große Sommerkomet dieses Jahres, der sich auch in Deutschland gut beobachten lässt – sogar ohne Hilfsmittel, wenn die Augen gut sind.

Der seit einigen Milliarden Jahren durch das Sonnensystem vagabundierende Brocken wird in der kommenden Woche seinen erdnächsten Punkt erreichen und dann „nur” noch etwas mehr als 100 Millionen Kilometer von uns entfernt sein.

„Der Komet wird etwa ab 15. Juli über dem nördlichen Abendhorizont sichtbar werden, dabei könnte er sogar heller erscheinen als die Sterne des Großen Bären”, sagt der Hobby-Astronom Jurgen Linder. Der Vorsitzende der „Sternfreunde Durmersheim” hatte sich in den vergangenen Tagen mehrmals den Wecker auf drei Uhr nachts gestellt, um die selten schöne himmlische Erscheinung zu genießen. Neowise sei noch heller gewesen als erwartet, freut sich Linder im Gespräch mit den BNN. „Sein Kopf war sogar mit bloßem Auge erkennbar. Das macht Hoffnung auf gute Sichtbarkeit in den kommenden Wochen.”

Sein Kopf war sogar mit bloßem Auge erkennbar. Das macht Hoffnung auf gute Sichtbarkeit in den kommenden Wochen.
Jürgen Linder, Hobby-Astronom

Mit dem Kopf bezeichnen Astronomen umgangssprachlich den Kern der mit hoher Geschwindigkeit fliegenden kosmischen „Schneebälle”, die sich meist aus Eis, Staub und Gestein gebildet haben. Die meist einige Kilometer großen Objekte wärmen sich bei der Annäherung zur Sonne auf und entwickeln einen leuchtenden Schweif, den der Sonnenwind davon trägt. Er kann Millionen Kilometer lang werden.

„Diese Gase bestehen aus Wasserstoff, Kohlenstoffen und komplexen Verbindungen. Der Staub des Kometen wird in Sandkorngröße herausgerissen und ist oft etwas gekrümmt”, erzählt Linder. Tatsächlich zeichnet der Schweif von Neowise einen leicht gebogene Spur im Himmel.

„Neowise” hätte beim Anflug auf die Sonne auseinanderbrechen können

Die Kometen werden meist nach Menschen benannt, die sie entdeckt haben. In diesem Fall ist es aber anders. Neowise ist ein Kunstwort, dessen zweiter Teil auf ein 2009 gestartetes Weltraumteleskop der Nasa zurückgeht – das Wide-field Infrared Survey Explorer (abgekürzt WISE). Ab 2010 hat es den gesamten Himmel im Infrarotbereich untersucht und abgebildet.

Das fliegende „Auge“ wurde dann 2011 außer Betrieb genommen, jedoch im Herbst 2013 wieder reaktiviert, um nach Asteroiden zu suchen, die der Menschheit gefährlich werden könnten. Die Abkürzung NEO (near earth objects) für erdnahe Objekte bildet den ersten Teil des Kometennamens. Wie nicht unschwer zu erraten ist, wurde der Himmelskörper von Wissenschaftlern mithilfe des Teleskops entdeckt, und zwar Ende März 2020.

Dass Neowise heute den nächtlichen Himmel schmückt, ist sozusagen ein Glücksfall. Am 3. Juli hatte der Komet den Merkur-Orbit gekreuzt und war auf seiner Flugbahn der Sonne bis auf 50 Millionen Kilometer nahegekommen. Es bestand die Möglichkeit, dass er zerbricht, jedoch hat der geröstete Brocken irgendwie diese gefährliche Phase überstanden. „Um ihn zu sehen, sollte man einen höheren, dunklen Platz mit West- oder Nordwestsicht für die Abendbeobachtung aufsuchen“, empfiehlt Jürgen Linder. Neowise wird nächstes Mal erst in einigen Tausend Jahren auftauchen.

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