Die Karlsruher Theaternacht ist mittlerweile für viele Theaterbegeisterte zu einem jährlichen Pflichttermin geworden und hat auch in ihrer neunten Auflage am vergangenen Samstagabend nichts von ihrer Anziehungskraft verloren. Durch die Aufstockung von neun auf 13 Theater ist es allerdings selbst bei einer generalstabsmäßigen Planung schlicht unmöglich geworden, alle teilnehmenden Theater zu besuchen.
Eventuell wäre künftig ein Karlsruher Theaterwochenende eine sinnvolle Idee. So könnten nicht nur alle Theater besucht, sondern auch der erneut gewaltige Publikumsandrang ein wenig entzerrt werden.
Die diesjährige Reise zu neun der teilnehmenden Theater beginnt um 18 Uhr mit „Suschi oder Currywurscht?“ bei der Badisch Bühn. In den 20 Minuten, die jedes Theater Zeit hat, um Auszüge aus ihren aktuellen oder künftigen Stücken zu präsentieren, erobert das Ensemble spielend die Herzen des Publikums und macht Lust auf die am 15. September stattfindende Premiere.
Mehrere „Knubbel-Punkte“ stellen die Besucher vor Herausforderungen
Nun beginnt der erste stressige Abschnitt des Abends, denn es steht ein Besuch bei einem von zwei „Knubbel-Punkten“ an, an dem sich mehrere Theater in unmittelbarer Nähe zueinander befinden, also sozusagen miteinander „knubbeln“.
Die zunächst verlockend erscheinende Möglichkeit, gleich drei Stücke in anderthalb Stunden sehen zu können, zeigt sich in der Realität nämlich als durchaus herausforderndes Unterfangen.
Um 19 Uhr heißt es im Marotte Figurentheater „Ettlinger Sagen – Nah am Wasser“. Carsten Dittrich zeigt als Parapsychologe Mirko Sommer eine unglaublich facettenreiche Vorstellung mit Handpuppe, Pappfiguren oder Schattenspiel.
Nach sich in stürmischem Applaus entladender Begeisterung verlassen die Besucher das Theater durch den Notausgang, um nicht mit den bereits am Eingang wartenden, frischen Zuschauern zu kollidieren.
Einmal das Gebäude umrundet, wartet bereits eine Schlange vor dem Sandkorn-Theater. Kurz vor 19.30 Uhr ist hier der Ansturm mittlerweile so groß, dass nicht mehr alle Wartenden eingelassen werden können. Auch das Sandkorn präsentiert einen Probenteil seines neuen 80er-Musicals, das aus rechtlichen Gründen nicht mehr „Völlig losgelöst“ heißen darf, sondern nun unter dem Titel „Mit Vollgas in die 80er“ am 29. September seine Premiere feiert.
Durch einen anderen Notausgang geht es danach erneut einmal um das Gebäude und in eine weitere Schlange. Denn das Jakobus-Theater zeigt um 20 Uhr nicht nur einen Auszug aus der Probe zum ebenfalls am 29. September Premiere feiernden Stück „Der Spieleabend“, sondern bietet auch einen interessanten Blick auf die hierfür im Bau befindlichen Kulissen.
Unter anderem sorgen so Weinflaschen, die mit der Etikettierung „Billo Wein“, „Wein“ und „geiler Wein“ versehen wurden, für einen ganz besonderen Charme.
Nachdem sich auch der letzte Notausgang wenigstens einmal im Jahr gebraucht fühlen darf, geht es zum nächsten „Knubbel-Punkt“. Dieser vereint drei Theater im Einzugsbereich der alten Hackerei. Hier gibt es um 21 Uhr zunächst viele enttäuschte Gesichter, da das Spuktheater mit seinen 25 Plätzen dem enormen Ansturm nicht gewachsen ist.
Wer das Glück hat, einen der raren Plätze zu ergattern, wird jedoch mit einer ansprechenden Mischung aus Hypnose, Suggestion und Mentalismus belohnt, die zweifelsohne bei einem abendfüllenden Geisterprogramm fantastische Erfahrungen verspricht.
Im Werkraum gegenüber spielt das Ensemble um 21.30 Uhr drei kurze Szenen, die unterschiedliche Ideale, Lebensplanungen oder einschneidende Erfahrungen thematisieren. Um 22 Uhr im Theaterland zeigt sich – hervorragend dicht gespielt – die dargestellte Situation zweier Obdachloser im eigens für diese Nacht ersonnenen Stück „Eine Bank für Zwei“, die wiederum Aufführungen über die Nacht hinaus verdient hätte.
Auf der anderen Seite der Stadt haben die Besucher im Tiyatro Diyalog um 23 Uhr jede Menge Spaß, denn sie dürfen in dem interaktiven Theaterstück „Der Märchenzauberer“ bestimmen, wie das Märchen um Rotkäppchen seinen Lauf nimmt.
Ihren Abschluss findet die Reise durch die Theaternacht um Mitternacht erneut im Marotte Figurentheater. Hier hat Manuel Speck mit seinem Improtheater um 21 Uhr die Ettlinger Sagen abgelöst und begeistert, fünf durchgeschwitzte Hemden später, auch das letzte Publikum des Abends in seinem Programm „Manuel und ich“ mit Witz, Charme und grenzenloser Energie.