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Im Superhelden-Stil

Richard Wagner als Comic? Jetzt gibt es die deutsche Übersetzung

Der Zeichner von „Doctor Strange“, P. Craig Russel, hat Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ zum Comic gemacht. Die Graphic Novel gibt es jetzt auf Deutsch.

Panel aus P. Craig Russels Comic „Der Ring des Nibelungen“.
Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ als Comic: Siegfried ist frisch verliebt. P. Craig Russel zeichnet den Drachentöter als Superhelden. Als der Brünnhilde befreit, ist es um ihn geschehen. Foto: P. Craig Russel/Cross Cult

Wagalaweia! Ein kaum zu entwirrendes Knäuel hat Richard Wagner mit seinem exorbitanten Musikdrama „Der Ring des Nibelungen“ hinterlassen. Ein Gott ist plötzlich nur noch ein Wanderer.

Seine ungehorsame Tochter muss jahrelang auf einem Felsen und umgeben von loderndem Feuer schlafen. Ein junger Held, der als einziger das Zeug hat, sie zu befreien, verliebt sich sofort. Sie ist seine Tante. Die Liebe ist groß.

Dann erinnert er sich plötzlich nicht mehr an sie, wegen eines Getränks. Am Ende geht die Welt unter und alles beginnt von vorne: im Rhein bei hübschen Nixen. Kurzum: Es ist kompliziert.

Bei den Bayreuther Festspielen wird das Werk mit Argusaugen begutachtet

Fast 30 Jahre arbeitete Richard Wagner an seiner Tetralogie. Auf insgesamt 16 Stunden Spielzeit bringt es der Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“, der selbst legendären Charakter hat. Ihn zu fassen oder auch zu entstauben, ist hehres Ziel etlicher Regisseure der Oper oder auch zweier Filme gewesen.

Vor allem bei den Bayreuther Festspielen wird das Werk mit Argusaugen begutachtet. Auch in diesem Jahr kann man sich wieder darüber wundern, warum Valentin Schwarz aus dem Rheingold einen schwer erziehbaren Jungen macht und Walküren dort zum Beauty-Doc gehen. Kompliziert ist es immer.

Fast. Denn es gibt auch noch den ganz anderen Dreh des US-Amerikaners P. Craig Russel. Dem Comic-Autor, Künstler und Illustrator ist es gelungen, dem theatralischen Charakter des Stoffes Rechnung zu tragen und ihn trotzdem in der Realität zu verankern: mit einer Graphic Novel in Superhelden-Manier.

Die Bürde des Weihevollen ist wie fortgeblasen von den flotten visuellen Darstellungen, einem musikalischen Duktus und einer verblüffend dynamischen Inszenierung.

Wütender Wotan in Craig Russels Graphic Novel „Der Ring des Nibelungen“
Wütender Wotan in P. Craig Russels Graphic Novel „Der Ring des Nibelungen“ Foto: P. Craig Russel/Cross Cult

Mit der langen Entstehungszeit von Wagners „Ring“ kann sich die Comicadaption Russels sowieso messen. Die Idee kam dem Schöpfer von Fantasy- und Superhelden-Arbeiten in den 1970ern. In den 1990ern hat er sie über Jahre hinweg geschrieben und gezeichnet. Im Jahr 2001 ist der Comic schließlich in mehreren Bänden erschienen.

Jetzt, weitere gut 20 Jahre später, gibt es das beachtliche und witzige Werk in einem Band und auch in der Sprache, die Wagner im Sinn hatte. Oder etwa nicht?

Ihr ... schamlosen ... Schlampen.
Alberich in P. Craig Russels Version

„Ihr ... schamlosen ... SCHLAMPEN!“, zornt Alberich in drei Bildern wütend den Rheintöchtern hinterher. Wunderschöne Nixen sind das, auf die er doch so scharf ist, die ihn aber nur auf seine Kosten foppen.

Doch kann er auch anders: „Ihr werdet sehen, was für Euresgleichen aus Liebe wird!“ Und überhaupt: „Wenn ich keine Liebe bekomme, werde ich es mit Macht versuchen.“

Gelungen verzahnt die deutsche Übersetzung saloppen Comic-Sprech mit anmutiger Poesie. Außerdem mit Wagners Stilmittel der Wahl: dem Stabreim. „Erwache, froher Freund, und schließe dich unseren Spielen in den sprudelnden Wellen an“, frohlockt Woglinde mit blonder Mähne über dem strahlenden Rheingold, dem „herrlichsten Schatz von allen“.

„Welle um Welle. Wandernde Wellen. Weila Jahei“, heißt es frei nach Wagners „Wagalaweia“. Das ist erfrischend und doch reizvoll elegant. So wie die Illustrationen. Dynamisch und farbenfroh fließen die Panels, Sprechblasen, Linien, Figuren und Buchstaben in schwungvollen Bildern dahin wie rauschende Musik und flottes Treiben auf einer Bühne.

Dort hat der „Ring“ ja meistens ein großes Problem: Beim Versuch, dieses gewaltige Epos szenisch darzustellen, wird man kaum dem Werk gerecht – und kann es schon gar nicht allen recht machen. Müssen es wirklich Widder sein, die den Wagen von Fricka ziehen?

Warum einen Rhein auf die Bühne zwingen, wenn es doch auch ein Pool tut? Und lässt sich Blutsbrüderschaft unter zwielichtigen Typen nicht besser direkt am Imbiss mit einem Dönermesser besiegeln?

Panel aus P. Craug Russels Comicadapation „Der Ring des Nibelungen“
Brünnhilde ist eine Walküre aus Wagners „Ring des Nibelungen“. So sieht sie in Russels Comicadaption aus, wenn sie nicht gut auf Siegfried zu sprechen ist. Foto: P. Craig Russell/Cross Cult

Viele Regisseure haben schon viele Ideen über den „Ring“ gegossen. Ähnlich streng wie die Rheintöchter über das Gold, wachen auch die Wagnerianer über ihren „Schatz“. Sie schätzen es nicht, wenn er entweiht wird mit Experimenten einer allzu gegenwärtigen Inszenierung.

Doch mit Wagners Bühnenanweisungen würde man im 20. Jahrhundert keinen Blumentopf mehr gewinnen. Die Neugierde junger Menschen erst recht nicht.

Craig Russel ist auch Zeichner von „Doctor Strange“

Das aber gelingt Russel. In seiner Branche ist er ohnehin kein unbeschriebenes Blatt. Bekannt wurde er als Zeichner von „Doctor Strange“ und „Elric“. Für seine Serie „Fairy Tales of Oscar Wilde“ erhielt er den Eisner Award, die bedeutendste Auszeichnung der Comic-Szene.

Auf fast 450 Seiten erzählt er Wagners „Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“ wie einen Superhelden-Mythos. Seine Adaption ist nah an den ersten Inszenierungen in Bayreuth im 19. Jahrhundert. Zum Respekt vor dem Original kommen unaufdringlich und frisch die modernen Elemente des Comic.

Aus Heldengeschichten werden Superheldengeschichten à la Marvel oder DC. So öffnet Russel auch Menschen, die mit Oper oder Wagner gar nichts am Hut haben, ein Tor in die altgermanische Sagenwelt. Im Laufe der kurzweiligen 450 Seiten entwirrt sich ganz nebenbei auch das Knäuel. Und siehe da: Es ist nicht mehr kompliziert.

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