
Die Kunsthalle Karlsruhe lüftet am Wochenende im wahrsten Wortsinne den Vorhang zur Neupräsentation im Hallenbau des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) und gewährt Einblicke in ihre bedeutende Kunstsammlung: Vertrautes wie Rembrandts Selbstbildnis, Rubens barocke Üppigkeit oder die Altmeistersammlung sind wieder zu sehen.
Dabei gibt es auch Überraschungen, wie die frisch restaurierte „Kreuztragung Christi“ von Matthias Grünewald, die ihre Farbenpracht nach 20-jähriger Reinigung offenbart – genauso wie die erstmals gezeigte Sammlung Röchling mit Alten Meistern, die der 2020 in Baden-Baden gestorbene Industrielle der Kunsthalle vermacht hat.
Eineinhalb Jahre seit der Schließung des Hauptgebäudes für die Generalsanierung zeigt das Museum des Landes Baden-Württemberg in Karlsruhe wieder eine Auswahl aus seiner traditionsreichen Gemäldesammlung vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart.
Auf rund 2.000 Quadratmetern des ZKM will das Team um die scheidende Kunsthallendirektorin Pia Müller-Tamm einen etwas anderen Blick auf die Sammlung werfen, der mit vielen Meisterwerken auftrumpft.
Es war mein Ziel, vor meinem Weggang Hauptwerke in einer neuen Präsentation öffentlich zugänglich zu machen.Pia Müller-Tamm, Kunsthallendirektorin
„Es war mein Ziel, vor meinem Weggang Hauptwerke in einer neuen Präsentation öffentlich zugänglich zu machen“, erklärte Direktorin Müller-Tamm beim Presserundgang am Mittwoch.
Die Bürgerinnen und Bürger sollten ihre Sammlung von international hochgeschätzter Güte während der gut sechsjährigen Bauzeit im Auge behalten können. Es sei ein großes Entgegenkommen des ZKM, die Kunsthalle hier einzulassen. Sie soll aber nicht als Implantat erscheinen, sondern sich organisch ins markante Medienkunstgebäude einfügen, wo Gemälde anfangs gar nicht so selten waren.

Im Obergeschoss der Lichthöfe eins und zwei, wo vormals das Museum für Neue Kunst viel farbenfrohe Pop-Art zeigte, sind jetzt ausgewählte Werke aus 800 Jahren Kunstgeschichte im chronologischen Rundgang ausgebreitet: „Kunstgeschichte als Mediengeschichte“ – so wechseln sich Gemälde und Plastiken mit Grafiken und Druckgrafiken ab.
Tragende Idee der Präsentation: Die Arbeiten sind mit Vorhängen von der markanten Architektur des ZKM-Hallenbaus mit seiner technoiden Deckenkonstruktion abgeschirmt.
Den Vorhang, ein häufiges Motiv der Kunstgeschichte und schon im Auftaktbild „Vera Icon“ des Rundgangs mit dem dornengekrönten Christus von Martin Schaffner zu sehen, haben die Museumsdesigner vom Büro merz merz (Berlin und Stuttgart) als umgebende Hülle für ihre Inszenierung eines Galerien-Parcours genutzt – verhüllen und zeigen.
Vorhänge spielen große Rolle
Der auf den ersten Blick etwas gediegene Ansatz umhüllender hellbeiger Vorhänge rund ums ZKM-Geschoss erfüllt nicht nur seinen Zweck: eine ruhige, konzentrierte Kunstschau zu bieten, er erinnert mit Fluchten, Kabinetten und Sälen auch ein wenig an den ehrwürdigen Kunsthallen-Bau selbst.
Der kommt im Prolog der Schau zu Ehren: Die Berliner Filmemacherin Anna Henckel-Donnersmarck zeigt in ihrer Videoprojektion „Vier Flügel, zehn Galerien, ein Hof“ auf Panoramaformat Impressionen des historischen Hauptgebäudes, auch das alte Parkett lässt sie knarzen.
Von hier aus kann man sich einfach treiben lassen im Fluss der Bilder zu den Altartafeln des Meisters des Schwäbischen Altars aus dem Kloster Lichtenthal, bis zum Kabinett der Karlsruher Meistersammlerin Markgräfin Karoline Luise, deren Akribie und Kennerschaft, den Nachfolger im Geiste, den Baden-Badener Kunstsammler Hermann Röchling, Ende des 20. Jahrhunderts inspirierte zur eigenen Altmeistersammlung, die nun die Kunsthallen-Abteilungen von der Spätgotik bis zum Rokoko bereichert.
Fotosammlung Stiegler aus Konstanz mit gut 14.000 Arbeiten dabei
Zur feierlichen Eröffnung „Kunsthalle@ZKM“ ist auch die historische Fotosammlung Stiegler aus Konstanz mit gut 14.000 Arbeiten ans Haus gegangen, mit ihr soll künftig der Sammlungszweig der Fotografie neu belebt werden.
Auguste Renoirs Lesende, Werke von Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Max Ernst wie Gerhard Richter zählen zu weiteren Höhepunkten am Interimsstandort.
Die Kunsthallen-Förderer haben ein Werk des Postimpressionisten Edouard Vuillard gespendet. Der bedeutende irische Maler Sean Scully gab zwei seiner Gemälde. Sie alle verschönern die Wartezeit, bis zum Wiedereinzug ins Hauptgebäude mit Kunstgaben.
Als Epilog fungiert eine Audiotour durch Baden-Württemberg der Künstlerin Karin Sander, die ihre Kollegen aus dem Bundesland, das nicht nur reich an Kunst, sondern auch an Gegenwartskünstlerinnen und -künstlern ist, mit Geräuschen erfahrbar macht: Mittendrin bellt auch ein Hund. Sanders Auftragsarbeit der Kunsthalle von 2012 war damals in der Orangerie im MP3-Format erlebbar, für die aktuelle Präsentation im ZKM wurde sie auf QR-Code umgerüstet.
Komplett smartphonetauglich sind auch die sechs digitalen Rundgänge zur Eröffnung: zu Highlights, mit Einblicken in die Sammlungsgeschichte und einem Angebot für Kinder.
Service
Am Donnerstagabend (27.4.) wird Direktorin Pia Müller-Tamm verabschiedet. Die Neupräsentation der Kunsthalle im ZKM wird am Freitagabend (28.4.) eröffnet. Das Eröffnungswochenende, 29. und 30. April, läuft mit kostenfreiem Programm (jeweils 11 bis 18 Uhr). Mit dabei ist Pia Müller-Tamm im Gespräch mit Anna Henckel-Donnersmarck und Karin Sander (Samstag, 14.30 Uhr).