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Ermordung von zehn Menschen

BGH bestätigt Münchner Urteil: Lebenslang für NSU-Terroristin Beate Zschäpe

Knapp drei Jahre nach der Urteilsverkündung im NSU-Prozess bestätigt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil gegen Beate Zschäpe wegen der Ermordung von zehn Menschen. Die Angehörigen der Opfer sind erleichtert.

Die Angeklagte Beate Zschäpe steht neben ihrem Anwalt Mathias Grasel während der Vorsitzende Richter Manfred Götzl (2.v.r.)und die Vertreter des Staatsschutzsenats Gabriele Feistkorn (l), Peter Lang (2.v.l.)und Konstantin Kuchenbauer (2.v.r) den Gerichtssaal betreten. Am 11. Juli 2018 wurde vor dem Oberlandesgericht in München ein Urteil im NSU-Prozess um Zschäpe gesprochen. Die als Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) bezeichnete Terrorgruppe hatte zwischen den Jahren 2000 und 2007 zehn Menschen in Deutschland ermordet. (zu dpa «Zum Jahrestag Urteil im NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und Co. am 11. Juli») +++ dpa-Bildfunk +++
Der Bundesgerichtshof bestätigte das Urteil des Oberlandesgerichts München mit seinem Vorsitzenden Richter Manfred Götzl (Zweiter von rechts) gegen die NSU-Terroristin Beate Zschäpe wegen zehnfachen Mordes. Foto: Peter Kneffel/dpa

Manfred Götzl, Vorsitzender Richter des 6. Strafsenats des Oberlandesgerichts München, nahm sich Zeit. Sehr viel Zeit sogar. Vom 6. Mai 2013 bis zum 11. Juli 2018 dauerte der Prozess gegen Beate Zschäpe, das einzige noch lebende Mitglied der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), und vier weitere Angeklagte im Umfeld der Gruppe.

Zschäpe wurde vorgeworfen, an neun Morden gegen Migranten, einem Mord an einer Polizistin, zwei Sprengstoffanschlägen, 15 Raubüberfällen und 43 Mordversuchen beteiligt gewesen zu sein, die anderen standen wegen verschiedener Beihilfehandlungen vor Gericht.

An 437 Verhandlungstagen wurden 541 Zeugen und 46 Sachverständige gehört, das Urteil des Strafsenats umfasste 3.025 Seiten, die Anlagen 44 Aktenordner. Zschäpe wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, zudem stellte das Gericht die besondere Schwere ihrer Schuld fest, die vier Mitangeklagten erhielten Freiheitsstrafen unterschiedlicher Länge.

Die reinen Kosten des Gerichtsverfahrens – ohne die Kosten des Ermittlungsverfahrens – bezifferte der Präsident des Gerichts, Peter Küspert, im Oktober 2018 auf 30 bis 37 Millionen Euro.

Verhandlung und Entscheidung im Dezember

Doch der Aufwand und die Mühen von Manfred Götzl und seines Strafsenats haben sich gelohnt. Ihr Urteil hat Bestand. Mit einer schriftlichen Erklärung verwarf der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) am Donnerstag die Revision von Beate Zschäpe und den beiden Mitangeklagten Ralf Wohlleben, der als Waffenbeschaffer tätig war, und Holger G. wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Die Urteile gegen sie sind somit rechtskräftig.

Dagegen gab der BGH dem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, die gegen den Teilfreispruch von André E. Revision eingelegt und ein härteres Strafmaß gefordert hatte. Wie der BGH mitteilte, soll am 2. Dezember verhandelt und am 15. Dezember eine Entscheidung verkündet werden.

Im Kern drehte sich alles um die entscheidende Frage, ob die mittlerweile 45 Jahre alte gebürtige Jenaerin Beate Zschäpe als Mittäterin verurteilt werden kann obwohl es keine Beweise gab, dass sie an den zehn Morden zwischen September 2000 und April 2007 direkt und unmittelbar beteiligt war. Diese verübten die beiden anderen Mitglieder des NSU, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Mit ihnen hatte Zschäpe 14 Jahre im Untergrund gelebt, ohne dass Polizei und Verfassungsschutzämter ihnen auf die Spur kamen.

Als Böhnhardt und Mundlos im November 2011 nach einem missglückten Banküberfall in Eisenach aufzufliegen drohten, erschossen sie sich, am selben Tag setzte Zschäpe die gemeinsam genutzte Wohnung in Zwickau in Brand, um alle Spuren zu vernichten. Im Bauschutt fanden sich zahlreiche Waffen, unter ihnen auch die Tatwaffen der Morde, sowie ein Laptop mit Entwürfen des Videos, in dem sich der NSU zu den Taten bekannte. Nach einer mehrtägigen Flucht stellte sich Zschäpe schließlich der Polizei.

An der Planung jeder Tat mitgewirkt

Der BGH folgte nun vollumfänglich der Argumentation des Münchner Strafsenats, an der Planung jeder Tat mitgewirkt zu haben. Die Beweiswürdigung weise keinen Rechtsfehler auf, die festgestellte Mitwirkung an jeder einzelnen Tat beruhe auf Schlussfolgerungen, „die rational nachvollziehbar und in hohem Maß plausibel sind“, stellten die Karlsruher Richter fest. Zschäpe habe „maßgeblichen Einfluss“ auf die Planung der Taten gehabt und durch ihr gesamtes Verhalten auch zum Gelingen der Morde beigetragen.

Insofern kommt der Senat zu dem Schluss, die Angeklagte habe „jeweils gemeinschaftlich und vorsätzlich handelnd in zehn Fällen einen Menschen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet“. Und da das Oberlandesgericht München auch die Schwere der Schuld betonte, gilt eine Entlassung nach 15 Jahren als unwahrscheinlich.

Ohne weitere Begründung bestätigte der BGH auch die Urteile gegen ihre Mitangeklagten, die zu Freiheitsstrafen von zehn Jahren beziehungsweise drei Jahren verurteilt worden waren.

Die Angehörigen oder Vertreter der Opfer begrüßten die Entscheidung des BGH, legten aber noch einmal den Finger in die offenen Wunden. Es sei Zeit, dass das Verfahren gegen Zschäpe zu Ende gehe, sagte der Anwalt von Gamze Kubasik, deren Vater Mehmet Kubasik 2006 in Dortmund von der rechtsextremen Terrorzelle erschossen wurde. Dennoch dürfe die Entscheidung, wie schon das Münchner Urteil, „kein Schlussstrich unter das Thema NSU“ sein.

Appell an Zschäpe

Für die Angehörigen der Opfer ist es nach ihren Worten noch immer unerträglich, dass trotz mehrerer parlamentarischer Untersuchungsausschüsse in etlichen Ländern sowie im Bund die Rolle der Ermittlungsbehörden und die Verwicklung des Verfassungsschutzes in die Zwickauer Terrorzelle nicht endgültig geklärt sind. So hatten V-Leute Kontakt zu dem Trio.

Meine Familie und ich werden erst dann wieder zur Ruhe kommen, wenn alle Helfer und Täter des NSU ermittelt sind.
Gamze Kubasik, Klägerin

„Meine Familie und ich werden erst dann wieder zur Ruhe kommen, wenn alle Helfer und Täter des NSU ermittelt sind“, machte Gamze Kubasik am Donnerstag deutlich. Vor allem appellierte sie an Zschäpe, ihr Schweigen zu brechen und weitere Namen zu nennen: „Sie hat nun nichts mehr zu verlieren.“

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