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Bernd Luckes Partei LKR wirbt um AfD-Mitglieder

Die von AfD-Gründer Bernd Lucke gegründeten „Liberal-Konservativen Reformer“ (LKR) fristeten ein Schattendasein. Doch sie profitieren von der möglichen Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz.

Jürgen Joost, damaliger Generalsekretär der Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR) und heutiger Bundesvorsitzender, aufgenommen während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Partei Konservative Sammlung/Zukunft Deutschland (KS). Die Liberal-Konservativen Reformer (LKR) bekommen immer mehr Zulauf von Abgeordneten, denen die AfD zu radikal geworden ist. +++ dpa-Bildfunk +++
Setzt auf die Gemäßigten in der AfD: Jürgen Joost, Bundesvorsitzender der LKR, will mit seiner Partei den bürgerlichen Kräften ein Angebot machen. Foto: Soeren Stache picture alliance/dpa

Ans Aufhören denkt Alexander Gauland noch lange nicht. Dabei könnte der Ehrenvorsitzende der AfD und Chef der Bundestagsfraktion längst seinen wohlverdienten Ruhestand genießen. Vor wenigen Tagen feierte der gebürtige Chemnitzer, der seit vielen Jahren in Potsdam lebt, seinen 80. Geburtstag, das Alter fordert seinen Tribut, lange Sitzungen ermüden ihn.

Und doch will der Mitbegründer der „Alternative für Deutschland“, der von 2017 bis 2019 zusammen mit dem in Mittelbaden lebenden Jörg Meuthen an der Spitze der Partei stand, im September noch einmal für den Bundestag kandidieren.

Zwar nicht mehr als Direktkandidat im Wahlkreis Frankfurt (Oder)/Oder-Spree, in dem er vor vier Jahren antrat, sondern nur noch auf der brandenburgischen Landesliste. Denn er sieht sein Lebenswerk in Gefahr, ist davon überzeugt, dass es ohne ihn – noch – nicht geht.

Vier Jahre nach ihrem Triumph bei der Bundestagswahl 2017, als sie auf 12,6 Prozent der Stimmen kam und mit 94 Abgeordneten in den Bundestag einzog, liegt sie bei Umfragen aktuell nur noch zwischen acht und zehn Prozent. Nicht wenige Parlamentarier droht im September der Verlust ihres gut dotierten Mandats.

Richtungsstreit in der AfD ist in vollem Gange

Vor allem aber ist die AfD unverändert fast ausschließlich mit sich selbst beschäftigt und sorgt nur noch mit ihren innerparteilichen Querelen für Schlagzeilen. Seit dem Parteitag im November in Kalkar ist der Richtungsstreit zwischen den „Gemäßigten“, angeführt von Parteichef Jörg Meuthen, und den radikalen rechtskonservativen Kräften um den früheren „Flügel“-Chef Björn Höcke, zu deren Unterstützern auch der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla und Alexander Gauland gehören, voll entbrannt.

Die beiden Lager stehen sich unversöhnlicher denn je gegenüber, Gauland und Meuthen fetzen sich mittlerweile auf offener Bühne über die Ausrichtung und den künftigen Kurs der Partei. In den Bundestagswahlkampf will die Partei dem Vernehmen nach ohne Spitzenkandidaten ziehen, da sich Gemäßigte und Radikale nicht auf ein Führungsteam einigen können.

Verschärft haben sich die innerparteilichen Konflikte durch die drohende Komplettüberwachung der Gesamtpartei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz, nachdem nach dem Jugendverband „Alternative Jugend“ und dem mittlerweile aufgelösten „Flügel“ bereits die Landesverbände in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg von den Landesämtern als rechtsextreme Verdachtsfälle eingestuft und somit auch mit allen geheimdienstlichen Mitteln überwacht werden können.

Diese Einstufung hat vor allem für Beamte, Richter und Soldaten dienstrechtliche Konsequenzen. Die Folge: Vor allem jüngere Staatsdiener verlassen die Partei, weil sie um ihre Karrierechancen fürchten.

Wir sind ein Angebot an die vielen bürgerlichen Liberal-Konservativen.
Jürgen Joost, Bundesvorsitzender der LKR

Die meisten bleiben parteilos, manche wechseln zur CDU oder zur FDP – und einige entscheiden sich für die Partei, die der AfD-Gründer Bernd Lucke nach seiner Abwahl im Jahr 2015 als AfD-Chef ins Leben gerufen hat – die „Liberal-Konservativen Reformer“, kurz LKR, die früher „Alfa“ („Allianz für Fortschritt und Aufbruch“) hießen und an deren Spitze von 2017 bis 2018 der damalige badische Europaabgeordnete Bernd Kölmel aus Ötigheim stand.

