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Programmiererin Hamilton

Diese Frau machte die Mondlandung erst möglich

Sie gilt als die Begründerin der Software-Entwicklung: Margaret Hamilton, Leiterin der Programmierer für das Apollo-11-Projekt. Ohne sie hätte es die Mondlandung vielleicht nicht gegeben. Als der Bordcomputer der Mondfähre "Eagle" kurz vor der Landung Probleme bereitete, behielt das System dank ihrer Codes den Überblick. Sonst hätten Neil Armstrong und Buzz Aldrin die Heimreise antreten müssen.

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This undated handout photo released by the Smithsonian National Air and Space Museum on July 11, 2019 shows Margaret Hamilton, a member of Draper Laboratory Staff at work during the Apollo missions. - We've all been there: you're working on an important task, your PC crashes, and you lose all your progress. The stakes were that much higher for the Apollo missions, the first time ever flight control systems were handled entirely by a machine, a breakthrough moment in computing. (Photo by HO / Smithsonian National Air and Space Museum / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / SMITHSONIAN NATIONAL AIR AND SPACE MUSEUM/HANDOUT" - NO MARKETING - NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS / TO GO WITH AFP STORY BY Issam AHMED, "The machine that made the Moon missions possible" Foto: AFP

Lauren Hamilton ist vier Jahre alt, als sie die Arbeit ihrer Mutter Margaret auf den Kopf stellt. Die Tochter der berühmten Software-Entwicklerin spielt gerne Astronautin in den Labors des Massachuetts Institute of Technology (MIT). Hamilton leitet die Software-Entwicklung für das Apollo-11-Programm. Und dort, wo Margaret Hamilton den Bordrechner der Raumfähre programmiert, um einen Mann auf den Mond zu bringen, haut Lauren auch mal auf ein paar Knöpfen rum – die Folge: ein Systemabsturz und eine geniale Überlegung.

Hamilton arbeitet Tag und Nacht

Hamilton und ihr Team prüfen in den 1960er-Jahren die Programme an originalgetreuen Modellen der Raumfähre „Columbia” und der Mondfähre „Eagle”. Eine Arbeit, die viel Zeit frisst. Hamilton berichtet Jahre später, dass es kaum einen Punkt gegeben habe, an dem sie nicht gearbeitet hatte .

Tochter Lauren funktioniert in den Abendstunden das Labor zum Abenteuerspielplatz um. „Sie begann, Knöpfe zu drücken. Plötzlich stürzte das System ab“, erzählt die Wissenschaftlerin in einem „Guardian“-Interview im Juli 2019.

Was der Tochter passiert, könnte auch den Profis im All geschehen

Die Vierjährige löst beim Spielen ein Programm aus, das in der Flugphase nicht gestartet werden durfte. Hamilton ist klar: Auch die Astronauten im All könnten sich bei einer echten Mission vertippen – so wie ihre Tochter. Mit ihren Bedenken geht Hamilton zu ihren Vorgesetzten – ohne Erfolg. Astronauten seien gut ausgebildet, so etwas könne nicht passieren, heißt es damals. Hamilton bleibt ihrem Leitspruch „Was, wenn doch?“ treu. Sie will, dass Programme Fehler erkennen und korrigieren können. Vorbereitung für „das Unerwartete“, nennt sie das in einem Vortrag im Jahr 2018.

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Margaret_Hamilton_-_restoration-(1) Foto: Wikimedia/Draper Laboratory/Adam Cuerden

Bei der nächsten Apollo-Mission, der achten, drückt ein Astronaut versehentlich denselben Knopf wie Töchterchen Lauren – Totalausfall, die zweite. Hamilton und ihre Kollegen benötigten Stunden, um den Fehler zu korrigieren. Die Entscheider bei NASA und MIT glauben ihr endlich. Sie darf Programme entwickeln, die menschliche Fehler berücksichtigen.

