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Von Corona zu Putin

So geht die rechte Szene mit dem Ukraine-Krieg um

Die Corona-Proteste boten Rechtsextremen zuletzt eine gute Grundlage, um viele Menschen zu mobilisieren. Mit dem Ukraine-Krieg hat die Rechte ein neues Thema gefunden – jedoch noch keine einheitliche Linie.

Teilnehmer einer Protestaktion gegen die Corona-Schutzmaßnahmen.
Teilnehmer einer Protestaktion gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Die einen rufen zum bewaffneten Kampf auf der Seite ukrainischer Nationalisten auf. Die anderen unterstützen Wladimir Putin und befeuern alte Verschwörungsmythen.

In der rechten Szene in Deutschland wird der Krieg teils heftig diskutiert. War sie bis vor kurzem noch geeint durch den Kampf gegen Corona-Maßnahmen, beobachten Forscher und Verfassungsschützer nun Unsicherheiten und Lagerbildung. Die Sorgenfalten bei den Sicherheitsbehörden werden aber nicht kleiner. Sie haben auch Rechtsextreme im Blick, die in der Ukraine versuchen könnten, Kampferfahrung zu sammeln.

Ausreisen deutscher Rechtsextremer verhindern

„Es ist richtig, dass uns natürlich nicht entgangen ist, dass es Aufrufe zur Ausreise und zum Kampf in der Regel bisher auf ukrainischer Seite gibt“, sagt etwa der Thüringer Verfassungsschutzchef Stephan Kramer. Oft werde in diesem Zusammenhang das ukrainische „Asow-Bataillon“ genannt. Dieses habe schon früher intensive Kontakte mit der rechtsextremistischen Szene in Deutschland, aber auch in Europa und den USA gehabt. Man versuche, Ausreisen deutscher Rechtsextremer zu verhindern – das sei angesichts offener Grenzen aber schwierig.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz berichtete zuletzt von vereinzelten Hinweisen auf Ausreisen von Rechtsextremisten in Richtung Ukraine. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bezifferte die möglichen Zahlen auf „deutlich weniger als zehn Fälle“. Um Ausreisen zu verhindern, könnten etwa Pässe entzogen werden. Laut Kramer ist es schwierig zu verifizieren, wer sich derzeit wirklich im Kriegsgebiet aufhält. Er erinnert daran, dass etwa auch im Balkan-Konflikt deutsche Rechtsextremisten ausgereist seien und dort mitgekämpft hätten. „Das hat man zum großen Teil dann in seiner ganzen Quantität erst später festgestellt.“

Aus Sicht des Rechtsextremismusforschers Matthias Quent von der Hochschule Magdeburg-Stendal sind die Berichte deutscher Rechtsextremer, die sich angeblich im Kriegsgebiet aufhalten, durchaus plausibel. Die Verbindungen des „Asow-Bataillons“ zu Rechtsextremen in Deutschland seien lange bekannt. „Hier eröffnet sich eine Chance, tatsächlich Kampferfahrung zu sammeln, die man dann vielleicht auch nach diesem Krieg noch benutzen kann“, sagt er.

Ukraine ein „Vasallen-Staat“

Der sächsische Verfassungsschutz hat die Entwicklungen nach eigenen Angaben ebenfalls im Blick. Konkrete Erkenntnisse, dass sich sächsische Rechtsextremisten an Kampfhandlungen beteiligen, lägen jedoch nicht vor. Aufseiten der Ultra-Nationalisten in der Ukraine positionierten sich etwa Teile der rechtsextremistischen Parteien NPD und Der Dritte Weg. Auf der anderen Seite beziehe etwa die rechtsextreme Kleinpartei Freie Sachsen pro-russische Positionen.

„Die Freien Sachsen verhehlen überhaupt nicht, dass sie sich einen starken Mann wünschen, der die Ukraine und später auch Sachsen „befreien“ soll“, sagt der Extremismusforscher Johannes Kiess von der Universität Leipzig. Für sie sei die Ukraine ein „Vasallen-Staat“ des Westens und der ukrainische Präsident Teil der globalen Elite, die es zu bekämpfen gelte. Und die Kleinstpartei, die zuletzt vor allem zu Corona-Protesten mobilisierte, ist da kein Einzelfall. „Große Teile der extremen Rechten in Deutschland, einschließlich großer Teile der AfD, stehen auf der Seite Putins“, sagt Quent.

Hier bemerken sowohl die Forscher als auch Verfassungsschützer Kramer den Versuch, die etwas stockende Mobilisierungskraft des Corona-Themas in eine neue Richtung zu drehen. „Im Grunde genommen kann man gerade in Echtzeit dabei zusehen, wie die Rechten neue Narrative aufbauen“, sagt Kiess. Es werde versucht, über das Ukraine-Thema die bereits hohe Emotionalisierung durch Corona weiter zu befeuern und somit weiter Menschen zu mobilisieren, sagt Kramer. „Hier werden auch schon wieder die klassischen Verschwörungsfantasien bemüht.“ Die Stoßrichtung der Argumentation sei: Die Medien hätten schon bei Corona gelogen und täten es nun auch beim Ukraine-Krieg.

Pandemie hat leichtere Freund-Feind-Linien

Nach Quents Einschätzung ruft die jetzige Situation aber auch Irritationen hervor. Zum einen scheine die öffentliche Meinung derzeit stark in Richtung der Ukraine auszuschlagen. Beim Corona-Thema habe man auch die Freund-Feind-Linien sehr viel leichter konstruieren können. Nun sei es für harte Nationalisten ambivalent, dass in der Ukraine die Souveränität eines Staates angegriffen werde. Andererseits werde die Ukraine von einem jüdischen Präsidenten regiert. „Das sind ja Ebenen, die da tatsächlich diskutiert werden: Womit kann man sich eigentlich solidarisieren?“ Auch Kiess sagt: „Zwischen den Gruppen sind teils sehr heftige Diskussionen zu beobachten.“

Wie das aussehen kann, zeigt sich zurzeit in Thüringen. Im Freistaat solidarisierten sich zuletzt mehrere Gruppen aus dem sogenannten Querdenken-Spektrum mit Putin, wie Romy Arnold sagt, deren Verein Mobile Beratung in Thüringen (Mobit) die Szene vor Ort beobachtet. Gleichzeitig stellten sich mehrere Thüringer Rechtsextreme, die bisher zu Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen mobilisierten und auch vor Ort waren, auf die Seite ukrainischer Nationalisten. In den einschlägigen Foren stellten extreme Rechte immer wieder erstaunt fest, wie ihre vermeintlichen Kameraden agieren, so Arnold. „Die zerstreiten sich gerade.“

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