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Krisenhelferin im Ruhemodus

Corona-Warn-App verliert wichtigste Funktionen – reaktivierbar für künftige Pandemien

Sie war eines der wichtigsten Instrumente zur Covid-19-Bekämpfung: Die Corona-Warn-App wurde auf vielen Millionen Handys heruntergeladen. Jetzt hat sie ihre Kernfunktionen verloren. Kann man die App trotzdem weiter nutzen – und wie?

Rot bedeutet Virusalarm: Auf vielen Millionen Smartphones in Deutschland dürfte noch die Corona-App installiert sein. Allerdings hat sie für die Nutzer mit dem Rückgang der Inzidenzen ihre Bedeutung verloren, weswegen der Warner bald inaktiv wird.
Rot bedeutet Virusalarm: Auf vielen Millionen Smartphones in Deutschland dürfte noch die Corona-App installiert sein. Allerdings hat sie für die Nutzer mit dem Rückgang der Inzidenzen ihre Bedeutung verloren, weswegen der Warner bald inaktiv wird. Foto: Julian Stratenschulte /dpa

„Hilft. Wenn du mitmachst“ und „Wird mit jedem Nutzer nützlicher“: Mit solchen Slogans auf Werbeplakaten versuchte die Politik Mitte 2020 bei der damals noch skeptischen Bevölkerung das Interesse an der neu eingeführten Corona-Warn-App (CWA) zu wecken. Die Bedenken waren zunächst groß.

Damit die Bürger den Infektionstracker auf ihre Handys installierten, griffen manche Stadtchefs wie Oberbürgermeister Boris Palmer in Tübingen damals zu recht unkonventionellen Mitteln: Pro Download gab es ein Freibier. Am Ende wurde die Anwendung zur Unterbrechung von Infektionsketten zu einer Erfolgsgeschichte.

Tübinger Sonderaktion: Mit Freibier hat in der südwestdeutschen Universitätsstadt im August 2020 Oberbürgermeister Boris Palmer für die Corona-Warn-App geworben. Insgesamt 300 Flaschen Bier verteilte Palmer an alle, die die App auf ihrem Smartphone installiert hatten.
Tübinger Sonderaktion: Mit Freibier hat in der südwestdeutschen Universitätsstadt im August 2020 Oberbürgermeister Boris Palmer für die Corona-Warn-App geworben. Insgesamt 300 Flaschen Bier verteilte Palmer an alle, die die App auf ihrem Smartphone installiert hatten. Foto: Tom Weller /dpa

Insgesamt 48,6 Millionen Mal wurde die CWA heruntergeladen, das ist nicht nur ein Rekord für eine digitale Anwendung im deutschen Gesundheitswesen, sondern auch weltweit ein beachtliches Ergebnis. So erfolgreich waren die australische, italienische oder britische Corona-Warn-Anwendungen lange nicht.

Deutsche Corona-Warn-App hat über 220 Millionen Euro gekostet

Die deutsche App war mit über 220 Millionen Euro teuer, aber sie hat nach Einschätzung von Fachleuten wirksam mitgeholfen, die Inzidenzzahlen zu senken.

Nun ist ihre aktive Zeit aber vorbei: Die CWA wird zum 1. Juni in den sogenannten Ruhemodus versetzt, am vergangenen Sonntag büßte sie bereits einige Schlüsselfunktionen ein. Was wird die App noch leisten, und was muss man bei ihrem Gebrauch beachten? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Funktioniert die Corona-Warn-App noch?

Ja, aber eingeschränkt. Die wichtigste Änderung ist die Deaktivierung der Risiko-Ermittlung. Seit diesem Sonntag ist es nicht mehr möglich, andere Personen durch die App über eine Infektion zu warnen. Auch das Erzeugen von QR-Codes, das Abrufen von Testergebnissen und die Check-In-Funktion stehen nicht mehr zur Verfügung. Die Nutzer können aber weiter ihre eingescannten Impf- und Genesenenzertifikate aufrufen, ihr Kontakt-Tagebuch befüllen und frühere persönliche Aufzeichnungen nutzen.

Wie geht es weiter mit der App?

Die noch aktiven Funktionen sollen angeblich unbefristet erhalten bleiben, die App selbst wird aber ab dem 1. Juni nicht mehr in den App-Stores von Apple und Google für Neuinstallationen verfügbar sein. Die bereits installierten CWA werden in einen Ruhemodus versetzt. Das bedeutet, dass die Anwendung technisch weder unterstützt noch weiterentwickelt wird, auch weil am Monatsende die Verträge mit den Dienstleistern SAP und T-Systems auslaufen.

Was passiert mit den erfassten Infektionsdaten in der App?

Alle bei ihrer Nutzung anfallenden Informationen – beispielsweise zu Begegnungen mit Personen, die ebenfalls die CWA installiert hatten – wurden verschlüsselt und ausschließlich auf dem eigenen Smartphone gespeichert. Mit dieser dezentralen Erfassung erfüllte die Warn-App die hohen Anforderungen des deutschen Datenschutzes. Wer sie jetzt deinstalliert, löscht auch alle ihre Daten (die nicht gesichert wurden). Missbrauch kann es auch deswegen nicht geben, weil Daten, die eine Person identifizierbar machen, zu keinem Zeitpunkt ausgelesen und gespeichert wurden.

