
Wenn die siebenjährige Evita Braun derzeit Gitarrenunterricht hat, dann baut sie ihren Notenständer im Wohnzimmer auf und setzt sich mit der Gitarre auf das heimische Sofa, während Mama Julia den Computer richtet: Denn wie die allgemeinbildenden Schulen auch, müssen Musikschulen und private Musiklehrer derzeit auf digitale Formate ausweichen. Für Gitarrenschülerin Evita kein Problem.
„Es hat Spaß gemacht“, erzählt die Siebenjährige, die erst seit November Gitarrenspielen lernt. Allerdings: „Der Musiklehrer ist die ganze Zeit immer mal so stehen geblieben.“ Auch Mama Julia Braun hat das Gefühl, dass es ganz gut geklappt hat mit dem Online-Unterricht. „Sie hat nebenbei ein bisschen Quatsch gemacht“, erzählt sie schmunzelnd. Trotzdem ist Braun froh, dass Evita weitermachen kann. „Das ist besser als gar kein Unterricht.“

Zusammenbrechende Verbindungen, hakende Bilder, schlechter Ton – Probleme, mit denen sich Musiklehrer Albert Fehler ständig auseinandersetzen muss. „Das ist wirklich ein Armutszeugnis für ein hochentwickeltes Land wie Deutschland.“
Zwar sei Online-Unterricht kein Ersatz für den persönlichen Kontakt, aber Fehler sieht auch Vorteile, wenn er als Lehrer von Zuhause arbeitet. „Ich habe mein komplettes Notenarchiv zur Hand, kann ganz spontan auf das Kind reagieren, Musik abspielen und Medien nutzen.“ Allerdings betont er: „Die persönliche Verbindung zum Kind muss aufgebaut sein, die Chemie muss stimmen, eine Vertrauensbasis da sein.“
Bei den Eltern herrscht viel Verständnis.Markus Bruschke, Leiter Musikschule Rastatt
Es sei eine gewisse Kreativität gefragt, so der Leiter der Rastatter Musikschule, Markus Bruschke. Durch die Erfahrungen im ersten Lockdown sei es allerdings gut gelungen, den Unterricht schnell umzustellen. „Die allgemeine Resonanz ist sehr gut und positiv. Bei den Eltern herrscht viel Verständnis“, so Bruschke. Doch auch er weiß, dass Digitalunterricht nicht immer funktioniert.
„Da, wo technische Schwierigkeiten bestehen, versuchen wir zu helfen und Lösungen zu finden.“ In einigen Fällen ist deshalb geplant, die Unterrichtsstunden später nachzuholen. In anderen Bereichen ist Video-Unterricht auch einfach nicht sinnvoll, sagt der Musikschulleiter. Der Ensemble-Unterricht und die Bläserklassen fallen derzeit aus. Insgesamt sind allein an der städtischen Musikschule in Rastatt 1.065 Schüler vom Lockdown betroffen.

Nick und Emilia Fischer gehören zu den Kindern, die eigentlich Rhythmik und musikalische Früherziehung machen. Obwohl sie momentan nicht in ihrer Gruppe musizieren können, freuen sich der Fünfjährige und seine dreijährige Schwester schon auf den Unterricht. „Wir haben schon im ersten Lockdown Videos mit Liedern bekommen“, erinnert sich Sibylle Fischer, die Mutter der beiden. „Da waren die Kinder ganz scharf drauf und haben immer ,nochmal, nochmal’ gerufen.“
Liedtexte, kleine Videos oder Rhythmusaufgaben kommen per Mail zu den Eltern. „Mama zeigt uns das dann auf dem Handy“, erklärt Nick. Er freut sich schon darauf, „mit der Uta Lieder zu singen“. Vor allem das mit der Nachtigall hat ihm gut gefallen. Seine kleine Schwester Emilia hört meist nur zu. „Manchmal singe ich aber auch mit.“ Und Spaß macht es beiden. „Das ist gut“, sind sie sich einig.
Online-Unterricht nur als Kompromisslösung
Am Badischen Konservatorium in Karlsruhe bieten die 90 Musiklehrer ebenfalls Online-Unterricht für rund 3.000 Schüler an, bei dem immer ein Lehrer einem Schüler in der Videokonferenz gegenübersitzt. „Nur für den Fachbereich 1, die elementare Musikerziehung und Orientierungsstufe, gibt es Alternativangebote, die von den Lehrern online eingestellt werden, darunter Filme, Bilder, Lieder, Gesangsstücke oder auch Stücke für den musikalischen Tanz“, erklärt Direktor Lahnor Adjei.
Das ersetze nicht den Unterricht und sei nur als Kompromisslösung gedacht, um den Kontakt zur Musik aufrecht zu erhalten. „Unsere Angebote leben natürlich von einem gemeinsamen Spiel. Wissensvermittlung ist online aber auf demselben Niveau möglich.“ Die digitale Umsetzung gehe allerdings mit einem höheren Energieaufwand einher, da der Onlineunterricht mehr Konzentration von Schülern und Lehrern fordere.
Zur Not wird aufs Telefon ausgewichen
Auch Susanne Jaggy, die Leiterin der Jugendmusikschule Unterer Kraichgau e.V. in Bretten, empfindet Online-Unterricht als einen guten Kompromiss, um größere Lücken beim Lernen zu vermeiden. Die Gestaltung der Online-Unterrichtsstunden überlässt sie den 45 Lehrern. Unter normalen Umständen fahren diese zu den 1.100 Schülern in den zwölf Kommunen, die der Verein umfasst und unterrichten vor Ort. „Nun läuft das digital von zuhause aus. Manche nutzen Skype, andere Zoom.“
Auch Mitmach-Tutorials werden über eine Videoplattform angeboten, berichtet Jaggy. „Die Eltern freuen sich, dass die Kinder ein bisschen was zu tun haben und die Kinder winken sich zu und freuen sich einander zu sehen.“ Wenn es für jemanden gar nicht technisch umsetzbar ist oder das Internet streikt, wird zur Not auf das Telefon ausgewichen.
Mit anderen Musikschulleitern steht Jaggy in regem Austausch. Man gebe sich gegenseitig Tipps und teile kreative Ideen. „Wichtig ist eine gute Kommunikation, dass man die Motivation hochhält und, dass man nicht völlig in der Anonymität versinkt.“ Für das Lehrerkollegium sei die Verlagerung auf das Online-Unterrichten nicht so schön. „Es ist ein ganz anderes Arbeiten. Sonst organisieren sie neben dem Unterricht beispielsweise den Tag der offenen Tür oder auch Lehrerkonzerte auf Festen, wie dem Peter und Paul, in Teams.“ Diese gemeinsamen Aktionen seien momentan zurückgestellt. „Aber wir halten die Fahne hoch.“