Die Kinos sind geschlossen, die Streaming-Dienste boomen. Was tun als Kinobetreiber? Selber streamen. Das klingt einerseits widersinnig – schließlich hat das Überangebot an Online-Angeboten den Kinos schon vor der Pandemie viel Wasser abgegraben.
Andererseits ist es ein Angebot an all jene, die am Kino nicht nur den besonderen Raum und das gemeinsame Filmerlebnis schätzen, sondern auch das ausgewählte Angebot, wie es besonders bei kommunalen Kinos zu finden ist.
Mit diesem Argument geht jetzt auch die Kinemathek Karlsruhe ins Rennen. Sie engagiert sich als eines der ersten Kinos bundesweit beim Aufbau eines neuen Portals. Gemeinsam mit dem Filmhaus Nürnberg und dem Wolf-Kino in Berlin bildet die Kinemathek sozusagen die Avantgarde für das Portal cinemalovers, das von den beteiligten Kinos mitkuratiert wird und bei dem die Einnahmen zwischen Kino und Lizenzgeber geteilt werden.
Für Michael Endepols als Sprecher der Kinemathek gibt es deutliche Unterschiede zu anderen Streaming-Angeboten.
Wir wollen die Kompetenz beim Kuratieren auch online zugänglich machen.Michael Endepols, Kinemathek Karlsruhe
„Ich höre immer wieder in Gesprächen mit Filmfreunden, dass sie sich bei ihrem Netflix-Abo vor lauter Filmen kaum entscheiden können, was sie als nächstes schauen sollen“, so Endepols. „Als Kinobetreiber haben wir einen anderen Überblick und wollen diese Kompetenz beim Kuratieren jetzt auch online zugänglich machen.“
Nun wäre die naheliegende Frage: Warum sollten die Verleih-Firmen hier mitspielen, wenn sie ihre Ware über eigene Online-Plattformen vermarkten könnten, ohne die Einnahmen zu teilen?
„Große Hollywoodfilme werden wir sicher nicht bieten können“, räumt Endepols ein. Allerdings frage er sich schon, wie sich millionenschwere Blockbuster refinanzieren sollen, „wenn statt zehn, zwölf oder 15 Euro für eine Kinokarte nur zehn Euro für ein Monatsabo reinkommen.“
Gemeinsamer Einsatz für Erhalt der Kinos
Die Kinos lohnen sich also nach wie vor als Abspiel- und Einnahmestätte. Um sie zu erhalten für die Zeit nach der Pandemie sind kleine Arthaus-Verleiher, deren Programm in der Kinemathek zuhause ist, bereits tätig geworden. Schon im April war der Verleih Grandfilm damit vorgeprescht, seine Filme auf einer Plattform anzubieten und die Einnahmen mit den Kinos zu teilen.
Das neue Angebot der Kinemathek nennt sich nun „Kinemathek +“. Bezahlt wird mit einem gestaffelten Abosystem – der günstige Standardpreis liegt bei 24 Euro im Jahr. Entstanden ist dieses Projekt auf Initiative des Bundesverbands kommunale Filmarbeit und des Hauptverbands Cinephilie.
Start mit drei Filmen
Zu sehen sind ab dem morgigen Mittwoch, 23. Dezember, zunächst drei Filme: Die bilderstarke Dokumentation „Maradona by Kusturica“ erinnert an den Ende November verstorbenen Fußballzauberer Maradona. Gedreht wurde der Film 2008 von dem serbischen Regisseur Emir Kusturica. „Jahrgang 45“ ist ein besonderer Defa-Film: Er wurde, wie auch der später sehr bekannte Film „Spur der Steine“, 1965 in der DDR noch im Rohschnitt verboten und konnte erst 1990 auf der Berlinale gezeigt werde.
Der einzige Spielfilm des Dokumentarfilmers und bildenen Künstlers Jürgen Böttcher schildert das Leben eines jungen Mannes im Prenzlauer Berg, der sich durch den Tag treiben lässt.
Ein Angebot für große und kleine Zuschauer, die sich von besonderen Bildern verzaubern lassen wollen, ist schließlich der brasilianische Animationsfilm „Der Junge und die Welt“. Ohne Dialoge zeigt der Film eine große Stadt aus der Sicht eines kleinen Jungen vom Land, der sich auf die Suche nach seinem Vater gemacht hat.
Service
Homepage kinemathek-karlsruhe.cinemalovers.de. Kosten: gestaffeltes Abosystem, ab 24 Euro/Jahr.