
Mi-Sol-La: Diese Tonsilben, an die man sich gewiss noch aus dem Musikunterricht erinnert, markieren den Anfang des Lobliedes „Te Deum laudamus“, „Dich, Gott, loben wir“. Als Töne c, es und f sind sie in den fünf Glockentönen der Karlsruher Evangelischen Stadtkirche am Marktplatz enthalten.
Wenn am 1. Oktober die zweite Karlsruher Orgelwoche beginnt, dann werden im Eröffnungskonzert durch Kantor Patrick Fritz-Benzing in St. Stephan Max Reger und Karl Straube musikalisch geehrt. Beide feiern in diesem Jahr ihren 150. Geburtstag. Der eine wurde ein bedeutender Komponist. Der andere wurde als Thomaskantor ein bekannter Interpret des Regerschen Orgelwerks und sorgte für eine rasche Verbreitung desselben.
Was man mit Orgeln so anstellen kann
In weiteren acht Konzerten stellen Organisten aus Karlsruhe und anderswo vor, was man alles mit Orgeln anstellen kann. Da verbinden sich, um nur zwei Beispiele zu nennen, am 3. Oktober die Orgel der Herz-Jesu-Kirche unter ihrem Kantor Stefan Fritz und das Blockflötenensemble „Timeless Express“ und erkunden Musik aus der Zeit vor Bach.
Da wird die Lutherkirche am 6. Oktober zum Kinosaal, und Andreas Benz illustriert improvisierend, wie Harold Lloyd im Stummfilm „Girl Shy“ doch noch das Mädchen bekommt. Im Abschlusskonzert der Orgelwoche spielt Alexander Rumpf an den Orgeln der Evangelischen Stadtkirche nicht nur Musik von Johann Gottfried Walther und Reger, sondern auch Kompositionen seines Großvaters Wilhelm Rumpf: Und damit schließt sich der Kreis zum eingangs erwähnten Te Deum.
Die musikalische Signatur Wilhelm Rumpfs
Denn es war Wilhelm Rumpf, der als Glocken- und Orgelsachverständiger der Badischen Landeskirche beim Wiederaufbau der im zweiten Weltkrieg zerstören Stadtkirche für die passenden Glockentöne sorgte. Immer wenn sie heute schlagen, schallt gewissermaßen die musikalische Signatur Rumpfs über die Dächer der Stadt. Aber Rumpf war noch viel mehr als ein Sachverständiger, und die Glocken sind nicht die einzigen seiner Beiträge zur Karlsruher Klanglandschaft.
Der am 20. Dezember 1900 geborene Rumpf war eine Frühbegabung am Klavier. Er studierte Schul- und Kirchenmusik und war zunächst Musiklehrer am Fichte-Gymnasium, ehe er als Kantor an die Stadtkirche kam. Dort entwickelte er auch ein reges Chorwesen. Und das kam so: Der Chor des Bachvereins diente auch als Theaterchor. Nach 1933 begann die Beziehung zum Theater rissig zu werden. Es gab politischen Druck auf den Verein, der um sein Bestehen fürchten musste. In dieser Situation konnte Rumpf zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen: 1938 schlug er vor, den Chor unter das Dach der Badischen Landeskirche zu bringen.
Hier sollte der Bachvereins-Chor unter Rumpfs Leitung bei allen großen Vokalkonzerten der Evangelischen Kirchengemeinde Karlsruhe mitwirken, ohne finanzielles Risiko, jedoch ohne Einfluss auf das Programm. Dieser Entschluss bewahrte den Vereins-Chor vor der Vereinzelung und vor dem Verlust des barockmeisterlichen Namens und bescherte der Kirchengemeinde den schon lange gewünschten Oratorienchor für die große Vokalmusik.

Mit der Benennung „Bachchor“ im Jahr 1940 wurde der Chor für seine Auftritte vereinsfrei und damit dem Einfluss der Behörden entzogen. Rumpf aber konnte nun mit dem Chor die musikalischen Möglichkeiten an der Stadtkirche erweitern. In den acht Kriegs- und Nachkriegsjahren 1939-1947 führte er 28 große Vokalwerke auf.
Vier Konzerte gab er in St. Stephan, die, wie die Stadtkirche, 1944 der Zerstörung anheimfiel. 1945 wurde in der Markuskirche musiziert, danach in der notdürftig hergerichteten Christuskirche. Nach dem Wiederaufbau der Evangelischen Stadtkirche 1958 kehrten Rumpf und der Bachchor zurück. „Er war ein musikalischer Tausendsassa“, bringt Rumpfs Nach-Nachfolger im Amt des Kirchenmusikdirektors, Christian-Markus Raiser, es auf den Punkt.
Wie soll man auch sonst jemanden nennen, der außer dem hier Beschriebenen noch nach dem Zweiten Weltkrieg als Direktor des Badischen Konservatoriums die Badische Musikhochschule mitgründete, aus der 1971 die Staatliche Hochschule für Musik wurde. Letzteres erlebte Rumpf nicht mehr. Er starb 1964 während der Vorbereitungen zu Bachs h-Moll-Messe.
Mit dem „Karlsruher Orgelwerk“ und dem „Choralwerk“ legte er eigene Musik für den gottesdienstlichen Gebrauch vor. Aus beiden Werken spielt sein Enkel Alexander, der wie sein Großvater Kirchenmusik studierte, aber auch das Dirigierstudium abschloss und auf eine lange Karriere als Dirigent zurückschauen kann, unter anderem als Generalmusikdirektor in Oldenburg und Innsbruck, und der mittlerweile an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln lehrt.
Im Gepäck hat er nicht nur Großvaters Musik, auch ein Gemälde, das Wilhelm Rumpf 1943 an der ein Jahr später zerstörten Orgel der Stadtkirche zeigt, ist dabei. Es soll der Grundstein einer geplanten Kantorengalerie werden.
Service
Alle Konzerte sind kostenlos. Weitere Infos unter kirchenmusik-karlsruhe.de.