Skip to main content

Vorwürfe

Katar im Zwielicht: Geht die Imagekampagne nach hinten los?

Katar steht für klimatisierte Moderne und Aufbruch im Eiltempo. Die dort laufende Fußball-WM wird aber von negativen Schlagzeilen begleitet, nun kommen Vorwürfe zur illegalen Einflussnahme in Brüssel hinzu.

Katar steht nicht nur wegen der Fußball-WM in den Schlagzeilen.
Katar steht nicht nur wegen der Fußball-WM in den Schlagzeilen. Foto: Christian Charisius/dpa/dpa-tmn/Archiv

Eigentlich hätte es für Katar ein gutes Jahr werden können: Gastgeber der Fußball-WM und damit wochenlang im Fokus der Weltöffentlichkeit, dazu zahlungsstarke Regierungen, die der Führung in Doha wegen seiner Gasvorkommen den Hof machen.

Außerdem eine wachsende Rolle als Vermittler bei internationalen Konflikten, etwa durch seine Kontakte zu radikalen Gruppen wie Hamas und Taliban sowie zum Iran. Das Emirat am Persischen Golf, hätte man meinen können, war auf dem Weg nach oben.

Mit dem Korruptionsskandal im EU-Parlament scheint der Höhenflug in einer Art Bauchlandung zu enden. Im Raum steht, dass Katar dort mit Geld- und Sachgeschenken versucht haben soll, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Auch wenn die Vorwürfe, die Katar bestreitet, nicht bestätigt sind: Nach vielen negativen Schlagzeilen rund um die Weltmeisterschaft in Katar – zur Lage der Menschenrechte, den Arbeitsmigranten, den Korruptionsvorwürfen bei der WM-Vergabe – dürfte das Image einen noch tieferen Kratzer bekommen haben.

Katar, das steht für Aufbruch im Eiltempo, für klimatisierte Moderne und Wolkenkratzer, wo noch vor 100 Jahren vor allem Wüstenvölker lebten. Die Staatskassen füllt das Land, das mit dem sogenannten North Field über das größte Gasfeld weltweit verfügt, vor allem durch Langzeitverträge für die Lieferung von Flüssigerdgas (LNG) unter anderem nach Asien. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise ließ die Nachfrage noch kräftig steigen.

Zu fast überproportional hohem Ansehen gelangt

Auch international ist Katar, eine Halbinsel etwa viermal so groß wie das Saarland, zu fast überproportional hohem Ansehen gelangt. Doha vermittelte den – wenn auch später katastrophal verlaufenen – US-geführten Truppenabzug aus Afghanistan und nahm 60.000 Evakuierte vorübergehend auf. Die USA, die in Katar ihre größte Militärbasis im Nahen Osten unterhalten, verlegten ihre Botschaft nach Doha und lassen sich in Afghanistan durch die Katarer vertreten. Nachdem 2021 eine jahrelangen Blockade durch Saudi-Arabien und Verbündete endete, ist das Emirat auch regional gestärkt. Im Konflikt des Westens mit dem Iran ist Doha ebenfalls ein wichtiger Ansprechpartner.

Aber die Öffentlichkeitsarbeit steckte dabei „in den letzten Jahren noch in den Kinderschuhen“, sagt Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Deutschlandfunk. PR-Firmen seien spät engagiert worden. Wenn die katarische Führung oder deren Diplomaten wirklich glaubten, dass sie durch Geldgeschenke Einfluss in Europa erkaufen könnten, sei das ein „Hinweis auf große politische Dummheit“, sagt Steinberg. Womöglich wüssten sie einfach nicht, wie politische Einflussnahme in Brüssel abläuft.

Dort greift nach dem ersten Schock auch das Misstrauen um sich. Der französische Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann schrieb auf Twitter bereits, das aufgedeckte Netzwerk sei überwältigend. „Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang...“ Die gesamten Beziehungen der Europäischen Union zu Katar dürften auf den Prüfstand gestellt werden. Jeder Kontakt wird im Nachhinein argwöhnisch begutachtet.

So etwa die zahlreichen Treffen des Vize-Präsidenten der EU-Kommission Margaritis Schinas. Der Grieche ist in der Behörde unter anderem für Sport zuständig, traf in dieser Funktion zuletzt regelmäßig katarische Regierungsvertreter – und lobte die Reformen und Fortschritte des Landes etwa bei Arbeitnehmerrechten. Die französische Fraktionschefin der Linken forderte angesichts derlei „Lobeshymnen“, die Verbindungen zwischen Katar und den Mitgliedern anderer EU-Institutionen zu überprüfen.

Schinas weist Kritik zurück

Schinas wiederum hält die Kritik für unbegründet. „Alle meine öffentlichen Äußerungen zu Katar, jedes einzelne Wort, sind zu hundert Prozent mit der Politik der Kommission vereinbar“, sagte er unlängst. „Das ist die Europäische Kommission. Wir improvisieren nicht, wir erfinden keine Positionen.“ Als Geschenke von katarischen Regierungsvertretern habe er einen Fußball und eine Schachtel Pralinen erhalten, die er seinem Fahrer überlassen habe; außerdem einige WM-Souvenirs.

Wichtige Gasabkommen mit Katar würden sicher nicht gekippt, weil das Land „irgendwelche obskuren Politiker in Brüssel möglicherweise hat bestechen lassen“, sagt Experte Steinberg. In eine ähnliche Richtung äußerte sich am Dienstagabend Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der erklärte, die mutmaßliche Bestechung von EU-Politikern und das Thema Gaseinkäufe seien „zwei verschiedene Sachen“.

Auch bei der Fußball-WM werde der Nutzen für Wirtschaft und Image trotz vieler Kritik langfristig überwiegen, meint Robert Mogielnicki von der US-Denkfabrik AGSIW, etwa für den Tourismus und andere große Vorhaben in der Zukunft. Berichten zufolge plant das Land bereits eine Bewerbung, im Jahr 2036 die Olympischen Spiele auszurichten.

nach oben Zurück zum Seitenanfang