
Die Heidelberger Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner fordert eine umfassende Aufarbeitung zum Thema Afghanistan. Für Brantner ist es wichtig, die Ortskräfte vor den Taliban zu schützen.
Frau Brantner, hat die Bundesregierung in Afghanistan versagt?
BrantnerJa. Die Regierung hat dabei versagt, die afghanischen Mitarbeiter der Bundeswehr wie der zivilen Entwicklungsgesellschaften und anderer Einrichtungen rechtzeitig aus dem Land auszufliegen. Die Grünen im Bundestag haben bereits im April und im Juni darauf gedrängt, doch Innenminister Horst Seehofer wollte noch bis vor zwei Wochen Menschen nach Afghanistan abschieben. Nun muss man mit den Taliban verhandeln.
Welche Konsequenzen hat das? Fordern Sie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses?
BrantnerDas muss der nächste Bundestag entscheiden. Aber da es sich um ein Gesamtversagen der Bundesregierung handelt, muss rücksichtslos aufgeklärt werden, warum so wenig und so spät vorbereitet wurde und die zuständigen Ministerien die Gefahr einer raschen Machtübernahme durch die Taliban nicht erkannt haben. Ich plädiere für eine unabhängige Untersuchung des gesamten Afghanistan-Einsatzes, um zu erkennen, zu welchem Zeitpunkt welche Fehler begangen wurden.
Welche Folgen hat das westliche Versagen in Afghanistan?
BrantnerWenn wir als Deutschland in der EU mehr außenpolitische Verantwortung übernehmen wollen, ist der Umgang mit den Ortskräften von fundamentaler Bedeutung. Wenn von Afghanistan das Signal ausgeht, wir lassen sie im Stich, werden wir nirgendwo mehr Helfer, Dolmetscher und andere Kräfte finden. Es ist eine Frage von Treue und Anstand. Diese Menschen haben für uns den Kopf hingehalten, nun stehen wir in der Pflicht, sie vor der Verfolgung durch die Taliban zu schützen. Wieder einmal zeigt sich, dass die Bundesregierung erst handelt, wenn es knallt. Wir brauchen eine vorausschauende Politik. Die Zeit des Wegduckens und Wegmoderierens von Problemen ist vorbei.