An Elon Musk, den exzentrischen und unglaublich reichen Unternehmer, denkt Carsten Ramm beim Stück „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ von Bertolt Brecht. Oder an Boris Johnson, den Premierminister der Briten und Nordiren.
Brechts Komödie bringt Ramm als Intendant der Badischen Landesbühne Bruchsal (BLB) im September auf die Bühne, in einer eigenen Inszenierung zur Eröffnung der Spielzeit 2022/23.
Es wird die 25. und abschließende Saison in Ramms Amtszeit. Seit 1998 führt er die in Bruchsal ansässige Landesbühne als Theater für ganz Nordbaden. Und setzt ein programmatisches Zeichen: Zum fünften Mal führt Ramm Regie bei einem Stück von Brecht. „Puntilas Gutshof und seine Familie ermöglichen den Blick auf die sozialen Auseinandersetzungen unserer Zeit“, sagt Ramm.
Langjähriger Theaterchef verabschiedet sich aus Bruchsal
Gleichzeitig schätzt er das Stück dank Humor und Slapstick. „Es ist ein besonderer Brecht. Er bietet für mich einen guten Abschluss mit politischer Aussage, aber wir denken immer auch an die Unterhaltung des Publikums“, fasst der Theaterchef damit einen Leitgedanken seiner Ära zusammen. Am 1. August 2023 übernimmt dann Wolf E. Rahlfs von Ramm die Leitung der BLB mit Spielstätten in Bretten und weiteren Städten vom Kraichgau bis zum Main.
Bis dahin setzt der langjährige Bruchsaler Theaterchef aber noch kräftig Verlockungen für das ziemlich treue Publikum der Wanderbühne.
Viel Brecht ist dabei, wenn Ramm einen Liederabend „Wir sind ja sooo zufrieden“ inszeniert, der die in Vergessenheit geratene „Rote Revue“ von 1931 rekonstruiert, fortentwickelt und auf die Aktualität hin prüft. Regie führt Ramm zudem bei einem Krimi. Das Drehbuch des Films „Masken“ von Claude Chabrol aus dem Jahr 1987 ist Thriller, Lustspiel und medienkritisches Pamphlet gegen die leeren Glücksversprechen des Fernsehens.
Stadtgeschichten Bruchsal: Ein Festival im März 2023
Stadtrundfahrten für Touristen gibt es nicht in Bruchsal. Aber wie wäre es mit Stadtrundfahrten für Bewohner von Stadt und Region, die mehr wissen wollen über Geschichte und Gegenwart? Die Badische Landesbühne sorgt im nächsten Jahr dafür.
Innerhalb eines Stadtfestivals im März 2023 darf man per Bus die wechselvolle Geschichte näher kennenlernen. Oder während zehn Tagen Stücke und Gespräche erleben, „um gemeinsam über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Stadt nachzudenken“, so BLB-Intendant Carsten Ramm. Innerhalb der schon vielfältigen Theater-Spielzeit 2022/23, hat das Lokale einen wichtigen Platz. Mit dem Exil Theater als Zentrum und einem blauen Sofa als Symbol für eine debattenreiche 25. und abschließende Saison mit Theatermacher Ramm.
Herbstliche Termine im Café Europa bereiten die Stadtgeschichten vor. Die BLB blickt beim Festival dann auf berüchtigte Bewohner, die im Gefängnis lebten wie Frauenmörder Heinrich Pommerenke oder Terrorist Christian Klar, auf Revolutionäre und die Erinnerung an die NS-Zeit. Beispielsweise in einem Stück über die christliche Gruppe „Christopher“, die sich der Gleichschaltung widersetzen. Das Werk wird nächstes Jahr die erste Produktion der „Jungen Szene“, dem neuen Spielclub von BLB und Exil Theater.
Freilichttheater im Juli: „Der Sommernachtstraum“
Die immer engere Zusammenarbeit blüht zudem wieder diesen Sommer auf. Beim Alten Güterbahnhof präsentiert die BLB wie im Vorjahr ihren Theatersommer. Im Freien oder eben bei schlechtem Wetter im Exil Theater. Auf dem Programm steht ab 8. Juli die Komödie „Ein Sommernachtstraum“.
Evelyn Nagel inszeniert das sinnliche Verwirrspiel. Der diesjährige Theatersommer dauert bis zum 24. Juli. Im nächsten Jahr steht mit Goethes „Reineke Fuchs“ ein dramatisiertes und sehr politisches Epos auf dem Programm. Oberspielleiter Arne Retzlaff inszeniert es mit neun Akteuren. Er sieht die Hauptfigur als Musterbeispiel eines manipulierenden Politikers.
Das blaue Sofa reist mit Schauspielern durch die Stadt
Das erste Stück der neuen Spielzeit ist am 22. September zu sehen. Bereits jetzt fand das Ensemble eine neue Bühne auf merkwürdigen Stellen der Stadt, begleitet von einem alten blauen Sofa. In der Sparkasse Bruchsal sind die fotografischen Ergebnisse ab 20. Juni zu sehen.
Das Sofa auf dem Parkhaus Rathausgalerie bildet schon jetzt das BLB-Plakat für Ramms Abschlusssaison. Der Intendant inszeniert drei Werke selbst und hat außerdem Beziehungsreiches ausgewählt. Kühle Annäherungen auf einem Kreuzfahrtschiff im Stück „Das weiße Dorf“ von Theresia Doppler und heiße adlige Wortgefechte im „Quartett“ von Heiner Müller. Hinzu kommt die Kriminalkomödie „Fisch zu viert“.
Die Junge BLB, geleitet von Arne Retzlaff, sorgt für eine Verschwörung im Insektenmilieu („Die Wanze“) oder für Geheimnisvolles „20.000 Meilen unter dem Meer“ von Jules Verne und Sophie Reyer. Und das Schicksal des jüdischen Bruchsaler Mädchen mit der Hutschachtel wird im Oktober nahegebracht. Ebenfalls passend zum Spielzeiten-Motto „Stadtgeschichten“.