Von der Winterlandschaft im neuen Asterix-Abenteuer können Schlitten- und Schlittschuhfans in Karlsruhe höchstens träumen. Zwar könnte der Titel „Asterix und der Greif“ nahelegen, dass die beiden unverwüstlichen gallischen Comic-Helden diesmal badische Gefilde bereisen.
Regionale Eigenheiten in Sprache, Verhalten und Kulinarik gäbe es schließlich auch hier aufs Korn zu nehmen. Zudem wird dem Badener an sich ebenfalls eine gewisse Revoluzzerhaltung gegenüber einer „fremden“ Obrigkeit nachgesagt (auch wenn diese nicht in Rom sitzt, sondern in Stuttgart).
Die Reise führt weit Richtung Osten
Doch nein: Der ab Donnerstag, 21. Oktober, erhältliche Band führt Asterix und Obelix (und, nicht zu vergessen: Miraculix und Idefix) zwar von der heimischen Bretagne aus Richtung Osten. Aber weit, weit über Karlsruhe und Umgebung hinaus.
„Asterix und der Greif“ spielt zwischen Ural und Donau beim Nomadenvolk der Sarmaten. Diese sind mit dem Asterix-Kosmos historisch durchaus verbunden: Sarmatische Lanzenreiter (die auch auf der Trajanssäule in Rom verewigt sind) wurden von den Römern angeworben und als Hilfstruppen eingesetzt – unter anderem in Britannien und in der Bretagne.
Es gibt sogar die Theorie, dass manche Elemente des Mythos um Artus und die Tafelrunde auf diesen Lanzenreitern basieren, etwa die Figur des Ritters Lancelot.
Kleiner Wirbel um die Werbekampagne
Moment mal: Artus, Lancelot, Mythologie – sind wir jetzt eigentlich noch beim neuen Asterix-Band? Oh ja. Denn der trägt nicht nur ein mythologisches Wesen im Titel. Es hat sich auch um den Band selbst ein kleiner Mythos gebildet.
Denn die langfristig angelegte Werbekampagne lancierte bereits vor einem halben Jahr folgende Andeutung zur Story: „Während Asterix und Obelix eine Partie Gallier-Schach spielen, schreckt der Druide Miraculix, der wohl gerade eingenickt war, plötzlich hoch und verkündet, dass ein alter Freund dringend seine Hilfe benötigt.“
Das führte für Irritationen. Denn in fast identischer Form beginnt ein herausragender Band der Reihe „Tim und Struppi“ – nämlich „Tim in Tibet“, erschienen 1959, im Jahr des ersten Asterix-Abenteuers überhaupt.
War Tim-und-Struppi-Zitat nur PR?
Die Asterix-Variante dieser Szene wurde zwar im Vorab-Getrommel für das neue Buch lanciert. Im Band selbst aber wird sie nicht einmal angedeutet. Auch sieht man, anders als sonst üblich, nichts vom Aufbruch aus dem gallischen Dorf in die Fremde.
Statt dessen ist das erste, was man von den gallischen Helden sieht, eine große Sprechblase mit dem Wort „Hatschiii!“ vor weißem Hintergrund. Man ist schon mittendrin in den kalten Gefilden.
Und nur sechs Bilder weiter ist man schon bei Miraculix’ altem Freund namens Terrine, der dem gallischen Druiden – wie ein kurzer Dialog verrät – im Traum erschienen ist.
Wurde die Schachspiel-Szene etwa nachträglich gestrichen aus Sorge, sie könnte nicht als hehre Hommage, sondern als plattes Plagiat ausgelegt werden? Eine Sprecherin des Verlags Egmont Ehapa, bei dem die deutschen Asterix-Ausgaben erscheinen, verneint dies auf Nachfrage ausdrücklich: Das entsprechende Bild sei gezielt nur als Teaser-Material für die Werbekampagne gezeichnet worden.
Neues Abenteuer als Spielfeld der Fantasie
Tatsächlich hat die Story mit „Tim in Tibet“ nichts zu tun. Trotzdem reflektiert der kleine Vorab-Wirbel einen Kern des neuen Bandes. Denn: Vordergründig erzählen Jean-Yves Ferri (Text) und Didier Conrad (Zeichnungen) sehr unterhaltsam, wie die gallischen Helden verhindern wollen, dass römische Truppen im Land der Sarmaten einen Greifen aufspüren, den Julius Cäsar im Circus Maximus zur Schau stellen will.
Die weitgehend unbekannte Kultur des Nomadenvolks eröffnet ein Spielfeld der Fantasie, das Ferri und Conrad mit Witz und zeitgemäßen Anspielungen füllen, etwa wenn sich Asterix und Obelix bei den kriegerischen sarmatischen Frauen erst mal beweisen müssen (und damit so ihre Probleme haben).
Die Macht von Mythen und Gerüchten
Hintergründig aber geht es um die Macht von Mythen, Gerüchten und plakativen Halbinformationen. Schon auf der zweiten Seite klagt Julius Cäsar, seine Erwähnung von Einhörnern im „Gallischen Krieg“ habe ihm „auf allen Foren kritische Kommentare eingebracht“.
Sein Geograf Globulus, der optisch an den französischen Bestsellerautor Michel Houllebecq erinnert, streitet sich während der Expedition fortwährend mit dem Tier-Gladiator Ausdimaus, weil dieser von Fabelwesen wie Zyklopen faselt („Gut, diese Jagd ging ins Auge“) und die Welt für eine Scheibe hält, deren Rand er entdecken will. Und im römischen Fußvolk streut ein mies gelaunter Legionär namens Fakenius fleißig Verschwörungstheorien.
Zu all dem passt, dass der Greif sich letztlich ganz anders zeigt als erwartet, und dass eine Voraussage über die Hilfe durch die Gallier auf unerwartete Weise eintrifft. Somit ist „Asterix und der Greif“ nicht nur angemessen vergnüglich geraten. Mit ihren Sticheleien gegen festgefahrene Weltbilder erweist sich die Story zudem als so zeitgemäß wie ein Asterix-Abenteuer nur sein kann.
Service
Jean-Yves Ferri/Didier Conrad: Asterix und der Greif. Egmont Ehapa Media. 48 Seiten. 6,90 Euro (Softcover), 12 Euro (Hardcover).