Kann man die CWA also bedenkenlos deinstallieren – und sollte man das tun?

Ja, wenn man auf die beschriebenen Restfunktionen verzichten kann. Man muss das aber nicht tun, weil ihr Nutzen im Ruhemodus abgesehen vom Verbrauch von etwa 50 MB Speicherplatz keine Nachteile mit sich bringt. Um die App loszuwerden, legt man auf einem iPhone den Finger darauf, tippt auf „App entfernen“ und auf „Vom Home-Bildschirm entfernen“. Auf Android-Handys öffnet man die Google Play Store App, tippt auf das Profilsymbol, dann auf „Apps und Gerät verwalten, wählt die CWA und tippt auf Deinstallieren.

Gibt es einen Weg, die Impfzertifikate und Tagebucheinträge zu behalten, wenn man die App entfernt?

Ja. Zur Sicherung der Daten aus dem Kontakt-Tagebuch verwendet man die Funktion „Einträge exportieren“. Man kann auch seine Zertifikate sichern beziehungsweise speichern mithilfe der Funktionen „Einzel-Export“ (auf der Detailansicht des Zertifikats) oder „Zertifikate exportieren“ – damit werden sie alle in eine PDF-Datei überführt. Hat man das vor der Deinstallation vergessen, bleibt immerhin noch das (analoge) gelbe Impfbuch, mit dem man seine Corona-Impfungen nachweisen kann.

Braucht man die digitalen Impfzertifikate überhaupt noch?

In Deutschland braucht man sie spätestens seit dem Wegfall der Corona-Maßnahmen nicht mehr. Auch in der EU müssen Reisende solche Nachweise gemäß einem Beschluss des Europäischen Rats vor einigen Monaten nicht länger mitführen. Außerhalb Europas ist das in der Regel auch der Fall, die Urlauber sollten sich dennoch besser über die einzelnen Regelungen informieren – zum Beispiel auf der Webseite des Auswärtigen Amtes. Wer in die USA mit dem Flugzeug reist, wird ab 11. Mai keinen Corona-Impfnachweis mehr benötigen.

Warum wurde die Warnapp mit den bisherigen Funktionen nicht mehr benötigt?

Das Bundesgesundheitsministerium gibt dafür folgende Gründe an: die gewachsene Immunität der Bevölkerung, eine stabile Infektionslage und die „Rückkehr zu einem öffentlichen Leben ohne Corona-Maßnahmen“. Dadurch gibt es aus der Sicht des Ressorts von Minister Karl Lauterbach keinen Bedarf mehr für eine App zur Kontaktnachverfolgung, deren verlängerter Betrieb in den ersten drei Monaten dieses Jahres Kosten von 23 Millionen Euro verursacht hat.

Wie ist die aktuelle Corona-Lage?

Sie ist entspannt, besonders in Baden-Württemberg, das mit einer 7-Tage-Inzidenz von 4,5 die Länderliste anführt. Die bundesweite Inzidenz sank seit Anfang März von über 120 auf sieben Fälle pro 100.000 Einwohner innerhalb eines 7-Tage-Zeitraums. In unserer Region betrug die 7-Tage-Inzidenz zuletzt zwischen einem und acht Fällen.

War die Corona-Warn-App wirklich nützlich?

Dazu gibt es verschiedene Meinungen. Die Befürworter sagen, dass sie dabei geholfen habe, die Corona-Ausbreitung einzudämmen, indem die Infektionen oft frühzeitig erkannt wurden und die Infektionsketten somit durchbrochen werden konnten. In diesem Zusammenhang werden gerne die Statistiken zur CWA-Nutzung angeführt: Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums wurde die App mehr als 48 Millionen Mal heruntergeladen. Im vergangenen Jahr haben mindestens 25 Millionen Menschen sie aktiv genutzt. Die Betroffenen haben mit ihrer Hilfe insgesamt neun Millionen positiver Testergebnisse geteilt. Im Frühjahr 2022 sollen es so etwa 17 Prozent aller Corona-Fälle gewesen sein. Laut Entwicklern erhielten von jeder warnenden Person im Schnitt geschätzte 19 weitere Personen eine rote Warnung.

Und was sagen die Kritiker?

Sie bemängeln zum Beispiel, dass sie viel zu teuer war. Die Gesamtkosten für das Projekt betragen bislang etwa 223 Millionen Euro. Gesine Lötzsch, Vizevorsitzende und haushaltspolitische Sprecherin der Linksfraktion, nannte deswegen die App „ein Fass ohne Boden“. Andere Skeptiker wie der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann glauben, dass die App in der Pandemie „nicht kriegsentscheidend“ gewesen sei und fordern eine gründliche Evaluierung ihrer Nutzung.

Kann die „ruhende“ Corona-Warn-App im Fall einer neuen Pandemie reaktiviert werden?

Das ist jedenfalls geplant. „Es kann sehr gut sein, dass wir sie für Covid wieder nutzen müssen. Es kann aber auch sein, dass wir sie weiterentwickeln für andere Infektionskrankheiten“, sagte Minister Lauterbach in der ARD. Die CWA-Website wird jedenfalls zunächst weiterbetrieben. Dort sollen auch zukünftig noch Forschungsergebnisse zur Nutzung der App veröffentlicht werden.

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