Jörg Meuthen (l), Bundessprecher der AfD, und Alexander Gauland, Bundessprecher der AfD, sitzen beim Parteitag der AfD. +++ dpa-Bildfunk +++
Streiten um den Kurs der AfD: Parteichef Jörg Meuthen und Ex-Chef Alexander Gauland tragen ihren Konflikt mittlerweile auf offener Bühne aus. Foto: Sina Schuldt picture alliance/dpa

„Wir sind ein Angebot an die vielen bürgerlichen Liberalkonservativen, die mit dem Kurs von CDU und FDP unzufrieden sind, aber auch den Extremismus der AfD ablehnen“, sagt der seit 2019 amtierende LKR-Chef Jürgen Joost gegenüber den BNN.

Den „harten Kern“ der AfD, der den Kurs der Partei aus Überzeugung mittrage, könne und wolle man nicht erreichen, wohl aber die bürgerlichen Kräfte, die der AfD aus Protest gegen die etablierten Parteien ihre Stimme geben.

Mit ihrem Werben um die Gemäßigten hat die Partei nach den Worten ihres Chefs Erfolg. Pro Woche gebe es derzeit 28 Neuaufnahmen, vier pro Tag. „Das steigt seit September kontinuierlich an.“

Dank der „Überläufer“ ist die LKR mittlerweile nicht nur im Deutschen Bundestag vertreten, sondern auch in den Landtagen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen sowie der Bremer Bürgerschaft. „Mit der Präsenz in den Parlamenten wächst unsere Bekanntheit“, ist Joost überzeugt.

LKR-Chef war 30 Jahre Mitglied der CDU

Der Ratsherr der Stadt Neumünster in Schleswig-Holstein war 30 Jahre CDU-Mitglied und trat bereits 2013 der damals neu gegründeten AfD bei, da er die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung ablehnte. Mit Lucke verließ er die AfD aber schon 2015 wieder, als diese sich zunehmend radikalisierte.

Nun setzt er alles daran, die AfD zu schwächen. „Ich bin überzeugt, dass man der AfD massiv Stimmen wegnehmen und sie aus den Parlamenten verjagen kann – das ist unser Ziel“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn so lange es die AfD gebe, gebe es keine Mehrheiten für eine Mitte-Rechts-Regierung.

„Wer CDU wählt, bekommt einen Vizekanzler Habeck oder Baerbock – und wer AfD wählt, erst recht“, bringt er das Dilemma auf den Punkt. Solange die AfD den politischen Korridor verenge, seien bürgerliche Mehrheiten unmöglich. Union wie FDP würden sich für Mitte-Links-Koalitionen entscheiden.

Die Hälfte der AfD-Wähler ist zum Absprung bereit.
Jürgen Joost, Bundesvorsitzender der LKR

Mut macht ihn eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA, wonach sich 22 Prozent der wahlberechtigten Bundesbürger vorstellen könnten, bei der Bundestagswahl eine neue Partei mit klarer konservativer und wirtschaftsliberaler Ausrichtung zu wählen. Unter den AfD-Wählern seien es sogar 49 Prozent, aber auch 42 Prozent der bisherigen FDP-Wähler sowie 26 Prozent der CDU-Wähler.

Für Joost ist dies ein ermutigendes Signal: „Der AfD laufen nicht nur die Mitglieder weg, die Hälfte der AfD-Wähler ist zum Absprung bereit.“ Die meisten AfD-Mitglieder, die zu seiner Partei wechselten, „haben es aufgegeben, die AfD zu einer bürgerlichen Partei zu machen“, sagt der LKR-Chef. „Das ist auch nicht möglich, weil das Netzwerk des völkischen Flügels trotz dessen Auflösung weiter besteht und sich in der Partei immer breiter macht.“

In Sachsen dominiert der „Flügel“ der AfD

Wie zum Beweis dieser These hat die AfD in Sachsen eine Liste für die Bundestagswahl aufgestellt, in der Anhänger und Sympathisanten des „Flügels“ dominieren.

Und in Brandenburg gab es starke Kräfte, die darauf drängten, dass der auf Betreiben von Meuthen aus der Partei ausgeschlossene Andreas Kalbitz, der als enger Vertrauter von Höcke und Vordenker wie Organisator der „Flügels“ gilt, als Direktkandidat für den Bundestag aufgestellt wird.

Von Gauland kam kein Widerstand.

Das sei Sache des Kreisverbands, sagte er – eine weitere Brüskierung Meuthens. Am Wochenende beendete Kalbitz die Posse und erklärte seinen Verzicht auf eine Kandidatur. Grund seien „destruktive Kräfte“, die versuchten, ihn an den Rand zu drängen. Teilen des Bundesvorstands warf er „Führungsunfähigkeit und Erfolglosigkeit“ vor. Namen nannte er nicht. Doch wen er meinte, war klar – Jörg Meuthen.

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