Im Prozess um den sogenannten Tiergarten-Mord in Berlin wird die Frage der Täterschaft kaum zu klären sein. Auch wenn Indizien gegen den Angeklagten Vadim S. sprechen, wird das Gericht kaum die Führungsebene der russischen Geheimdienste oder gar Präsident Putin als direkte Auftraggeber der Bluttat benennen können.
Das lässt sich vermutlich nicht zweifelsfrei beweisen. Und sollte im Gerichtssaal eine Verbindung der tödlichen Schüsse mit der Schaltzentrale der russischen Staatsmacht nicht für alle offensichtlich werden, dürfte sich auch die Bundesregierung bei den „Konsequenzen“ für Moskau zurückhalten, die sie angedroht hat.
Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die deutsch-russischen Beziehungen gerade eine schwierige Phase erleben. Auf beiden Seiten schwindet das Vertrauen. Die Härte und Rücksichtslosigkeit, mit der Russland seine politischen Interessen im Ausland durchsetzt, haben im Kanzleramt für Befremden gesorgt. Die letzte Episode der Krise einer ehemals freundlichen Partnerschaft waren die verbalen Angriffe von Moskaus Propagandisten auf Deutschland und seine Ärzte, die dem vergifteten Alexei Nawalny das Leben gerettet haben.
Wenn es Anlass zu Kritik gibt, sollte sie klar und deutlich geäußert werden
Sollte die Bundesregierung in den Beziehungen mit Russland vorsichtiger sein, um diese nicht noch mehr zu belasten? Nein. Wenn es Anlass zu Kritik gibt, weil rote Linien überschritten werden, muss sie klar geäußert werden. Stößt sie im Kreml auf taube Ohren, gehört die Agenda der Zusammenarbeit auf den Prüfstand gestellt.
Klar ist aber auch, dass die Bundesregierung trotz allem mit Putin sprechen und nach Anknüpfungspunkten suchen muss. Der Dialog darf nicht abreißen, dazu ist Russland als einflussreiche Macht in Krisenregionen viel zu wichtig. Ohne Moskaus Mitwirken sind zahlreiche Konflikte nicht zu lösen. Und es gibt noch weiterhin gemeinsame Prioritäten, auch wenn deren Schnittmenge geringer wird.