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Experte zum Wettlauf im All

Mondlandung: "Es gab keinen zwingenden Grund, Menschen dahin zu schicken"

Weil die Sowjets Pioniere im All waren, wollten es die Amerikaner unbedingt als erste auf den Mond schaffen - und stampften ein milliardenschweres Raumfahrtprogramm aus dem Boden. Der Medienwissenschaftler Sven Grampp beschäftigt sich im Rahmen seiner Habilitation mit dem propagandistischen Mehrwert, den sich die Amerikaner von den Apollo-Missionen erhofften. Im Interview erklärt er, warum die Amerikaner den Kampf ums All eigentlich schon verloren hatten und wie es um den Kalten Krieg in der Wissenschaft bestellt war.

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as11-40-5944 Foto: Nasa

Weil die Sowjets Pioniere im All waren, wollten es die Amerikaner unbedingt als erste auf den Mond schaffen - und stampften ein milliardenschweres Raumfahrtprogramm aus dem Boden. Der Medienwissenschaftler Sven Grampp beschäftigt sich im Rahmen seiner Habilitation mit dem propagandistischen Mehrwert, den sich die Supermächte vom Sprung in den Kosmos und auf den Erdtrabanten erhofften. Im Interview erklärt er, warum die Amerikaner den Wettlauf eigentlich schon verloren hatten und wie es um den Kalten Krieg in der Wissenschaft bestellt war.

Herr Grampp, wie wurde das Weltall eigentlich zum Schauplatz des Kalten Krieges?

Nach Stalins Tod änderte sich die Doktrin der Sowjetunion. Sein Nachfolger Chruschtschow setzte statt auf militärische Konfrontation auf massive Propaganda-Kampagnen, die klar machen sollten: Die UdSSR sind das überlegene und fortschrittlichere System. Dabei rückte auch die Raumfahrt in den Fokus, weil Moskau der Eindruck erwecken wollte, den Amerikanern technologisch voraus zu sein. Zudem würde ein Raumflug weltweit wahrgenommen werden, was für die Sowjets einen propagandistischen Erfolg über den Eisernen Vorhang hinaus bedeuten würde. Die erste Sputnik-Rakete hatte keinen anderen Sinn als zu zeigen, dass man ins All kann.

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Gleich gehts ins All: Der Kosmonaut Juri Gagarin kurz vor seinem Flug in die Erdumlaufbahn. Foto: None

Ging das Kalkül auf?

Zunächst schon. Als die Sowjets 1961 mit Juri Gagarin den ersten Mann in die Erdumlaufbahn gebracht hatten, war in der damaligen Rezeption das Rennen ums All gelaufen. In den Medien der USA gab es teils starke Reaktionen darauf, weswegen bei der US-Regierung in einen gewissen Aktionismus verfiel, um dem ersten Mann im All etwas entgegenzusetzen.

Und das sollte dann der erste Mann auf dem Mond werden?

In der Tat stand das ziemlich schnell fest. Präsident Kennedy beauftragte Wissenschaftler in den USA, zu ermitteln, wie die Amerikaner die Leistung der Sowjets übertrumpfen konnten. Wernher von Braun schickte ihm daraufhin einen 10-Punkte-Plan, der zu dem Schluss kam: Wir können die ersten auf dem Mond sein. Damit war das Ziel gesetzt.

Inwiefern war die angepeilte Landung auf dem Mond wissenschaftlich sinnvoll?

Das ist schwer zu bewerten. Klar ist, dass die Mond-Missionen letztlich nicht primär vom Wunsch nach wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn vorangetrieben wurden, vielmehr war die Hoffnung auf einen starken propagandistischen Erfolg ausschlaggebend. Als das gelungen ist, werden die Mittel dann ja auch langsam zurückgefahren und nach der sechsten Mondmission 1972 wird das Programm auf Eis gelegt. Es gab zudem von Beginn auch kritische Stimmen, die anmerkten, dass eine unbemannte Mondmission zu deutlich geringeren Kosten das hätte leisten können, was Aufgabe der Astronauten war: Mondgestein zu sammeln, zu fotografieren und Messungen durchzuführen. Diese Argumentation griffen dann übrigens auch die Sowjets auf.

Um die Leistung der Amerikaner zu schmähen?

