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Kreativ im Lockdown

Hinter den Kulissen des Karlsruher Literaturmuseums gären die Ideen

Das Karlsruher Literaturmuseum setzt bis zur Öffnung auf digitale Begegnungen und Literaturimpulse, arbeitet aber schon an Ideen für die Zeit nach dem Lockdown. Einige davon verrät Leiter Hansgeorg Schmidt-Bergmann im Gespräch.

Der Literaturwissenschaftler und Leiter des "Museums für Literatur am Oberrhein", Hansgeorg Schmidt-Bergmann, sitzt am 15.12.2014 in Karlsruhe (Baden-Württemberg) mit Büchern in den Museumsräumen. Foto: Uwe Anspach/dpa (zu dpa «Lyrik mit Gänsehaut-Garantie: Literatur lebt von unten» 15.02.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Schreibwerkstätten, Poetry-Slam-Workshops und ein „dritter Ort“: Museumsleiter Hansgeorg Schmidt-Bergmann spricht über Möglichkeiten im Lockdown und neue Perspektiven für die Zukunft des Literaturmuseums. Foto: Uwe Anspach

Den Schriftzug „wir vermissen euch“, liest man derzeit in den Fenstern vieler geschlossener Kultureinrichtungen. Auch in den Räumen des Literaturmuseums im Prinz-Max-Palais fehlen die Besucher. Ihr Träger, die Literarische Gesellschaft, konnte seit März 2020 nur wenige Veranstaltungen anbieten.

Die von ihr organisierten achten Karlsruher Literaturtage konnten unter den coronabedingten Einschränkungen noch analog an 21 Leseorten durchgeführt werden. Zuletzt las im vergangenen Oktober die Nobelpreisträgerin Herta Müller im Badischen Staatstheater, dann folgte der zweite Lockdown. Seitdem ist das Literaturmuseum wieder geschlossen – aber die Arbeit geht weiter.

„Wir bereiten gerade neue Streaming-Angebote vor und wollen bald auf Sendung gehen“, sagt Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Vorsitzender der Literarischen Gesellschaft. Zunächst setze man wieder auf Karlsruher Autorinnen und Autoren, wie im vergangenen Frühjahr, als rund 20 Literaturclips produziert und als kleine finanzielle Überbrückungshilfe honoriert wurden.

„Auch über die Grenzen der Region hinaus bekannte Autoren wie Wolfgang Schorlau, Patrick Roth und Simon Strauß werden dabei sein – die letzten beiden im Rahmen der Europäischen Kulturtage 2021.“ Den digitalen Schub durch die Pandemie möchte er nach dieser Zeit weiter unterstützend nutzen. In Form der Audiothek können schon jetzt über die Homepage des Literaturmuseums Lesungen der letzten fünf Jahrzehnte gehört werden, künftige sollen dazukommen.

In ihrer editorischen Arbeit ruht die Literarische Gesellschaft derweil auch nicht. Aktuell geht die von ihr herausgegebene Literaturzeitschrift „allmende“ unter dem Titel „Zeitenwende“ auf die gesellschaftlichen Veränderungen durch die Pandemie ein. Im Frühjahr werden unter anderem sämtliche Werke Johann Peter Hebels in der dritten Auflage erscheinen. Außerdem pflegt der gemeinnützige Verein eine Oberrheinische Bibliothek sowie ein Literaturarchiv.

„In unserem Literaturmuseum ist inzwischen alles über Audioguide erschlossen für Kinder und Jugendliche und in französischer Sprache“, erklärt Schmidt-Bergmann, der hofft, die Türen bald wieder für Besucher öffnen zu dürfen. Wenn es die Lage zulässt, soll hier im Mai eine Ausstellung mit dem Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt und der Karlsruher Schelling Architekturstiftung stattfinden. Im Zentrum stehen werden Bühnenentwürfe von Trude Schelling-Karrer, der Ehefrau des Karlsruher Architekten Erich Schelling.

