Als die Corona-Pandemie mit großer Härte die ostfranzösische Region Grand Est traf, wurden einige Franzosen in die Kliniken nach Baden-Württemberg gebracht . Jetzt sollen die Krankenhäuser im Südwesten keine Covid-19-Patienten aus dem Ausland mehr aufnehmen. Was ist geschehen?
Es ist eine Geschichte von Not und Humanität. Von nachbarlicher Hilfsbereitschaft und europäischer Solidarität, die jedoch unter Extrembedingungen an ihre Grenzen kommen kann.
In Corona-Zeiten dreht sich letztlich alles um die Betten zur intensivmedizinischen Behandlung von Patienten, die in Lebensgefahr schweben. Nach Angaben des Landessozialministeriums verfügte Baden-Württemberg Ende März über 3.246 solcher Intensivbetten, von denen bei 2.208 eine Beatmungsmöglichkeit bestand.
Zu jenem Zeitpunkt der Pandemie schätzte die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) die Situation in den Intensivstationen noch als ruhig ein. Das erklärt, warum die Landesregierung angesichts der großen Nöte der Franzosen die helfende Hand ausstreckte und eine Aufnahme der ausländischen Patienten hier ermöglichte.
„Auch in Europa heißt es: zusammenhalten“
Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sprach am 21. März von einem „Zeichen der Solidarität“. Die Kliniken hätten „derzeit noch entsprechende Kapazitäten“, stellte die Grünen-Politikerin fest. „Auch in Europa heißt es: zusammenhalten.“
Die Krankenhäuser in Freiburg, Mannheim, Heidelberg und Ulm erklärten sich zur Aufnahme von Franzosen bereit. Auch das Städtische Klinikum Karlsruhe übernahm drei an Covid-19 erkrankte Elsässer . „Solidarität rettet Leben“, freute sich am 23. März Staatspräsident Emmanuel Macron auf Twitter.
Bitte aufgrund der "aktuellen Lageneinschätzung"
Die Geschichte von der nachbarschaftlichen Hilfe sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Was viele damals nicht gewusst haben: In einem Schreiben vom 24. März bat das Sozialministerium in Stuttgart die Krankenhäuser im Land darum, von weiteren Aufnahmen aus dem Ausland abzusehen, und begründete dies mit der „aktuellen Lageneinschätzung“.
Die Rechtslage ist klar. „Das Recht sichert die Verfügbarkeit von deutschen Intensivbetten für Covid-19-Patienten, die in Deutschland erkranken“, sagt Ullrich Eidenmüller, Rechtsanwalt und Vorsitzender des Fördervereins Forum Recht, auf BNN-Anfrage.
„Unter diesen Patienten können Ausländer sein, wenn sie in Deutschland erkranken. Aber ein Recht für Ausländer, die im Ausland erkranken, in Deutschland intensiv behandelt zu werden, gibt es nicht.“
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"Überlastung von deutschen Notfallbetten" wegen Corona nicht erwartet
Eidenmüller will manch eine Befürchtung entkräften: „Speziell bei Corona-Patienten werden der deutschen Seite keine Kosten für die Behandlung von ausländischen Patienten aufgebürdet.“ Zudem: Eine „Überlastung von deutschen Notfallbetten“ durch die hierher gebrachten Ausländer sei „in keinem Fall zu erwarten“.
Die landesweite Aufnahme von insgesamt 23 Franzosen sei eine „politische Frage“ gewesen, heißt es im Freiburger Regierungspräsidium, das die Hilfsaktion im Südwesten koordiniert hat.
„Natürlich hilft man den Nachbarn in einer dramatischen Situation. Wir haben getan, was wir konnten. Das war jedoch eine befristete und kontingentierte Aktion“, stellt das zuständige Landesministerium für Soziales und Integration im Gespräch mit den BNN klar.
Freie Kapazitäten auf Intensivstationen
Sein Haus habe dies so auch der französischen Seite mitgeteilt, erklärt der Sprecher. Warum gibt es einen Aufnahmestopp? „Es sind freie Kapazitäten da, aber wir bereiten uns auf den Fall vor, dass sie benötigt werden. Es muss sichergestellt werden, dass die Bevölkerung gut versorgt wird.“
Und so werden jetzt Corona-Patienten aus Frankreich in andere Bundesländer geflogen: Am Sonntag nahm die Berliner Charité sechs Menschen aus dem Elsass auf. Am Dienstag wurden sechs beatmete Erkrankte aus Frankreich nach Kiel und Lübeck transportiert.
Die drei Straßburger, die am 22. März nach Karlsruhe gebracht wurden , seien noch in Behandlung, teilt das Städtische Klinikum mit. „Die Aufnahme weiterer Patienten ist aktuell nicht geplant.“ Denkbar sei aber ein „Patiententausch“, also eine „Rückverlegung“ und Neuaufnahme einer anderen, schwer erkrankten Person, „sofern dies aus medizinischen Gründen möglich ist“. Absprachen hierzu gebe es derzeit nicht.
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