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Firmen fahren Sonderschichten

Eine Frage der Kühlung: Spezialboxen für Corona-Impfstoff

Der Corona-Impfstoff muss kühl gelagert und transportiert werden. Für spezielle Isolierboxen stellen Firmen ihre Produktion um und fahren Sonderschichten - etwa im sächsischen Nossen. Wissenschaftler wiederum tüfteln an Alternativen zum Styropor.

Eine Spritze und der Impfstoff von BionTech.
Sensibler Impfstoff: Bei minus 70 Grad müssen die Impfstoffe von Biontech und Pfizer gekühlt werden, damit er seine Wirkung behält. Foto: Rake Hora

In einer großen Halle der Firma Schaumaplast arbeiten die Roboter im Sekundentakt, Maschinen spucken Styroporteile in verschiedenen Formen und Farben aus.

Daraus entstehen unter anderem unscheinbare graue Boxen, hinter denen sich Hightech verbirgt: In den speziellen Isolierbehältern kann der Covid-19-Impfstoff transportiert werden. Es gibt verschiedene Varianten, von einer kleinen Box bis hin zu einem riesigen Behälter, der gleich eine ganze Europalette aufnehmen kann.

„Die große Thermobox bietet sich an, um Covid-19-Impfstoffe in großen Mengen in entlegene Regionen der Welt zu transportieren“, sagt der Geschäftsführer von Schaumaplast Sachsen, Toni Küttner. Entsprechend gekühlt kann das Vakzin auch an Orte geliefert werden, wo vor Ort keine Impfstoffe hergestellt werden können.

Die Nachfragen kämen „Schlag auf Schlag“, so Küttner, dessen Firma in Nossen bei Dresden sitzt. Gemeinsam mit der Mutterfirma in Reilingen (Baden-Württemberg) werden seit Jahren stromlose Kühlsysteme entwickelt und in eigenen Klimakammern getestet. Seit Sommer 2020 tüftelten Experten daran, die Systeme an die Anforderungen für die Corona-Impfstoffe anzupassen.

Kühlung bei minus 70 Grad

Keine leichte Aufgabe, denn der Impfstoff von Biontech und Pfizer etwa muss bei minus 70 Grad gekühlt werden. Dafür wird Trockeneis in die Isolierbehälter gefüllt. Der minus 80 Grad kalte, feste Stoff verdampft und entwickelt dabei Energie, die den Inhalt über mindestens fünf Tage kühlt.

Die Boxen aus speziellem Schaumstoff funktionieren aber auch mit im Haus entwickelten Kühlakkus, die eingesetzt werden können, um über Tage hinweg „Kühlschrank-Temperatur“ zu erreichen: Über 120 Stunden lang kann die Temperatur auf zwei bis acht Grad gehalten werden. Diesen Bereich etwa braucht der Impfstoff, wenn er einmal aufgetaut ist.

Vor Weihnachten wurde bei dem Unternehmen mit der Auslieferung begonnen, mittlerweile sind zwischen 3000 und 4000 Spezialbehälter für den Transport von Impfstoffen ausgeliefert worden - nach Deutschland und ganz Europa. Dafür wurden Sonderschichten gefahren. Insgesamt werden allein in Sachsen rund 400 000 Isolierbehälter pro Jahr hergestellt, berichtet Küttner. 80 Mitarbeiter sind in Nossen beschäftigt, eine Erweiterung am Standort ist geplant.

Mit der Produktion von Verpackungen für Pharmaprodukte hat es eine leichte Verschiebung gegeben: Der Bereich ist gewachsen, dafür sind Lieferungen an die Automobilindustrie geschrumpft. Für diese stellt Schaumaplast Sicherheitsteile aus Kunststoff her.

Firma aus Metzingen mischt mit

Auch die Firma Storopack aus Metzingen (Baden-Württemberg) setzt auf Spezialboxen, in denen sensibler Impfstoff transportiert werden kann. Von den Temperaturbereichen her funktionierten sie sowohl für den Impfstoff von Biontech/Pfizer sowie den von Moderna, sagt Produktmanager Olaf Neumann. Das heißt von minus 70 bis hin zu etwa acht Grad. Bisher kommen vor allem kleinere 10-Liter-Isolierboxen für mobile Impfteams zum Einsatz. In diesem Bereich wurde die Produktion hochgefahren.

Derzeit verbucht Storopack Anfragen europaweit, etwa aus Dänemark und Frankreich. „Wir sind gut dabei“, so Neumann. Auch in Strausberg bei Berlin werden Kälteboxen produziert: Die Ohlro Hartschaum GmbH stellt unter anderem eine Box her, die die Temperatur über 250 Stunden zwischen zwei und acht Grad konstant halten kann.

Die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK) geht davon aus, dass etwa ein halbes Dutzend Firmen bundesweit in diesem Bereich aktiv ist. Transportlösungen mit Isolationsfunktion seien derzeit besonders gefragt, um Impfstoffe sicher transportieren zu können, so Verbandssprecherin Mara Hancker.

Sie verweist auf eine Studie von DHL und McKinsey: Demnach müssen für den Versand von weltweit zehn Milliarden Impfstoff-Einheiten rund 15 Millionen Kühlboxen in 15 000 Frachtflügen transportiert werden. Hinzu kommt die Verteilung in den Ländern bis in die Impfzentren, Krankenhäuser oder Pflegeheime - die sogenannte letzte Meile.

Das Material für Isolierboxen besteht vorwiegend aus Styropor - auch bekannt als EPS - das als wenig umweltfreundlich und schwer recycelbar gilt. Der Verband sieht die Branche jedoch zu Unrecht Kritik ausgesetzt. „Kunststoffe leisten vieles, das andere Materialien schlicht nicht leisten können“, betont Hancker.

Ohne Kunststoff wäre eine Versorgung auf heutigem Niveau nicht denk- und bezahlbar. Obwohl die Branche schon lange eine Rolle in der medizinischen Versorgung spiele, habe die Corona-Krise die Verpackungen „erstmalig ins Bewusstsein der Menschen katapultiert.“

Hingegen tüfteln Forscher des Instituts für Naturstofftechnik der TU Dresden an einer Alternative zu Styropor- und Kunststoffverpackungen. Dafür wurde Altpapier mit Hilfe eines speziellen Trocknungsprozesses so aufbereitet, dass Fasermatten mit Isoliereigenschaften entstehen. Diese kommen bereits als recycelbare Kühlboxen auf Festivals zum Einsatz und werden in größerer Stückzahl produziert, erklärt Projektleiter Thomas Schrinner.

Je nach Anforderung muss die Stärke der Isolierschicht sowie die Anzahl der Kühlakkus angepasst werden. Grundsätzlich sind die Boxen aber auch denkbar für den Transport von Medikamenten - oder eben Impfstoff.

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