
Wie lustig kann ein „Asterix“-Abenteuer sein, in dem sich die unbeugsamen Gallier gar nicht prügeln wollen? Sehr lustig. Der neue Band „Die weiße Iris“, der an diesem Donnerstag europaweit mit einer Erstauflage von fünf Millionen Exemplaren erscheint, beweist: Die beliebte Reihe ist auch nach mittlerweile 64 Jahren nicht auserzählt.
Das ist vor allem dem neu hinzugestoßenen Texter Fabrice Caro alias Fabcaro zu verdanken. Zwar erfindet er den Hinkelstein nicht neu. Wie sollte er auch? Schließlich freuen sich bei einer derart langlebigen Reihe die Leser nicht auf gewagte Experimente. Sondern auf ein Wiedersehen mit alten Freunden.
Ein guter „Asterix“-Band ist wie ein alter Kumpel mit neuen Sprüchen
Ein guter „Asterix“-Band ist wie ein alter Kumpel, der im Lauf eines geselligen Abends ein paar neue Sprüche raushaut, die man sich Jahre später noch zuruft und sofort wieder gemeinsam loskichert. Ein schlechter „Asterix“ (auch die gab es) ist wie der angeschickerte Schwippschwager, der am Kaffeetisch immer die gleichen Anekdoten aufwärmt.
Nach dieser Einteilung ist „Die weiße Iris“ ein ziemlich guter „Asterix“. Die Grundkonstellation ist so klassisch, dass man sich sofort zu Hause fühlt: Der Zusammenhalt der Gallier, der sie so unbesiegbar macht, wird bedroht durch einen Neuankömmling, der ihnen Flausen in den Kopf setzt.
Das neue Abenteuer „Die weiße Iris“ erinnert an Klassiker wie „Der Seher“
Das erinnert an Klassiker wie „Streit um Asterix“ oder „Obelix GmbH & Co. KG“ und ganz besonders „Der Seher“. Dort sagte ein Scharlatan jedem Gallier die Erfüllung seiner jeweiligen Wünsche voraus, woraufhin die Gemeinschaft in eine aufgescheuchte Horde leichtgläubiger Egoisten zerbrach.
Im neuen Abenteuer nun träufelt ein römischer Psychoguru namens Visusversus den grobschlächtigen Wildschweinjägern das süße Gift der sanftmütigen Achtsamkeit ins Ohr. Bis der Fischhändler Verleihnix „meditative Dufttherapie“ anbietet, die Wildschweine sich angstfrei bei Obelix ankuscheln und die Römer geradezu darum betteln, verdroschen zu werden.

Das alles wird so nah am Schwung und Wortwitz der Asterix-Gründerväter Goscinny und Uderzo erzählt, dass es eine wahre Freude ist.
Viel Spott über den Tonfall von weltverbessernden Kalendersprüchen
Zwar ist der Tonfall weltverbessernder Kalendersprüche an und für sich kein sehr originelles Objekt für Spott. Doch im Asterix-Kosmos erhält er eine neue komische Qualität. Oder wurden Asterix und Obelix schon jemals als „Freunde voll asymmetrischer Harmonie“ begrüßt?
Nun gehört es seit jeher zum Erfolgskonzept von „Asterix“, sich über Zeitgeist-Erscheinungen lustig zu machen. Was dazu führt, dass auch „Die weiße Iris“ mit der geradezu reaktionären Quintessenz endet, dass am besten alles so bleibt, wie es schon immer war.
Die Kunst von Texter Fabcaro und Zeichner Didier Conrad liegt darin, dass sie zwar dieses eherne Gesetz der Serie nicht brechen, aber zugleich wahrhaft achtsam andeuten, dass das Immergleiche nicht für alle das größte Glück ist.
Auch hier lohnt der Vergleich mit „Der Seher“. Schon dort ließ sich Häuptlingsgattin Gutemine durch Schmeicheleien betören und beichtete ihren Jugendtraum vom Großstadtleben in Lutetia (Paris).
Dieses Motiv greift „Die weiße Iris“ mit echter Achtsamkeit auf. Zwar wird Gutemine von Zeichner Conrad durchaus als jene knollennasige Cholerikerin gezeigt, als die man sie seit Jahrzehnten kennt. Doch in einigen Panels lässt ihre Mimik in den stillen Abgrund einer beinahe erloschenen Hoffnung blicken. Und so etwas hat man in einem „Asterix“ wirklich noch nicht gesehen.