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Extrembedingungen

Baden-Airpark in der Corona-Krise: "Unsere finanzielle Ressourcen reichen für sechs Monate"

Seit Mittwoch fliegen keine Linienmaschinen mehr in die Region. Die Corona-Epidemie wird den Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden in April und Mai jeweils eine Million Euro an entgangenen Einnahmen kosten, schätzt der Geschäftsführer des Baden-Airpark, Manfred Jung. Im BNN-Interview erzählt Jung davon, wie der Flugbetrieb unter Extrembedingungen abläuft und was sich in Rheinmünster ändern wird.

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Vom Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden starten neben Frachtmaschinen weiterhin die Rettungsflieger, die Organtransporte für Kliniken im Südwesten und die Polizei-Hubschrauber. Foto: Baden-Airpark Foto: Baden-Airpark

Seit Mittwoch fliegen keine Linienmaschinen mehr in die Region. Die Corona-Epidemie wird den Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden in April und Mai jeweils eine Million Euro an entgangenen Einnahmen kosten, schätzt der Geschäftsführer des Baden-Airpark, Manfred Jung.

Im BNN-Interview erzählt Jung davon, wie der Flugbetrieb unter Extrembedingungen abläuft und was sich in Rheinmünster ändern wird.

Der Reise-Flugverkehr hat stark abgenommen. Wer fliegt in diesen Tagen noch vom Baden-Airpark?

Jung: Es wird viel weniger. Am Dienstag sind die vorerst letzten Passagierflugzeuge nach London und Sibiu gestartet, und es wird in nächster Zeit keine Linienflüge mehr geben. Es finden aber weiterhin Passagierflüge statt. Hinzu kommen noch die Fracht- und Rettungsflüge, die Organtransporte in die Heidelberger und Freiburger Kliniken und die Polizei-Hubschrauberstaffel. Wir haben also regelmäßigen Flugbetrieb, der für die Versorgung der Menschen in der Region notwendig ist.

Über Ihren Flughafen wird auch die Rückholung von Urlaubern abgewickelt, wie lange noch?

Jung: An diesem Sonntag soll ein Flug aus Palma de Mallorca kommen, danach sind vorerst keine weiteren geplant. Aber wir sprechen von einer „dynamischen Lage“, das kann sich noch ändern. Entscheidungen gelten von heute auf morgen nicht mehr, wir müssen darauf reagieren und als Infrastruktur funktionieren.

Es gab heftige Kritik an der regulären Ryanair-Verbindung nach London vor dem Hintergrund der starken Zunahme an Corona-Erkrankungen in Großbritannien – ist diese Kritik für Sie nachvollziehbar?

Jung: Wir haben eine Betriebspflicht und entscheiden nicht, welches Flugzeug fliegen darf – das machen Deutschland und Großbritannien. Es gab aber Vorsichtsmaßnahmen. Die Ankommenden wurden mit Befragungen und Kontrollen durch die Bundespolizei überprüft, ob sie in Quarantäne müssen oder nicht.

Gab es Temperaturkontrollen?

Jung: Nein, aber jeder musste eine Aussteigekarte mit Telefonnummer und Adresse ausfüllen, um bei Bedarf erreicht werden zu können. Bei Verdachtsfällen, zum Beispiel, wenn die Crew auf einen Fluggast aufmerksam geworden war, wurde Fieber gemessen.

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Bislang gab es bei uns aber keine Corona-Erkrankten. Und wenn jetzt keine Linienflüge mehr ankommen, brauchen wir keine intensiven Kontrollen mehr, die Bundespolizei wird sich dann an der Landgrenze stärker einbringen können.

Wie funktioniert der Notbetrieb und wie stellen Sie sicher, dass es nicht zu Störungen kommt?

Jung: Für den Fall, dass unsere Mitarbeiter erkranken, haben wir Einsatzgruppen gebildet. Gerade bei systemrelevanten Einheiten wie den Towerlotsen, der Feuerwehr und der Abfertigung ist es wichtig, dass die Gruppen sich dienstlich nicht begegnen. Wenn in einer Gruppe jemand positiv getestet wäre, käme diese Einsatzgruppe in Quarantäne, und die anderen Kollegen würden den Flugbetrieb sicherstellen.

