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Ukraine-Krieg verändert alles

Ampel-Abgeordnete aus Karlsruhe: Wo die Einheit steht und wo es kritisch wird

Drei Parteien, eine Einheit – so präsentieren sich die Abgeordneten Michael Theurer, Zoe Mayer und Parsa Marvi bei einem Abend in Karlsruhe. Ein Politologe erklärt, in welchen Punkten es für die Ampel-Koalition aber künftig schwierig werden dürfte.

Karlsruher Trio: Der Liberale Michael Theurer (links), die Grüne Zoe Mayer und Sozialdemokrat Parsa Marvi vertreten die Region im Bundestag und in der Regierungskoalition.
Karlsruher Trio: Der Liberale Michael Theurer (links), die Grüne Zoe Mayer und Sozialdemokrat Parsa Marvi vertreten die Region im Bundestag und in der Regierungskoalition. Foto: WJ Karlsruhe/annamachtdas

Gleich zu Beginn des Abends ließ Michael Theurer keine Zweifel offen. Der FDP-Politiker war mit den Bundestags-Neulingen Zoe Mayer (Grüne) und Parsa Marvi (SPD) zu Gast bei der IHK Karlsruhe. Die drei eint vor allem der Wahlkreis: Karlsruhe-Stadt. Sie sollten den Wirtschaftsjunioren berichten, wie die Lage im politischen Berlin so ist, und zunächst einmal der Anfangszeit der Ampel-Koalition einen Filmtitel geben. „Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft“, zitierte Theurer aus dem Klassiker „Casablanca“.

Ein bisschen viel Romantik im Saal Baden, aber die Botschaft steht: Theurer, Mayer und Marvi betonten an diesem Abend ihre Einheit. Es ist die erste Ampel-Koalition und Theurer, 55, war vor fünf Jahren hautnah dabei, als die Jamaika-Sondierungen schmerzhaft scheiterten. Man tausche SPD mit CDU, und schon geht es. Theurer macht keinen Hehl daraus, dass die politische Zusammenarbeit aus Sicht der Liberalen momentan leichter läuft.

Es war eher ein Abend, an dem sich die Politiker auf der Bühne gegenseitig Recht gaben, sich ergänzten – kein Abend, an man die durchaus vorhandenen Unterschiede zwischen den drei Parteien bemerken würde. Teamwork sei das, betont Marvi auf der Bühne, Mayer stimmt zu. Doch lässt sich diese Karlsruher Einheit so einfach auf das politische Berlin übertragen?

Unerwartete Unterstützung in Karlsruhe für Kanzler Scholz

Ganz so harmonisch ist die Lage dort nicht. Vor allem stört die Ruhe von Olaf Scholz. Aus Reihen von FDP und Grünen werden die Forderungen immer lauter, der Bundeskanzler müsse Führung zeigen, offener kommunizieren.

Wo denn der Bundeskanzler derzeit sei, war auch eine Frage an diesem Abend bei der IHK. Erwartbar stellte sich Parsa Marvi hinter Scholz, erklärte, dass er lieber einen Kanzler habe, der sich auf seine Arbeit konzentriere, statt in jedes Mikrofon zu sprechen. Bemerkenswerter war es, dass auch FDP-Kollege Theurer beisprang und Scholz für seine Arbeit hinter den Kulissen lobte. „Manche Dinge eignen sich nicht für die Schlagzeilen“, betonte der Staatssekretär im Verkehrsministerium.

Die Einheit dieser bislang noch nie da gewesenen Regierung aus SPD, FDP und Grünen wurde schon im November stabil geformt, sagt der Freiburger Politologe Ulrich Eith – mit dem Koalitionsvertrag. „Alle drei Partner haben dieses Projekt intensiv diskutiert und verhandelt“, sagt Eith. „Dieses Projekt ist zementiert worden.“

„Mehr Fortschritt wagen“, lautet der Titel, die Energiewende war ein großes Thema. Doch seit zwei Monaten bestimmt ein anderes Thema das politische Handeln, eines, das im Koalitionsvertrag nicht steht: der Krieg in der Ukraine. „Die Aufgabenstellung hat sich durch den Krieg verändert“, erklärt Eith.

Freiburger Politologe sieht künftige Knackpunkte

Und das sorgt für Brüche in dieser neuen Koalition. „Grüne und FDP drängen die SPD öffentlich zu mehr Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine“, sagt Eith. Gerade bei der Lieferung von Waffen ins Kriegsgebiet gebe es klare Kritik an Scholz. „Eine Einheit ist in diesem Punkt nicht festzustellen.“

In der Abgrenzung zum Kriegstreiber Russland täten sich die Sozialdemokraten sehr schwer, sagt Eith. „Russland und Putin entsprechen heute nicht dem Bild, das man lange hatte.“ FDP und Grüne agierten sehr viel klarer und realitätsbezogener.

Der Krieg wird auch in Deutschland in den kommenden Jahren absehbar zu einem erhöhten Kostendruck führen. Es geht um Rohstoffe, Lieferketten, unvorhergesehene Kosten. Für die Ampel-Koalition stellt sich die Frage, wie die Schuldenbremse gehalten werden kann. Mit der sollte eigentlich die Staatsverschuldung gebremst werden. „Im Moment ist es völlig unrealistisch, sie aufrechtzuerhalten“, sagt Eith. „Das wird in den nächsten Jahren nicht funktionieren.“

Ein weiteres Thema mit Konfliktpotenzial für die Ampel-Koalition. „Es gehört zum Markenkern der FDP, auf die Schuldenproblematik hinzuweisen“, sagt Politologe Eith. Finanzpolitische Hardliner bei den Liberalen dürften daran festhalten. „Aber das wird dem Finanzminister nicht gelingen.“

Der Krieg schaffe für die Bundespolitik völlig neue Rahmenbedingungen. Was im Koalitionsvertrag als beschlossen galt, muss teilweise hinterfragt werden. Für die Ampel-Koalition wird sich die Frage stellen, wie harmonisch es nach dem Beginn einer wunderbaren Freundschaft weiter geht.

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