Neue Perspektiven erhofft sich die Literarische Gesellschaft auch von einem bald sanierten Prinz-Max-Palais, denn man schmiedet bereits Pläne: „Wir wollen einen ,dritten Ort’ schaffen, einen belebten Ort mit Arbeitsmöglichkeiten für alle, die in den eigenen Räumen nicht die Atmosphäre zum konzentrierten Arbeiten und zum Dialog mit anderen haben“, sagt der Vorsitzende.

Damit soll auf die Bedürfnisse der heranwachsenden Generation mit ihren Ansprüchen an die Literatur eingegangen werden, wie man es bereits mit der monatlichen Lesung Süd im Kulturraum Kohi macht. Bis März ist zudem erneut der Prosapreis „JuLi Junge Literatur“ für 15- bis 21-Jährige von der Literarischen Gesellschaft mit der Gedok Karlsruhe und dem Kulturamt der Stadt ausgeschrieben.

Die prämierten Texte werden veröffentlicht und bei einer Lesung im Prinz-Max-Palais vorgestellt. „Ich hoffe sehr, das spätestens im Herbst nachholen zu können“, so Schmidt-Bergmann.

Als gemeinnütziger Verein haben wir eine Bildungsaufgabe, gerade jetzt und vor allem nach Corona.
Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Vorsitzender Literarische Gesellschaft

Einen Schwerpunkt sieht er in den nächsten Jahren im Kinder- und Jugendbereich. Für Mai plant die Literarische Gesellschaft beispielsweise Poetry-Slam-Workshops für das vom Stadtjugendausschuss organisierte Kinder-Kulturfestival „KIX“. Und im Rahmen der Räuber-Hotzenplotz-Ausstellung im Badischen Landesmuseum wird ein Workshop angeboten, sobald diese wieder öffnet. „Gerne würden wir vor allem jetzt noch mehr anbieten.

Viele Anfragen zeigen das Interesse. Leider fehlen uns da im Moment die finanziellen Mittel“, bedauert der Vorsitzende. „Denn als gemeinnütziger Verein haben wir eine Bildungsaufgabe, gerade jetzt und vor allem nach Corona“, fügt er hinzu. Lese- und Schreibförderung stünden dabei im Zentrum, die beispielsweise mit regelmäßigen Schreibwerkstätten umgesetzt werden. Derzeit bereite man solche in digitaler Form mit dem Karlsruher Schriftsteller Markus Orths vor.

Die Zeit des Lockdowns habe man genutzt, um die Infrastruktur für digitale Angebote zur Wissensvermittlung über die Homepage und die sozialen Medien zu schaffen. Möglich geworden sei das durch das engagierte Wirken der kleinen „Mannschaft“ des Literaturmuseums, die bewusst aus jüngeren und älteren Teammitgliedern bestehe, damit verschiedene Perspektiven auf die Literaturvermittlung vertreten sind.

Die unmittelbare Begegnung, gemeinsame Arbeit am Text und das Sprechen über Literatur bei Präsenzveranstaltungen stehe aber weiterhin im Zentrum. „Literatur ist ein hohes Gut“, so Schmidt-Bergmann, „wir haben es zu bewahren und weiterzugeben an die zukünftigen Leserinnen und Leser.“

Zur Serie

Die Kultur im Klammergriff der Anti-Covid-19-Maßnahmen: Zum zweiten Mal in diesem Jahr sind Theater und Museen, Kunstvereine und Konzertveranstalter von massiven Einschränkungen betroffen – mit unterschiedlichen Auswirkungen. Eine neue Serie will der Frage nachgehen, wie die Einrichtungen mit dem zweiten Lockdown umgehen. Untersucht werden soll, mit welchen Folgen sie zu kämpfen haben und was dem Publikum durch die Schließungen der Kulturorte entgeht. Kurz gesagt: Was fehlt?

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