Wer Gesang studiert, dürfte in den meisten Fällen von einer Solokarriere träumen – sei es in Liederabenden oder in großen Opernrollen. Aber wenn daraus nichts wird? „Allein an den deutschen Theatern gibt es rund 3.000 feste Stellen in Opernchören – dieser Arbeitsmarkt ist deutlich größer als der für Solisten“, weiß Holger Speck.
Der Leiter des Vocalensembles Rastatt weiß aber auch, dass vielen Gesangstudenten dieses Berufsfeld gar nicht bewusst ist. Daher setzt er nun Impulse mit einer „Ensemble-Akademie“ als Kooperation seines Ensembles mit der Musikhochschule Karlsruhe, wo er seit etlichen Jahren Dozent für Gesang ist. Eine Woche lang proben Studierende und Profis gemeinsam.
„Es wäre ein Trugschluss, zu glauben, dass Solisten bei mangelnden Angeboten einfach in einen Chor wechseln können“, erklärt Speck im BNN-Gespräch. „Chorgesang ist mehr als ein Plan B.“ Die Anforderungen seien sehr unterschiedlich: „Solisten sind meistens spezialisiert und werden für ihre Rollenfächer besetzt. Bei Chorsängern hingegen kommt es auf den Ensembleklang an – und man braucht eine enorme stimmliche Flexibilität.“
So sei es für Theaterchöre nicht unüblich, dass man abends in einer Barockoper auftrete und am nächsten Vormittag für ein zeitgenössisches Werk probe. Andererseits sei man im Chor beruflich besser abgesichert: „Solisten leben oft von Engagement zu Engagement. Wer in einem Opern- oder einem Rundfunkchor singt, hat meistens eine feste Stelle.“
„Ensemble-Akademie“ an Musikhochschule zeigt Berufsfeld mit großer Bandbreite
Worauf es für solche Jobs ankommt, das konnten die angehenden Sängerinnen und Sänger an der Hochschule während dieser Woche aus erster Hand erfahren: Speck hatte namhafte Vertreter der Branche für Gastvorträge gewinnen können, vom Chordirektor des Gärtnerplatztheaters München über den Vorstand des Rundfunkchors Berlin bis zur Redakteurin des auf Uraufführungen spezialisierten SWR Vokalensembles.
Mir war eine große Bandbreite wichtig.Holger Speck, Leiter Vocalensemble Rastatt
„Mir war eine große Bandbreite wichtig“, sagt Speck. Darauf habe er auch beim Einbinden von Mitgliedern seines Vocalensembles Rastatt geachtet. „Wir arbeiten projektbezogen mit einem großen Pool an frei schaffenden Sängerinnen und Sängern. Von dort sind jetzt 15 Leute in der Akademie dabei, von deren Erfahrungen die Studierenden lernen können.“
Einblicke in den künftigen Arbeitsmarkt zu geben gehört schon seit längerem zu den Zielen der Musikhochschule, die in diesem Jahr auf 50 Jahre als staatliche Einrichtung zurückblickt.
Wichtig sei diese Bandbreite der vorgestellten Job-Optionen auch, weil jede Stimme und jede Sängerpersönlichkeit anders sei. „Wer mit einer Wotanstimme gesegnet ist, den wird man eher nicht in einen Kammerchor stecken“, erläutert Speck. „Manche Leute sind so bewegungsklug, dass sie eindeutig auf die Bühne gehören. Andere arbeiten lieber mit dem Kopf, die sind in einem Rundfunkchor am Mikrofon besser aufgehoben.“
Zum Abschluss ein Video statt Livekonzert in Karlsruhe
Eigentlich hätte die Akademie, deren Durchführung von der Baden-Württemberg-Stiftung gefördert wurde, an diesem Samstag mit einem großen Konzert enden sollen. Dies ist aufgrund der Pandemie nun nicht möglich. Statt dessen wird das Programm „Sommer.Nacht.Traum“ nun als Videoproduktion erstellt.
Neben dem 30-köpfigen Chor aus Studierenden und Vocalensemble-Mitgliedern wirken das Bläserensemble der Hochschule unter der Leitung von Will Sanders, die Pianistin Lisa Golovnenko und die Sprecherin Birgit Quellmelz mit.
Technisch betreut wird das Projekt durch das Institut für Musikjournalismus, Radio, TV & Internet unter der Leitung von Maximilian Richter. In rund zwei Wochen, so Speck werde das Ergebnis wohl online zugänglich sein.
Vocalensemble Rastatt tritt am 24. Juli wieder auf
Auch sein Vocalensemble Rastatt wird Speck demnächst wieder zu Gehör bringen – und dann sogar vor Livepublikum. Am Samstag, 24. Juli, beginnt um 19.30 Uhr ein Konzert der Reihe „Klingende Residenz“. Statt wie gewohnt im Schloss Favorite wird aus Platzgründen in der BadnerHalle Rastatt musiziert. Auf dem Programm steht die Schauspielmusik von Conradin Kreutzer zu Goethes „Faust“.