Haben Sie ein Katastrophenszenario für den Fall, dass es sehr viele Erkrankte auf einmal gibt?

Jung: So denken wir im Moment nicht. Die Regierungen haben ja Maßnahmen ergriffen, um die Infektionskurve abzuflachen. Wir haben in der Feuerwehr beispielsweise vier Einsatzgruppen, es ist schwer vorstellbar, dass es in drei Gruppen gleichzeitig Corona-Infizierte gibt. Wenn es aber der Fall wäre, würden wir voraussichtlich den Flughafen Stuttgart um Personal zur Unterstützung bitten.

Welche Abläufe am Flughafen verändern sich noch?

Jung: Zum 1. April schränken wir die Betriebszeiten ein, um mit den Einsatzgruppen auszukommen – von 9 Uhr bis 20 Uhr. In den Randzeiten von 6 bis 9 Uhr und von 20 bis 23 Uhr müssen sich die Flugzeuge, die hier landen sollen, vorher anmelden. So werden unsere Ressourcen geschont.

Wie würden Sie die Stimmung am Flughafen beschreiben?

Jung: Die meisten Reisenden sind froh, dass sie noch ein Flugticket bekommen haben. Wir haben jetzt keine Urlauber, die eine Stadt besichtigen oder Bekannte besuchen, die Menschen wollen nur weg in ihre Heimatländer oder hierher zurückkommen. Viele sind angespannt, weil sie nicht wissen, ob der Flug vielleicht abgesagt wird und sich die Einreisebedingungen verändern.

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Sonst ist die Stimmung aber gelassen, jeder kann den Sicherheitsabstand wahren, weil auch in den Maschinen weniger Passagiere sind. Die Mitarbeiter sind angespannt, weil man nicht weiß, ob es unter den Reisenden Infizierte gibt. Wer möchte, kann jedoch Handschuhe anziehen und eine Atemmaske aufsetzen.

In einem Interview haben Sie gesagt, dass die Zahl der Fluggäste im April voraussichtlich auf 100 sinken wird, verglichen mit 100.000 im April 2019. Gilt diese Prognose noch?

Jung: Ja. Wizz Air schwankt noch, aber Ryanair hat überall sein Flugprogramm gestrichen. Das habe ich mir noch vor ein paar Monaten nicht vorstellen können.

Für eine Schließung des Flughafens wären Anordnungen der Landesregierung und der Gesundheitsbehörden erforderlich – rechnen Sie damit in den kommenden Wochen?

Jung: Nein, weil wir auch andere Funktionen haben außer der Passagierabfertigung. Würde man unsere Betriebspflicht aufheben, gäbe es Folgen für die Rettungsflugwacht und die Polizei-Hubschrauberstaffel. Außerdem macht die Gesundheitsbehörde ja deswegen Auflagen, damit keine kranken Passagiere einreisen.

Die Corona-Krise wird wohl auch Ihr Unternehmen wirtschaftlich treffen – haben Sie bereits Vorstellungen, wie schwer?

Jung: Da durch den ausbleibenden Passagierverkehr ein Großteil der Einnahmen wegbricht, gehen wir in den Monaten April und Mai jeweils von einer Million Euro an fehlender Liquidität aus. Das ist viel! Normalerweise wollen wir pro Jahr zwei bis drei Millionen Euro verdienen, das werden wir 2020 aber sicher nicht schaffen.

Da wir in den vergangenen Jahren gut gearbeitet haben, werden die finanziellen Ressourcen für die nächsten sechs Monate reichen. Dennoch beantragen wir zum 1. April Kurzarbeit und möchten staatliche Hilfen nutzen.

Wird die stark getroffene Luftfahrtbranche in Zukunft zu dem Vorkrisen-Niveau zurückkehren?

Jung: Ich wäre froh, wenn ich wüsste, wann die Grenzschließungen wieder aufgehoben werden. Aber ich habe keine Glaskugel. In der Region arbeiten viele Menschen, etwa in der Automobil- und Pharmaindustrie, die aus dem Ausland stammen. Daher wäre es wichtig, dass der Flugverkehr irgendwann wieder an Fahrt aufnimmt.

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