Die kleine Gemeinde Boersch mit ihren Gassen und drei befestigen Stadttoren am Fuß des Mont Sainte-Odile (Odilienberg) hat es in sich: Nicht nur wegen Charles Spindler, der hier seine weltweit berühmte Kunst der Intarsien, also Einlegearbeiten in Holz, geschaffen hat, sondern auch wegen seiner Einwohner – den Boerschois – die seit dem Mittelalter liebevoll als „Esel“ bezeichnet werden.
Der Grund: Sie benutzten die Esel, um ihre Weinreben in den umliegenden Hügeln anzubauen und waren zugleich überall ihre treuen Begleiter. Diese Reminiszenz schwingt sogar bis in den philosophischen Garten von Catherine und Erwin Kern hinein.
Ungefähr 100 Meter vor dem Obertor (Porte Haute) vom Anfang des 14. Jahrhunderts, weist unmittelbar auf der linken Seite gegenüber der Bushaltestelle Lavoir mit seinem ehemaligen kleinen Waschhaus ein Schild auf den philosophischen Garten „Un jardin philosophe“ hin.
Rosenart ist nach der Schauspielerin Brigitte Bardot benannt
Am Eingang zum Garten steht der Rosenstrauch der Sorte Brigitte Bardot, welche als „eselfreundliche Rosen“ bei Besuchenden sehr beliebt sind. Über die ungewöhnliche Verbindung erzählt die Besitzerin Catherine: „Die Rose ist 1994 vom französischen Züchter Joseph Orard auf den Namen Brigitte Bardot kreiert worden. Zudem ist die legendäre Schauspielerin für ihre Tierliebe - insbesondere für Esel - bekannt.
Auf diesem Hintergrund - gespickt mit etwas Gartenphilosophie - haben wir uns entschieden, die Esel auf verschiedene Weise im Garten zu versinnbildlichen.“ Dazu haben die beiden Garten-Besitzer „ein paar Disteln wachsen lassen“, welche die Esel sehr gerne fressen, und hätten auch die „Nachtkerze mit ihren großen gelben Blüten“ eingeführt, berichtet Catherine.
Eigentlich sei das alles passend, denn der Wortbegriff Onagre weist nicht nur auf die Pflanze, sondern auch auf den Wildesel hin.
Der Garten ist ein Ort der Lebenskunst und des Wissens
Die Besitzerin verweist auf eine weitere Inspirationsquelle aus der Antike: Der griechische Philosoph Epikur nannte seinen Garten „Schule der Philosophie“.
Getreu seiner Denkweise, dass der antike Garten nicht nur ein Ort der Entspannung, sondern auch ein Ort der Lebenskunst und des Wissens sei, macht Catherine die „Bedeutung der verschiedenen Räume des elsässischen Gartens“ deutlich: Die weiten Wege würden zum Nachdenken anregen – an die Natur, an Werden und Vergehen, an das Leben und seine Endlichkeit.
Hier erleben Besucher, wie sich die Grenzen zwischen Ziergarten und Gemüsegarten, Natur und Kultur, Geburt und Endlichkeit auflösen – zum Beispiel durch einen grünen Perspektivwechsel entlang von mit Buchsbäumen bewachsenen Wegen.
Auch die Zeitempfindungen, die sich in der Natur durch Blühen und Wachsen manifestieren, werden deutlich. An manchen Stellen wird vermutet, dass der Garten wieder verwildert sei, aber die Gestaltung, die ihn gliedert, sei immer noch abzulesen und würde ein Merkmal des „bemerkenswerten Gartens“ im Elsass darstellen.
Zwillingsbuchen sind über 150 Jahre alt
Unbedingt ansehen sollten sich die Besuchenden die Zwillingsbuchen, die inzwischen über 150 Jahre alt sind und den Blick hoch zum Odilienberg markieren.
Catherine und Erwin Kern leben für dieses besondere Stück Gartenkultur, in dem sich philosophische Gedanken mit Grünflächen-Arrangements vereinen.
In einem Teil des Gartens bezieht sich ein Hinweis auf Herrad von Landsberg, die Äbtissin des nahegelegenen Klosters Mont Sainte-Odile. Sie verfasste im Jahre 1180 ihren „Garten der Köstlichkeiten“ (Hortus deliciarum), eine „einzigartige Enzyklopädie des Wissens und der Kunst“ im ausgehenden Mittelalter.
Das war meine Großmutter, die als Modell diente.Catherine Kern
über die Statue Dame Blanche
Die philosophischen Überlegungen führen am Obstgarten, dann entlang eines 60 Meter langen Weges vorbei bis zu einer Trauerweide.
Dort soll mit der Aussicht auf Mont-Sainte-Odile der beliebte Kanoniker Prosper Spindler (1863 bis 1951) und Bruder des berühmten Intarsienkünstlers Charles Spindler, im Ruhestand meditiert haben, so erzählt Catherine Kern.
Entlang der Stadtmauer wachsen exotische Gewächse
Von hier aus steigen die Besuchenden zum Wassergraben hinab, wo ein Pfad entlang der Stadtmauer verläuft. Dabei begegnen sie zahlreichen exotischen Gewächsen wie Bambus, ehe eine kleine Brücke am Kanal de l’Ehn wieder zum Innehalten anregt.
Schließlich gelangen die Besuchenden zur Bergerie (Schafstall) und Brunnen, wo auch Kunst-Ausstellungen stattfinden. Ein Blickfang ist sicher die Reproduktion der Statue „weiße Dame“ (Dame Blanche).
Deren Original wurde 1913 von Bildhauer Ernest Gabard angefertigt und schmückt den Brunnen in der Stadt Pau im Département Aquitanien. Catherine Kern bemerkt hierzu mit einem Schmunzeln: „Das war meine Großmutter, die als Modell diente.“
Service
Der philosophische Garten ist zu finden in der Route Saint-Léonard, 67530 Boersch, Telefon: (00 33) 3 88 95 80 47; E-Mail: ecatherine.kern@orange.fr; Internet: https://www.un-jardin-philosophe.com; (Parkplätze nahe beim Waschbrunnen; kurzer Fußweg zum Eingang am Heffpfad).
Tipp: Marqueterie d’Art Spindler – weltweit berühmte Intarsienkunst von Charles Spindler; Adresse: 3 cour du Chapitre, Saint-Léonard (etwa 500 Meter südlich vom philosophischen Garten).