Das nicht unbedingt: Tatsächlich ist die Reaktion in der sowjetischen Öffentlichkeit zwiegespalten. In den Zeitungen findet sich viel Anerkennung für die technische Leistung der Nasa und für die Arbeit der Astronauten. Zugleich stellt die Kommunistische Partei aber klar: Die USA handeln fahrlässig, riskieren unnötigerweise Gesundheit und Leben ihrer Astronauten und das Geld, dass die Mondlandung gekostet hat, hätte besser in die Entwicklung des Landes gesteckt werden sollen.

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Erlangen: Dr. Sven Grampp ist Akademischer Rat am Lehrstuhl für Medienwissenschaft. 21.01.2016. Foto: Harald Sippel Foto: None

Dabei gab es auf Seiten der Sowjets doch ebenfalls ein Mondprogramm...

...das natürlich ebenso gigantische Ressourcen verschlingt und bei dem Gesundheit und Leben von Kosmonauten genauso riskiert werden. Anders als in den USA ist das Raumfahrtprogramm hinterm Eisernen Vorhang aber Geheimsache, seine Dimension bleibt der Bevölkerung weitgehend unbekannt. Weil sie das Wettrennen um den Mond verlieren, schließen sich die Sowjets den kritischen Sichtweisen auf das Mondprogramm an und verlegen sich auf unbemannte Erkundungen - wofür dann ab den frühen 70er-Jahren prominent das Mondfahrzeug Lunakhod steht. Zudem richten sie ihren Fokus auf die Entwicklung erdnaher Raumstationen.

Für die Öffentlichkeit wurde in West wie Ost das Rennen um All wie eine Art Stellvertreter-Krieg inszeniert. Sahen sich Astro- und Kosmonauten als Rivalen?

Überhaupt nicht. Auf der wissenschaftlichen Ebene gibt es eigentlich keinen Kalten Krieg. Vielmehr lässt sich bereits ab den Sputnik-Missionen ein blockübergreifender Austausch beobachten, ein großes Interesse an der Arbeit des jeweiligen Gegenübers und ein Wunsch nach Kooperation, der dann ja 1975 im Apollo-Sojus-Projekt Wirklichkeit wird.

Beide Blöcke wollen sich mit ihrem Raumfahrtprogramm der Welt als das höher entwickelte System darstellen - welche Reaktionen auf die Mondlandung gibt es eigentlich jenseits von USA und UdSSR ?

Das ist sehr unterschiedlich. Im kommunistischen China fand die Mondlandung in der Öffentlichkeit praktisch gar nicht statt. In Japan ist die Gesellschaft gute 15 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst noch eher antiamerikanisch eingestellt und sympathisiert mit dem sowjetischen Raumfahrtprogramm. Durch die Apollo-Missionen wandelt sich das Bild dann massiv, die Mondlandung führt sozusagen zu einer Westorientierung des Landes. In den afrikanischen Ländern betreiben besonders die Sowjets einen großen propagandistischen Einsatz, über dessen Ertrag es aber noch kaum belastbare Erkenntnisse gibt.

Und wie sind die Reaktionen in den beiden deutschen Staaten, deren Grenze ja die Kontaktlinie beider Systeme markiert?

Die DDR inszeniert sich als sozialistischen Musterschuüler. Dort wird das Apollo-Programm massiv und viel stärker als etwa in der UdSSR kritisiert. Die schon genannten Klagen über Ressourcenverschwendung und der unnötigen Gefährdung von Menschenleben werden übrigens auch in der Bundesrepublik geteilt. Als die Apollo 11 dann allerdings tatsächlich vor den Augen von Millionen TV-Zuschauern auf dem Mond landet, schlägt die Kritik in Begeisterung um - übrigens durchaus auch in der DDR, deren Einwohner das Ereignis im Westfernsehen verfolgen.

Mit 50 Jahren Abstand - wie ist die Mondlandung heute zu bewerten?

Sie ist natürlich ein zivilisatorischer Meilenstein, eine technische wie menschliche Meisterleistung. Diese Rezeption überstrahlt allerdings, was ja letztlich auch stimmt: In wissenschaftlicher Hinsicht gab es keinen zwingenden Grund, Menschen auf den Mond zu bringen. Es wurden gigantische Ressourcen und ein Heer rationaler Wissenschaftler in den Dienst eines eigentlich irrationalen Ziels gestellt: Ein paar ikonographische Bilder vom Mond und der Erde, um der Welt zu zeigen, welches System das bessere ist.

Dossier zum Mondlandungs-Jubiläum

Die BNN würdigen den 50. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung mit einem Countdown und vielen Artikeln in der gedruckten Zeitung und auf bnn.de. Alle Inhalte gibt es hier im Online-Dossier .



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