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Weniger Einweisungen zu Beginn der Pandemie

Angst vor Corona: Viele Patienten meiden Kliniken

Trotz einer schweren Erkrankung haben viele Menschen zu Beginn der Corona-Pandemie kein Krankenhaus aufsuchen wollen. Das belegen Auswertungen auch im Südwesten. Die Angst vor einer Infizierung könnte dabei eine Rolle gespielt haben.

Blick in den Gang einer Corona-Intensivstation.
Blick in den Gang einer Corona-Intensivstation. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Der Brustkorb schmerzt stark und fühlt sich beengt an, auf der Haut kalter Schweiß, dazu kommt Atemnot. Es gibt einige Reaktionen des Körpers, die einen Herzinfarkt ankündigen können.

In einem solchen Fall zählt jede Sekunde, um zu überleben und Spätfolgen zu vermeiden. Auch bei einem Schlaganfall meldet sich der Körper vorab, etwa mit einem Taubheitsgefühl, Schwindel oder starken Kopfschmerzen. Viele Menschen erkennen die Anzeichen nicht.

Zu Beginn der Corona-Pandemie ließen sich aber auch weitere schwer Erkrankte nicht ins Krankenhaus einweisen, wie eine Analyse zeigt. Eine Sprecherin der DAK-Gesundheit sagte, wohl aus Angst vor einer Corona-Infektion seien viele Menschen im Frühjahr trotz lebensbedrohlicher Erkrankungen nicht ins Krankenhaus gegangen.

Bei dieser Krankenkasse kamen im Lockdown-Monat März 25 Prozent weniger Menschen mit einem Herzinfarkt in eine Klinik als im Jahr zuvor. Das zeigt eine Auswertung der Kasse mit 5,6 Millionen Versicherten.

Einen solchen Rückgang bei Klinikeinweisungen gab es auch bei Schlaganfällen und psychischen Erkrankungen. Seit Juni pendelten sich die Zahlen wieder auf Normalmaß ein.

Im Juni lagen die Einweisungen zum Teil sogar leicht über Vorjahresniveau. Ein vermuteter Nachholeffekt ist allerdings nicht erkennbar, so die Kasse. DAK-Vorstandschef Andreas Storm sprach von einer „regelrechten Corona-Delle bei den Aufnahmen im Frühjahr”.

Auch im Südwesten gab es eine „Corona-Delle”

Bei Krankheiten wie beispielsweise Schlaganfall oder Hirnblutungen gab es im März einen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr von 12,7 Prozent, im April sogar von 20,2 Prozent. Im Mai normalisierten sich die Einweisungen, lagen aber immer noch bei minus 9,6 Prozent, im Juni bei plus 2,6 Prozent und im Juli bei minus 6,7 Prozent.

Die Klinik-Aufnahmen wegen psychischer Erkrankungen, wie Depressionen, Schizophrenie und Alkoholmissbrauch, gingen im März um 14,8 Prozent zurück. Im April waren es sogar 23,1 Prozent, im Mai noch 16,4 Prozent. Auch hier normalisierte sich die Versorgung im Juni.

Eine „Corona-Delle” war auch bei Kliniken im Südwesten zu spüren. „Richtig ist, dass während des Corona-Lockdowns weniger Menschen mit beispielsweise Herzinfarkten oder Schlaganfällen in die Notaufnahmen eingeliefert wurden als im vergleichbaren Zeitraum 2019”, teilt ein Sprecher der AOK Baden-Württemberg auf Anfrage mit.

Demnach gab es in den drei Wochen vor den Osterfeiertagen 35 Prozent weniger Herzinfarkt-Patienten und 23 Prozent weniger Schlaganfall-Patienten in baden-württembergischen Kliniken. Berücksichtigt sind dabei alle Patienten unter den 4,5 Millionen Versicherten der AOK Baden-Württemberg, die bis 31. Mai entlassen worden sind.

„Corona-Delle” wurde im Juni richtig deutlich

Auch bei der Helios Klinik für Herzchirurgie Karlsruhe gab es im März und April einen Rückgang an Patienten um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Seit Beginn der Corona-Pandemie behandle man viele Patienten, bei denen Herzerkrankungen schwer oder bereits weit fortgeschritten sind, so eine Sprecherin. „Das deutet darauf hin, dass Patienten ihre Herzinfarkte zu Hause aussitzen und erst dann die Notaufnahmen aufsuchen, wenn es gar nicht mehr geht oder sie einen kardiogenen Kreislaufschock erleiden.”

Die Entwicklung ist aus ihrer Sicht bedenklich. „Eine späte Behandlung führt zu schwierigen Operationen mit höheren Komplikationsraten und längeren stationären Aufenthalten.” Eine frühzeitige Behandlung hingegen „verspricht einen besseren und schnelleren Heilungsprozess”.

Zu spätes Aufsuchen der Klinik kann zu irreparablen Schäden und deutlich schwereren Verläufen führen.
Sprecherin der ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe

Der Patientenbetrieb habe sich im Juni und Juli normalisiert, so eine Sprecherin der ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe. Doch da wurde die „Corona-Delle” erst deutlich: Die Patienten hätten früher kommen sollen. „Zu spätes Aufsuchen der Klinik kann zu irreparablen Schäden und deutlich schwereren Verläufen führen”, betont die Sprecherin. „Gerade bei Herz- oder Kreislauferkrankungen oder schweren Krebserkrankungen, die erst im fortgeschrittenen Stadium erkannt werden, ist eine Behandlung oft nicht mehr in gleichem Maße möglich.”

Strenge Hygienevorschriften in den Kliniken

Es sei nicht hinnehmbar, dass „wir mehr Todesfälle durch eine unterlassene Therapie bei einer Herz- oder Kreislauferkrankung verzeichnen müssen”. Auch bei Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes sei eine unterlassene Therapie bedenklich. „Bei einem fortgeschrittenen Krankheitsverlauf haben wir oft deutlich weniger Möglichkeiten, die Erkrankung schonend zu behandeln oder eine vollständige Genesung zu erzielen.”

Sollten die Infektionszahlen wieder steigen, etwa durch Reiserückkehrer, befürchten die ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe, dass sich die Situation wiederholen könnte. „Daher appellieren wir an Patienten und einweisende Ärzte, eine Behandlung in der Klinik nicht aus Sorge vor angeblich unkalkulierbaren Ansteckungsrisiken im stationären Bereich aufzuschieben”, so die Sprecherin. Die Hygienekonzepte in den Kliniken seien sehr dezidiert darauf abgestimmt, Infektionsrisiken zu erkennen und möglichst auszuschließen.

Die strengen Vorschriften bei Schutz und Hygiene betont auch die Helios Klinik für Herzchirurgie Karlsruhe. Diese basierten auf Empfehlungen des Robert Koch-Instituts, so eine Sprecherin. „Diese schützen Patienten, Angehörige und Mitarbeiter vor einer möglichen Infektion mit dem Corona-Virus.”

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