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"Keine Personaldebatte"

Friedrich Merz in Baden-Baden: Die Revolution ist aufgeschoben

Die Revolution ist aufgeschoben. Im Casino Baden-Baden wissen es am Freitagnachmittag zunächst nur eine Handvoll Pressevertreter, die Friedrich Merz dieselbe Frage in unterschiedlichen Variationen stellen: Wird er oder wird er nicht? Nein. Jedenfalls nicht jetzt.

Friedrich Merz
Friedrich Merz (CDU) bei einer Pressekonferenz. Foto: Kay Nietfeld/dpa/Archvbild

Der ambitionierte Vize-Präsident des CDU-Wirtschaftsrates war einst schärfster Konkurrent von Annegret Kramp-Karrenbauer im Rennen um den Chefsessel. In seiner Partei erwarten nicht wenige, dass er die Vorsitzende stürzen und eines Tages Kanzler werden wird. Erst vor einer Woche brachte sich Merz bei einer Diskussion als Kandidat für den Top-Job in Stellung. „Ich bin ermutigt“: So beantwortete der 64-Jährige die Frage, ob er ins Kanzleramt wolle. Vor seiner Rede in Baden-Baden sagt er den Journalisten: „Ich fühle mich ermutigt, in die Politik zurückzukehren. Das war’s. Wir brauchen keine Personaldebatte“.

"Es liegt viel Fantasie in der Luft"

Friedrich Merz ist der Star der Jahreshauptversammlung des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden. Die Erwartungen im Casino an den Promi-Gast schnellen in die Höhe, nachdem er mit den Worten vorgestellt wird: „Wir haben Sie nicht vergessen. Es liegt gerade viel Fantasie in der Luft, wie und mit wem es politisch weitergeht“. Offen macht Verbandschef Thomas Burger klar, dass er Angela Merkels schärfsten Kritiker eingeladen hat, um den „neuen Sound in Wirtschaft und Politik“ zu hören.

Der Sound von Friedrich Merz, das merken die Versammelten schnell, ist keiner, der zu einem anstehenden Sturmangriff auf die Parteispitze passen würde. Auf eine subtile Art ist er jedoch genauso wirkungsvoll. Statt die Kanzlerin frontal anzugreifen oder die Führung von AKK infrage zu stellen, präsentiert sich der frühere CDU-Fraktionschef würdevoll gelassen als ein Staatsmann, der weltpolitisches Gewicht auf seinen Schultern trägt.

Der groß gewachsene Mann am Pult ist nicht zufrieden mit Deutschland. Merz macht sich Sorgen, dass die führende Industriemacht des Kontinents sich durch unkluge Wirtschaftspolitik, unterentwickelte Infrastruktur, falsche Entscheidungen bei der Digitalisierung und das Schlechtreden eigener Stärken selber schwächt und von der globalen Konkurrenz komplett abgehängt wird. Stichwort Diesel-Skandal: Für Merz ist er ein „Betrugsskandal von Teilen der Industrie“. Deutschland baue feine Motoren, „warum sind wir so verrückt, diese Technologie durch die Wortwahl kaputt zu machen?“, fragt er.

Ein Kämpfer für Europa

Der konservative Hoffnungsträger der CDU zeigt sich in Baden-Baden vor allem als ein Kämpfer für Europa. Er fordert, dass alle politischen Weichenstellungen in Berlin am Ende die EU stark machen müssen. In der Sicherheitspolitik, beim Kampf gegen den Klimawandel und in den Handelsfragen mag Deutschland der „Schrittmacher“ sein, die Lösungen müssen jedoch eine europäische Handschrift tragen. Am Ende ruft Merz dazu auf, die Demokratie zu verteidigen: „Wenn sie nicht scheitern soll, müssen wir alle etwas tun“.

Der Politiker, der sich vielleicht als Kanzler sieht, bekommt zum Dank eine Schwarzwälder Kuckucksuhr geschenkt. Vielleicht eine Anspielung darauf, dass seine Stunde bald schlagen könnte. Aber noch nicht jetzt. Er fahre zum Parteitag der CDU in einer Woche nicht als Herausforderer, sondern nur als „Delegierter meiner Parteibasis“, versichert Merz und verspricht, in Leipzig keine „spezielle Redezeit“ zu beanspruchen.

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