
Nun soll also in Deutschland wirklich abgeschoben werden: härter, schneller, zuverlässiger denn je. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) trommelt für ihr „umfassendes Gesetzespaket“, das sie vor allem als „restriktiv“ beschreibt. Ihr Parteikollege Olaf Scholz, der Kanzler, ist ebenfalls begeistert und spricht von Abschiebungen „im großen Stil“.
Das sieht stark nach politischen Blendgranaten aus. Der im Bundeskabinett verabschiedete Gesetzesentwurf ist ein typisches Beispiel für ein taktisches Reagieren von Entscheidern, die die Realität lange ignorieren und dann plötzlich hektisch werden, weil sie angesichts der schlechten Umfragewerte kalte Füße bekommen haben. Der Abschiebe-Ruck, der durch die nervöse Ampel geht, dürfte niemanden wirklich beruhigen. Er ist eine Erklärung dafür, warum viele Menschen mit den etablierten Parteien unzufrieden sind.
Maue Abschiebequoten und machtlose Polizei
Keine Frage, es gibt bei dem Thema Migration und Asyl einen Handlungsdruck. Nicht erst jetzt. Unsere Redaktion berichtete Mitte 2020 von einer akuten Schieflage bei den Abschiebungen: Während man in einigen Fällen der ausländischen Straftäter und Gefährder nicht habhaft werden konnte, um sie in ihre Herkunftsländer zurückzuführen, wurden in anderen Fällen gut integrierte Flüchtlinge zur Ausreise gezwungen, wohl auch um die mauen Abschiebequoten zu erhöhen. Bundesweit war damals nur jede zweite Rückführung erfolgreich.
In neun von zehn Fällen, wenn es nicht geklappt hat, lag es an „Stornierungen” oder „nicht erfolgter Zuführung”. Mit anderen Worten: Die in ihrem Handeln eingeschränkte Polizei fand die Flüchtlinge am geplanten Abschiebetag nicht oder es fehlten die Reisedokumente. Es ist unwahrscheinlich, dass der Bundesregierung diese Fakten neu sind. Man muss sich also fragen, warum sie nicht schon früher gehandelt hat, wenn ihr doch die „konsequente und schnelle Durchsetzung des Rechts“ – noch ein Zitat von Faeser – so am Herzen liegt.
Die Aufregung der CDU ist scheinheilig
Warum muss erst ein Eindruck von Unfähigkeit und Ohnmacht der Politik entstehen, der extremistische Stimmungen anheizt und den rechten Parteien einen Zulauf an Wählern beschert, ehe man damit beginnt, den Rechtsstaat zur Wahrung seiner Aufgaben zu befähigen? Diese Fragen könnte man auch der CDU stellen, die sich gerade publikumswirksam über die Bundesregierung empört. Denn als die Union noch an der Macht war, hat sie es versäumt, die Asyl- und Abschiebeproblematik zu entschärfen.
Unterm Strich bietet der mit heißer Nadel gestrickte Ampel-Gesetzesentwurf Lösungen für Rückführungen, die in der Praxis teilweise schon jetzt angewendet werden, aber nicht konsequent und nur inoffiziell. Eine solide Rechtslage zu schaffen, ist an sich sinnvoll. Wunder darf man von dem Abschiebepaket aber nicht erwarten: In vielen Fällen wird die Ausreisepflicht weiterhin rein theoretisch bleiben, weil die Rücknahme von Migranten mit ihren Heimatländern ungeregelt ist.