Kaum ein anderes Thema bewegt so viele Menschen wie Gesundheit und Lebensqualität bis ins hohe Alter.
Deutschland hat ein insgesamt leistungsfähiges, aber teures und teils ineffizientes Gesundheitssystem, das zudem an Personalmangel leidet und sich für die Zukunftschancen durch Digitalisierung noch nicht genug geöffnet hat.
Kein Wunder also, dass alle größeren Parteien in ihren Programmen zur Bundestagswahl dem Bereich Gesundheit eine wichtige Rolle zuweisen.
„Zukunftsmission“ der SPD mit offenen Fragen
Die SPD hat die Reform des „auf Kante genähten“ Gesundheitssystems in den Rang einer der vier „Zukunftsmissionen“ für ihre angestrebte Regierungsbeteiligung erhoben. „Update für die Gesundheit“: In diesem Abschnitt ihres Wahlprogramms lassen sich die Sozialdemokraten von einem Grundgedanken leiten: Ja zur Modernisierung der Versorgung, aber nur unter der Prämisse der Fairness und Solidarität.
Die Partei möchte statt der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung eine „solidarisch finanzierte“ Bürgerversicherung einführen.
Der öffentliche Gesundheitsdienst solle gestärkt werden, die Kliniken würden mehr Geld bekommen, zudem möchte die SPD die Rollen zwischen dem ambulanten und stationären Sektor neu verteilen. Wie jede einzelne dieser Mammutaufgaben erreicht werden soll, bleibt jedoch unklar.
Union setzt auf das Prinzip „weiter so“
„Digitalisierung“: Das ist der Schlüsselbegriff, mit dem CDU und CSU um Wählerstimmen kämpfen. Man findet ihn immer wieder im Abschnitt „Leistungsfähiges Gesundheitswesen“, der im Parteienprogramm einen überschaubaren Platz einnimmt – nur vier von insgesamt 139 Seiten.
Allerdings bleibt der Slogan meist inhaltsleer. Nur an einer Stelle wird es konkreter: Die Union möchte 500 Millionen Euro für modernste Roboter und digitale Anwendungen in der medizinischen Pflege ausgeben.
Anders als die SPD lehnt sie eine Einheitsversicherung ab. Ebenso eine kommerzialisierte Sterbehilfe (stattdessen eine „lebensbejahende Beratung“ und Zugang zu Hospizen) sowie eine „Legalisierung von illegalen Drogen“, womit Cannabis gemeint sein dürfte. Im Kern wirbt die Union um den Erhalt „unseres sehr guten Gesundheitssystems“ mit der „bewährten Selbstverwaltung“.
FDP kämpft gegen Hemmnisse und Zwänge
Die FDP hat sich im Gesundheitsbereich dem Kampf gegen allerlei Beschränkungen verschrieben. Ärzte, Apotheker und alle anderen Akteure des Gesundheitssystems sollen in medizinischen Fragen künftig „autonom und frei von Weisungen Dritter entscheiden“ dürfen.
Neben dieser „Therapiefreiheit ohne Budgetierungszwang“ soll es auch weniger Berichtspflichten geben. Die Freien Demokraten möchten außerdem das Robert-Koch-Institut (RKI) von politischen Zwängen befreien und nach dem Vorbild der Bundesbank zu einer „unabhängigen Institution“ machen.
Die Partei fordert eine kontrollierte Freigabe von Cannabis mit Verkauf an volljährige Personen in lizenzierten Geschäften. Sie setzt sich außerdem für ein „liberales Sterbehilfegesetz“ nach dem Schweizer Vorbild ein. Ein Schwerpunkt der FDP ist eine bessere gesundheitliche Prävention schon in Kindergärten und Schulen.
Linke stellt Gemeinwohl in den Mittelpunkt
Gemeinwohl statt Gewinnorientierung im Interesse von Großkonzernen: Auf diese Formel lassen sich die gesundheitspolitischen Forderungen im Programm der Linkspartei komprimieren.
Sie hält es für falsch, dass Krankenhäuser nach Fallpauschalen wirtschaften müssen und unter Wettbewerbsdruck gesetzt werden, damit ihre Besitzer profitieren. Die Linke verlangt deswegen, die Kliniken von der Börse zu nehmen und sie in Gemeineigentum zu überführen. Die Krankenkassen sollen ihre Betriebskosten komplett übernehmen.
Das Programm enthält zudem die Forderung, die derzeitige „Zweiklassenmedizin“ durch eine solidarische „Gesundheitsvollversicherung“ abzulösen, in die alle einzahlen.
Dadurch würden nicht nur alle Zuzahlungen bei Gesundheitsleistungen wegfallen, sondern auch der individuelle Beitrag würde von 15 auf 12 Prozent sinken. Die Partei sieht die Patienten als Gewinner des umgekrempelten Gesundheitssystems, in dem es 100.000 Pflegekräfte mehr geben soll.
Grüne: Gesundheit und Klima hängen zusammen
Es ist keine Überraschung, dass die Grünen in ihrem Programm Klimaschutz und Gesundheit verknüpfen. Die Partei mahnt, sich auf ein „neues Krankheitsspektrum“ durch Hitzewellen einzustellen.
Dazu sehen die Grünen unter anderem mehr Hilfen für chronisch Kranke und einen Sonderfonds zur Umsetzung von Hitzeaktionsplänen vor. Wichtig ist für sie der Schutz vor Pandemien: Ein „unabhängiger Pandemierat“ soll das Land krisensicherer machen.
Zu diesem Zweck plant die Partei außerdem die Gründung eines neuen Bundesinstituts für Gesundheit. Die Ausgaben für den Öffentlichen Gesundheitsdienst, der in der Pandemie an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gekommen war, sollen auf mindestens ein Prozent der Gesundheitsausgaben angehoben werden.
Ähnlich wie die Linke sehen die Grünen das System der Fallpauschalen und die Ausrichtung auf ertragreiche Angebote kritisch. Sie wollen, dass die Kliniken stattdessen auch nach ihrem „gesellschaftlichen Auftrag“ finanziert werden.
AfD rechnet mit Corona-Maßnahmen ab
Eine zukunftsgerichtete Gesundheitspolitik fängt für die AfD mit der Ablehnung von allen gängigen Corona-Maßnahmen an. In ihrem Programm stellt die Partei fest, dass es mit ihr weder eine Einschränkung von Grundrechten wegen „willkürlicher Grenzwerte“ noch eine Maskenpflicht, Corona-Apps oder eine verpflichtende Impfung geben wird.
Die AfD fordert zudem die Einsetzung eines parlamentarischen Ausschusses, der das Handeln der Bundesregierung in der Pandemie untersuchen soll.
Die Partei möchte die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung zusammenlegen und dadurch effizienter machen. Eine Priorität der AfD ist die Förderung der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, etwa durch die Aufhebung der Kopfpauschalen-Vergütung.
Im Krankenhausbereich möchte sie den Anteil von privaten Trägern auf maximal 60 Prozent begrenzen. Eine Besonderheit ist die Forderung nach verpflichtenden Untersuchungen auf multiresistente Keime bei allen stationären Krankenhausaufenthalten.