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Umweltschützer wollen mehr

Reform für schnelleren Ökostrom-Ausbau

Die Energiewende bleibt eine Großbaustelle. Mit viel Verspätung hat die Bundesregierung Schritte für mehr Wind- und Sonnenstrom beschlossen. Nicht alle Minister sind zufrieden - von Umweltverbänden und Abgeordneten ganz zu schweigen. Nun tickt die Uhr.

Die Silhouette eines Windrades (r) zeichnet sich vor der aufgehenden Sonne ab.
Die Silhouette eines Windrades (r) zeichnet sich vor der aufgehenden Sonne ab. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Mehr Windräder, mehr Solaranlagen, mehr Klimaschutz - aber von all dem nicht genug? Die Bundesregierung hat am Mittwoch eine Reform für einen schnelleren Ökostrom-Ausbau auf den Weg gebracht.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von einem „sehr großen Schritt“. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) dagegen gab im Kabinett schriftlich zu Protokoll, dass ihr Altmaiers Pläne längst nicht reichen. Auch von Umweltverbänden hagelte es Kritik. Die Zeit drängt, denn die Reform muss zum Jahreswechsel in Kraft treten. Es bleibt also für Bundestag und Bundesrat wenig Zeit, an Details zu feilen.

Altmaiers Entwurf sieht vor, die Ausbau-Ziele vor allem für Windräder an Land und für Solaranlagen zu erhöhen. Auch für Windkraft auf See wurden die Ziele schon nach oben geschraubt. Die Zielmarke ist ein Ökostrom-Anteil von 65 Prozent bis 2030. In diesem Jahr sind es bisher rund 50 Prozent, allerdings war der Stromverbrauch wegen der Corona-Pandemie geringer. Bis 2050 sollen es 100 Prozent Ökostrom sein. Der Stromsektor soll „vor dem Jahr 2050“ klimaneutral werden.

In ihrer Protokollerklärung wies Schulze darauf hin, dass wegen der Erhöhung der Klimaschutzziele in der EU für 2030 auch Deutschlands Ökostrom-Ziele „nochmals deutlich anzuheben“ seien. Sie habe zunächst zugestimmt, damit das Gesetz in Kraft treten könne und der Ausbau in Schwung komme. Auch Altmaier sagte, man werden „gegebenenfalls“ mehr benötigen und das berücksichtigen, wenn die EU-Entscheidung stehe. Vor allem aus EU-rechtlichen Grünen ist es zwingend notwendig, dass die Reform bis Jahreswechsel unter Dach und Fach ist.

Zuletzt ging der Ökostrom-Ausbau zu langsam voran, um die Ziele zu erreichen. Vor allem lange Genehmigungsverfahren, fehlende Flächen sowie Proteste und Klagen von Anwohnern und Naturschützern erschweren den Bau neuer Wind- und Solarparks. Ende 2022 geht das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz. Für den Klimaschutz sollen bis spätestens 2038 auch alle Kohlekraftwerke abgeschaltet werden.

Aus der Ökostrom-Branche kam Kritik. Trotz manch positiver Impulse und einiger beseitigter Hürden blieben „negative Ansätze und Leerstellen bestehen“, teilte die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien, Simone Peter, mit. Diese ließen „eine Klimazielverfehlung und gigantische Ökostromlücke erwarten“.

Der Umweltverband BUND kritisierte die neuen Ausbau-Ziele als „mickrig“, andere Verbände wie Greenpeace oder der Naturschutzring äußerten sich ähnlich. Lob vom BUND gab es allerdings für eine Neuerung: Um den Widerstand zu verringern, sollen die Gemeinden, in denen neue Windräder gebaut werden, künftig Geld von den Betreibern zur freien Verfügung bekommen. Die Betreiber der Windkraftanlagen wiederum können sich das Geld von den Netzbetreibern zurückholen.

Ein jährliches Monitoring soll vom kommenden Jahr an dafür sorgen, dass rasch nachgesteuert wird, wenn sich etwa der Stromverbrauch anders entwickelt als vorgesehen oder der Ausbau weiter hinkt. Den „guten Überprüfungs- und Nachsteuerungsmechanismus“ lobte auch Schulze. Altmaier kündigte an, wenn der Verbrauch höher liege als angenommen, würden die Ökostrom-Ziele auch erhöht - umgekehrt würden sie aber nicht abgesenkt, falls weniger Strom verbraucht werde.

Damit mehr Windkraftanlagen auch im Süden entstehen, wo es weniger Wind gibt als in Norddeutschland, soll eine „Südquote“ beim Ausbau eingeführt werden. Das soll Netzengpässe vermeiden. Parallel verabschiedete das Kabinett eine Gesetzesnovelle, die Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Ausbau von Stromnetzen beschleunigen soll.

Die SPD will das Gesetz im Bundestag noch ändern. Fraktionsvize Matthias Miersch kritisierte Altmaiers Novelle als „Novellchen“. „Es ist jetzt wichtig, im Parlament die Dinge nachzuholen“, sagte er. Es brauche etwa weniger Investitionshemmnisse und eine Stärkung des Eigenverbrauchs und der Stromproduktion auf Mietshäusern.

Der Industrieverband BDI äußerte keine grundsätzliche Kritik am Entwurf, sieht aber „dringenden Ergänzungsbedarf“ bei „Entlastungen für das gesamte produzierende Gewerbe“.

Unzufrieden zeigte sich die Opposition. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Mit dem Gesetz, das die Erneuerbaren künstlich klein hält, riskiert die Bundesregierung Versorgungslücken und gefährdet Klimaschutz und bezahlbare Strompreise.“ Die Bundesregierung gehe von einem zu geringen Strombedarf aus.

FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kritisierte, dass die Bundesregierung laut Entwurf bis „spätestens 2027“ einen Vorschlag für den Ausstieg aus der Ökostrom-Förderung vorlegen will. Erneuerbare müssten vollständig in den Wettbewerb überführt werden, der Startschuss müsse heute erfolgen. Der Linke-Politiker Lorenz Gösta Beutin forderte dagegen 100 Prozent Ökostrom schon bis 2035 und eine schrittweise Vergesellschaftung der großen Stromkonzerne.

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