Hamilton stellte die Programmier-Welt auf den Kopf

Binnen weniger Jahre stellt Hamilton die Programmier-Welt auf den Kopf. Eine Frau, die im Jahr 1959 nach ihrem ersten Abschluss in Mathematik eigentlich nur als Programmiererin beim MIT anheuert, um ihren Mann zu unterstützen, der in Harvard Jura studiert.

Auch Hamilton will zurück an die Uni. „Mathematik begeisterte mich mehr als alles andere“, sagt sie im Jahr 2017 in einem Video des Online-Magazins „Makers“.

Glücklicherweise vertrauten uns die Leute bei der Flugleitung.

Zunächst programmiert Hamilton Systeme zur Wettervorhersage. Eine Zeitungsannonce ändert alles: Die NASA sucht nach Entwicklern, um einen Mann auf den Mond zu schicken. „Ich dachte: Wow, da muss ich mitmachen“, erinnert sich die damals 80-Jährige im Video und strahlt in die Kamera. 1965 übernimmt sie die Leitung des Programms. Dass noch niemand die Software für ein solches Projekt entwickelt hatte, löst in ihr einen Reiz aus, wie sie in einem Guardian-Interview aus dem Juli 2019 erklärt.

Wenige Minuten vor der ersten Mondlandung wird es ernst

Drei Jahre programmieren sie und ihr Team von mehr als 20 Leuten am Code für Apollo 11. Im März 1969 sind sie fertig. Der Aufwand wird nur drei Monate später belohnt. Wenige Minuten bevor die Mondfähre „Eagle“ am 19. Juli auf dem Erdtrabanten aufsetzen soll, spuckt der Bordrechner eine Fehlermeldung aus – die Mission droht zu scheitern. Im NASA-Kontrollzentrum beginnt das große Zittern. Abbruch oder Landen? „Glücklicherweise vertrauten uns die Leute bei der Flugleitung“, erinnert sich Hamilton.

„Der Rechner an Bord der Fähre hat entschieden, dass unwichtige Prozesse weggelassen werden. Dadurch konnte er sich nur noch um wichtige Funktionen kümmern“, erklärt Felix Huber, Direktor Raumflugbetrieb und Astronautentraining beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, auf BNN-Anfrage. Fachleute nennen das präemptives Multitasking – laut Huber heute Standard in der Programmier-Welt.

Ohne Hamilton gäbe es die Fortschritte in der Mikroelektronik nicht.

„Sie war genial genug, um die nötigen Visionen zu haben und zu realisieren“, so Huber. Er ergänzt: „Stellen sie sich vor, sie fliegen ins All und das Betriebssystem sagt, dass es eine bestimmte Anwendung nicht abschalten kann, obwohl sie nicht notwendig ist.”

Nach der Mission stellte sich heraus, dass fälschlicherweise das „Rendez-vous-Radar” aktiviert war, was Rechenleistung schluckte. „Ohne Hamilton gäbe es die Fortschritte in der Mikroelektronik nicht”, erläutert Huber und ergänzt: „Sie war genial genug, um die nötigen Visionen zu haben und zu realisieren.”

Hamilton zeigte, dass Arbeit und Familie vereinbar sind

Visionen, die ihr im Jahr 2016 die höchste zivile Ehrung der USA einbringen – die Freiheitsmedaille des Präsidenten. „Ihr Beispiel zeigt, dass der amerikanische Entdeckergeist in jedem kleinen Jungen und Mädchen steckt“, lobt US-Staatschef, Barack Obama. Worte, die ihr regelrecht unangenehm zu sein erscheinen. „Die Astronauten hatten nicht viel Zeit, aber sie hatten Margaret Hamilton“, führt Obama weiter aus. Die Frau mit der großen Hornbrille wird noch verlegener.

Dabei ist Hamilton nicht nur die Mutter der Software-Entwicklung. Sie liefert als Mutter einer Tochter auch den charmanten Beweis, dass Arbeit und Familie vereinbar sind. Ob Apollo 11 ohne die Neugierde einer Vierjährigen ein Erfolg gewesen wäre, weiß niemand.

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