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Skandale in der Musik

Warum ein Verbot des Party-Hits „Layla“ nichts am Phänomen ändern würde

Zu viel der Ehre für einen schlaffen Song von der Stange: Warum ein Verbot des Party-Hits „Layla“ nichts am eigentlichen Problem ändern würde.

Eine Frau geht am 19.03.2014 in Gronau (Nordrhein-Westfalen) in der Ausstellung 100 Jahre deutscher Schlager im Rock'n'popmuseum durch einen Vorhang mit einem Foto vom Ballermann. Bis September zeigt die Ausstellung die verschiedenen Epochen des deutschen Schlagers angefangen beim Kaiserreich bis zum Ballermann. Foto: Caroline Seidel/dpa ++ +++ dpa-Bildfunk +++
Exzesse am Ballermann zeigte die Ausstellung „100 Jahre deutscher Schlager“ in Gronau mit Fotografien wie diesen. Beliebt sind Party-Hits zu den Themen Trinken und Anbandeln. Foto: Caroline Seidel/ dpa

Wer ist wohl „geiler“: Rosi oder Layla? Gut 40 Jahre liegen zwischen zwei Party-Hits, welche die Massen zum Mitgrölen mobilisieren: „Skandal im Sperrbezirk“ (1981) und „Layla“ (2022).

Beide feiern Prostituierte. Die eine hat blondes Haar, die andere immerhin ein Telefon. Mehr oder minder freiwillig scheinen sowohl Layla wie auch Rosi ihre Dienste anzubieten. Als Puffmutter die eine, als Frau, die geschäftstüchtig annonciert, die andere.

Sexistisch sind beide Songs. Wie etliche weitere, die bislang nicht in den Fokus einer heute sehr viel hellhörigeren Generation geraten sind. „Layla“ aber ist jetzt sprichwörtlich weg vom Schützenfest.

Gestrichen – zumindest mancherorts wie in Würzburg. Doch das ist zu viel der Ehre für einen schlaffen Song von der Stange wie diesen. Es gibt ganz andere Kaliber.

Auch die Oper ist voller erotischer Männerfantasien

Fangen wir an mit Mozart. „Ein Weib denkt wenig, plaudert viel.“ Wen schert es schon, dass das sakrosankte Salzburger Wunderkind frauenfeindliche Zeilen wie diese in der „Zauberflöte“ mit himmlischer Musik verquickte?

Nimm sie dir, küss sie nur, dazu sind sie ja hier!
Textzeile aus einer Operette von Franz Lehár

Seiner Cousine schrieb er fäkalerotische Briefe, in seinem „Don Giovanni“ fleht Zerlina ihren Masetto auf Knien an, sie zu schlagen. Oder nehmen wir eine beliebte Arie aus der Operette „Paganini“ von Franz Lehár: „Gern hab’ ich die Frau’n geküsst, hab‘ nie gefragt, ob es gestattet ist; dachte mir: nimm sie dir, küss sie nur, dazu sind sie ja hier!“

In puncto Party und Exzess läuft die Klassik den Genres Pop und Rock locker den Rang ab. „Die Geschichte der Oper ist in weiten Teilen eine Geschichte erotischer Männerfantasien“, schreibt der Theaterkritiker Stefan Keim in einem Essay „Sadistische Türken, finstere Mohren, leidende Frauen“.

Wer Oper auf der Höhe des Diskurses fordere, müsse einen großen Teil des Repertoires für unspielbar erklären. Doch gute Regisseure retten solche Musiktheater, ist Keim überzeugt. Weil sie die Werke „neu befragen und respektvoll inszenieren können“.

Songs über Nutten und Sexpraktiken

Bei Songs geht das nicht. So prasseln bei Frank Zappa via „Bobby Brown“ ungefiltert extreme Sexpraktiken in die Ohren. Willige Girls heißen im Deutsch-Rap schlicht Nutte. Und selbst ein im Texten sonst feiner Kerl wie der Schweizer Liedermacher Faber wird im Liebeskummer fies: „Warum, du Nutte, träumst du nicht von mir?“

Nur selten führt das zum öffentlichen Skandal wie zum Beispiel 1985 im Falle von „Jeanny“, einem Titel des österreichischen Sängers Falco, der – so der Vorwurf – eine Vergewaltigung verharmlose oder sogar verherrliche.

Große Radiosender nahmen ihn aus dem Programm. Auch die Münchner Rosi hatte es nicht immer leicht. Dieter Thomas Heck sei sie „zu heiß“ gewesen für die ZDF-Hitparade, erinnert sich Sänger Günther Sigl.

Medienwissenschaftler muten es Heranwachsenden gleichwohl zu, sich mit frauenfeindlichen Inhalten genauso selbständig reflektiert auseinander zu setzen, Zusammenhänge zu erkennen und eine eigene Haltung zu entwickeln wie dies im Rap antisemitische oder rassistische Inhalte ebenso erfordern.

Wie es in der Oper für viele problematische Figuren historische Erklärungen gibt, könnte man auch Songs öffentlich einordnen und etwa in Streamingdiensten Informationen hinterlegen.

Party-Hits feiern das Trinken und Anbandeln

Im Falle von „Layla“ ist der Kontext schnell erklärt: Wein, Weib und Gesang. Nicht ohne Grund führt der Song derzeit die deutschen Singlecharts an. Er trifft den meist schon taub getrunkenen Nerv eines feierwütigen Partyvolks.

Die Formel: einfacher Text, flacher Reim, gröltaugliche Melodie und tumber Rhythmus machen den Ohrwurm. Wer feiert, braucht keine erhebenden Themen, sondern das, worum es geht: ums Trinken und Anbandeln.

„Und wenn dich deine Frau nicht liebt / Wie gut, dass es die Rosi gibt.“ Während die Spider Murphy Gang durchaus augenzwinkernd eine Frau feiert, die sich über das Münchner Spießbürgertum hinwegsetzt, ist bei DJ Robin und Schürze jedoch Hopfen und Malz verloren.

Ob sie sich von himmelschreiend einfältigen Textzeilen wie „Sie ist schöner, jünger, geiler / La-la-la-la, die wunderschöne Layla“ persönlich erniedrigt und verletzt fühlt, entscheidet jede Frau für sich.

Frauenbild spiegelt Phänomen der grölenden Schar

Fremdschämen ist auch eine Möglichkeit. Das Lied ist im Vergleich zu Spider Murphy Gangs „Skandal im Sperrbezirk“ erstens handwerklich schlecht. Zweitens ist das Frauenbild in dem Hit bezeichnend für die dazu grölende Schar.

„Layla“ ist mit ähnlich einfältigen Ballermann-Hits wie „Glück auf“ ein klingendes Dokument für das Phänomen des Deutschen, der in der fünften Jahreszeit oder eben auf Malle über die Maßen liebestoll wird.

Obwohl, oder gerade weil er sich bis kurz vor den Herzstillstand betrinkt. „Glück auf“ besingt das ganz unverblümt: „Wir müssen aufhör’n weniger zu trinken / Wir brauchen viel mehr Al-ko-ho-ol.“

Nüchtern betrachtet ist der Party-Hit „Layla“ eine schallende Ohrfeige auf die Backe der Spezies Mann im alkoholisierten Testosteronrausch. Aber für die Nüchternen haben ihn DJ Robin & Schürze auch nicht geschrieben. Ihn zu zensieren, ändert auch nichts daran, das der Mensch beim Feiern zum besoffenen Tier wird.

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