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Umweltverschmutzung durch Verpackungsmüll

Diskussion im Museum Frieder Burda in Baden-Baden: Gibt es im Meer bald mehr Plastik als Fische?

Die Bedrohung der Erde durch Plastik ist Thema einer Diskussionsrunde im Museum Frieder Burda in Baden-Baden. Dort läuft noch bis zum 26. Juni die Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“.

Rettung der Weltmeere: Im Museum Frieder Burda in Baden-Baden. läuft die Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“.
Im Museum Frieder Burda in Baden-Baden. läuft die Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“. Foto: Uli Deck/dpa

Der Mensch erstickt die Welt mit Plastik. Vor allem die Weltmeere sind bis in die tiefste Tiefsee verschmutzt. Nicht nur Meeresbewohner wie Fische sind betroffen. Auch Menschen sind Teil des kontaminierten Kreislaufs und nehmen mit den Meeresfischen jede Menge des tonnenweise aus Erdöl produzierten Stoffs zu sich. Die Krankheitsfolgen sind noch gar nicht abzusehen.

„Plastik ist bereits überall, sogar an Stellen, wo noch niemals ein Mensch gewesen ist“, sagt Heike Vesper. Die Fachbereichsleiterin Meeresschutz beim World Wide Fund for Nature (WWF) gilt als eine der bedeutendsten Umweltaktivistinnen in Deutschland.

„Das Fatale ist, auch die Vögel werden von dem mit Plankton bewachsenen Plastik magisch angezogen. Sie tauchen aktiv nach den Plastikteilchen, fressen sie und verhungern regelrecht mit ihnen im Magen“.

Diskussionsrunde will zum Nachdenken anregen

Die Bedrohung der Erde durch Plastik ist Thema einer Diskussionsrunde im Museum Frieder Burda in Baden-Baden. Dort läuft noch bis zum 26. Juni die Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“, die sich für die Rettung der Weltmeere einsetzt.

Auf dem Diskussionspodium sitzt neben der Biologin Vesper noch Helmuth Trischler, Chef des Forschungsinstituts für Technik- und Wissenschaftsgeschichte an der Universität München. „Wir müssen dringend ein allgemeines Nachdenken über unser Verhalten anregen“, so der Appell der Experten. Auch Kunst und Kultur könnten dazu beitragen.

Im Museum Frieder Burda wird genau dies versucht. Hunderte Handarbeiterinnen haben bundesweit gehäkelt und so die Ausstellung bereichert. Gestaltet wird sie von den australischen Künstler-Schwestern Margaret und Christine Werheim, die seit 20 Jahren mit ihren Häkelriffen auf die Zerstörung der Korallenriffe durch die globale Erwärmung aufmerksam machen. „In den Meeren spielt sich eine Katastrophe ab“, resümiert Moderator Ingolf Baur, bekannt aus der 3sat-Wissenschaftssendung „Nano“.

Wir leben in einem von Menschen gemachten Vernichtungszeitalter.
Heike Vesper, Meeresschutz-Expertin beim WWF

„Wir leben in einem von Menschen gemachten Vernichtungszeitalter“, resümiert WWF-Expertin Vesper. „Noch nie gab es ein so verheerendes Artensterben.“ Und es gibt auch bereits einen Namen dafür. Wir stecken mitten im „Anthropozän“, dem vom Menschen geprägten Zeitalter.

In ihrer Verzweiflung darüber hätten internationale Klimaforscher 2009 eine Wissenschaftsgruppe zusammengerufen, um mit dem neuen Epochen-Begriff zu vergegenwärtigen, „was wir für eine Kraft entwickelt haben, dass wir zu einem biologischen Faktor geworden sind, der die Erde umwälzt, zehnmal mehr als die Erde sich selbst umwälzt und somit ein großes Artensterben ausgelöst haben.“

Bald könnte eine neue erdgeschichtliche Epoche ausgerufen werden

Just vor drei Wochen hat diese Arbeitsgruppe laut Trischler nach eingehender Prüfung nachgewiesen, dass der Begriff „Anthropozän“ tatsächlich zutreffe. „Es gibt eine wissenschaftliche Evidenz, und eine menschengemachte Schicht ist in unserer Stratosphäre nachweisbar.“ Nun muss ihn noch die Politik anerkennen, um die „neue erdgeschichtliche Epoche auszurufen.“

Die Problemzonen ergäben sich zu Wasser, zu Lande und in der Luft: „Wir brauchen mehr Meeresschutzgebiete“, appelliert WWF-Expertin Vesper. Zwei Drittel der Bestände an Nord- und Ostsee, genauso im Mittelmeer, seien überfischt. „Wir haben keine Lobby für den Fisch“, sagt die Biologin, obwohl der WWF seit 17 Jahren seinen Fischratgeber herausgebe, der aufzeige, welche Arten noch unbedenklich auf den Tisch kommen könnten. Besserung ist nicht in Sicht. Demnächst könnte es mehr Plastik in den Ozeanen geben als Fische.

Infografik zum Mikroplastik-Kreislauf
Infografik zum Mikroplastik-Kreislauf Foto: BNN Infografik/ dpa

Die Verpackungsindustrie wächst und damit der Müll durch überwiegend Einwegprodukte. Die Menge an Plastikmüll wird sich bis 2060 weltweit fast verdreifachen, schätzt auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Abfallmenge soll aktuellen Berechnungen zufolge in knapp 40 Jahren bei mehr als einer Milliarde Tonnen liegen; trotz Mülltrennung, die es nur in wenigen westlichen Ländern gibt, und entgegen der Tatsache, dass wir Deutschen „Recycling-Weltmeister“ sind.

Man weiß: Gut 80 Prozent des Plastiks kommt weiter über die Flüsse ins Meer. „Wir scheinen katastrophenabgenutzt zu sein“, so Vesper, „und schaffen es, wie so oft, diese Fakten zu verdrängen, als hätten sie nichts mit uns zu tun.“

Service

Ausstellung „Wert und Wandel der Korallen“ noch bis 26. Juni im Museum Frieder Burda Baden-Baden, Lichtentaler Allee 8b. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr. www.museum-frieder-burda.de.

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