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„JazzClassix“

Jazzclub Karlsruhe will nicht lautlos ins neue Jahr gehen

Aus der Not eine Tugend machen: Der Jazzclub Karlsruhe hat eine Reihe mit Streaming-Konzerten gestartet, die auch ein Silvesterprogramm bietet.

Der Musiker Jens Düppe beim Silvester-Streaming-Konzert 2020 des Jazzclubs Karlsruhe im Kulturzentrum Tempel.
Links das Piano, rechts das Schlagzeug: Dass Jens Düppe in beiden Disziplinen nicht nur sprichwörtlich schlagkräftig ist, davon kann man sich am Silvesterabend per Streaminkonzert des Jazzclubs Karlsruhe überzeugen. Foto: Paul Needham

Hätte man die Menschen noch vor einem Jahr danach gefragt, ob sie sich zur Weihnachtszeit etwas mehr Stille wünschten, man hätte sicherlich eine Mehrheit zusammenbekommen. Jetzt ist die Stille da, aber beruhigend ist sie für viele nicht. Es ist eben ein Unterschied, ob man Stille wahrt, weil man Stille wahren will oder weil man sie wahren muss.

In den 51 Jahren seines Bestehens war die Stille nie eine Option für den Jazzclub Karlsruhe. Als im Frühjahr zum ersten Mal das gesellschaftliche Leben eingeschränkt wurde, baute der Club in kürzester Zeit ein Streamingprogramm von exzellenter Qualität auf.

Von fünf Kameras eingefangen, gingen Jazzmusikerinnen und -musiker von der noch im Umbau befindlichen neuen Spielstätte im Passagehof aus auf Programm.

Konzerte mit breitem Bereich des Jazz

Im Sommer konnte man immerhin zwei Konzerte im Rahmen des Toujours-Kultur-Festivals spielen. Eine Handvoll Konzerte folgte im Oktober bis – rumms – der große Vorhang sich wieder senkte.

Doch wie heißt’s auf der Clubwebsite: „Ganz lautlos wollen der Jazzclub und der Tempel seine Freundinnen und Freunde zum Jahreswechsel nicht alleine lassen.“ Deswegen haben die Macher von Club und Tempel vier Konzerte für eine Streaming-Präsentation vorproduziert, die einen breiten Bereich des Jazz abdecken.

Niederschwellige Preisstaffelung

Im Unterschied zu den Streams im Frühjahr sind die aktuellen Produktionen kostenpflichtig. Die Preisstaffelung beginnt aber mit äußerst günstigen fünf Euro (plus 1,47 Euro Gebühr) für den Zugangslink, zudem sind die Konzerte auch nach der Veröffentlichung drei Tage lang verfügbar.

So geht die am Montagabend online gegangene Ausgabe der Jazzclassix mit dem Lou Lecaudey Quartett erst am Donnerstag, 18 Uhr, wieder offline. Das Konzert widmet sich der Interpretation von Stücken und Titeln von Gerry Mulligan und Chet Baker. Mulligan brachte Anfang der 50er-Jahre das bis dahin im Jazz ungebräuchliche Baritonsaxofon zur Blüte und der Trompeter Chet Baker schuf mit seinem aufreizend gehauchten Ton ein archetypisches Klangbild des Cool Jazz.

Heute noch aufregender Cool Jazz

Gemeinsam in einem Quartett spielten sie nur von 1951 bis 1954. Es war ein Quartett ohne harmonische Stützung durch ein Klavier. Das war damals neu, es klingt aber auch heute noch aufregend.

Einen Geschmack davon bekam man durch das Lou Lecaudy Quartett. Neben dem Posaunisten Lecaudy sind das der Gitarrist Andreas Schäfer, der Kontrabassist Georg Bomhard und der Drummer Felix Schrack. Auch hier steht im Mittelpunkt der Dialog der Melodieinstrumente. Man kann es schön hören im Stück „Five Brothers“: Einträchtig unisono wird das Thema aufgestellt.

Noch sagen Posaune und Gitarre das gleiche, dann bewegen sie sich auseinander. Hier beginnt die Musik spannend zu werden. Denn diese Stimmen nun so zu gestalten, dass jede einen eigenen melodischen Wert im Bezug zur anderen besitzt und nicht sich zur bloßen Begleitung degradiert, macht die Kunst aus.

Das gibt der Musik einen strengeren Charakter als man es von vielen Jazzstilen gewöhnt ist. Die Coolness im Cool Jazz kommen Lecaudey und Schäfer auch in ihrer Interpretation von „The Lady Is A Tramp“ gut auf die Spur und gestalten etwa die oft so kitschig geratende Ballade „Moonlight In Vermont“ kurz, kräftig und auf das Wesentliche reduziert. Gewiss kein Ohrenschmeichlerkonzert, aber eins mit Würze.

Silvesterabend mit vielseitigem Einzelgänger

So wird es auch an Silvester sein: Da kann man ab 19 Uhr auf den Websites von Jazzclub und Tempel den Zugang zum Projekt „Ego: D“ des Drummers Jens Düppe erwerben.

Der wird nicht bloß trommeln, reiben, schlagen und stampfen, nein, er wird dazu noch Klavier spielen, Sounds loopen, Texte rezitieren und alles im Alleingang ordnend gestalten. Auch das klingt neu und aufregend und weist durchaus auf Zukünftiges. Man kann sich damit Mut aufs neue Jahr machen. Der Jazzstream von Club und Tempel, er lohnt sich.

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