Skip to main content

Hunderte Vorfälle

Extremismus in der Bundeswehr: Rechte Parolen und Hass in Kasernen

„Sieg Heil“-Rufe, Hakenkreuze, „Kanacken“-Spott und judenfeindliche Angriffe: Was der Bericht der Bundesregierung über rechtradikale Vorfälle bei der Bundeswehr 2020 verrät und was die Linke Ulla Jelpke daran kritisiert-

Extremismus als Dauerproblem: Noch bis vor wenigen Jahren hingen in manchen Bundeswehr-Kasernen die Waffen der Deutschen Wehrmacht an der Wand. Der Militärische Abschirmdienst und das Bundesverteidigungsministerium gehen gegen rechte Soldaten konsequenter vor - doch die Linkspartei sieht noch große Defizite.
Extremismus als Dauerproblem: Noch bis vor wenigen Jahren hingen in manchen Bundeswehr-Kasernen die Waffen der Deutschen Wehrmacht an der Wand. Der Militärische Abschirmdienst und das Bundesverteidigungsministerium gehen gegen rechte Soldaten konsequenter vor - doch die Linkspartei sieht noch große Defizite. Foto: Patrick Seeger picture alliance/dpa

Eine Soldatin, die die staatliche Existenz der Bundesrepublik verneint und von einer „BRD GmbH“ spricht. Ein Soldat, der seinen Kameraden mit Migrationshintergrund androht, sie mit einem Maschinengewehr niederzuschießen.

Drei Militärs, die ein Lied grölen mit dem Refrain: „Wir kämpfen für Deutschland, wir kämpfen für Hitler!“ Ein Bundeswehrangehöriger, der öffentlich erklärt, das „Abfackeln eines Flüchtlingsheims“ wäre jetzt „genau das Richtige“.

Vier Beispiele für extremistische Vorfälle, die sich laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag im vergangenen Jahr in den deutschen Kasernen ereignet haben. Ihre Gesamtzahl stieg nach Angaben des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) deutlich auf 477 nach 363 registrierten Verdachtsfällen im Jahr davor.

Manche Nazis und rechte Verschwörer, die durch verbale Entgleisungen aufgefallen sind, wurden bis heute nicht disziplinarisch bestraft und tragen weiter die Bundeswehruniform. In anderen Fällen hat jedoch das Verteidigungsministerium hart durchgegriffen, wie aus der Antwort ersichtlich wird.

Rechtsrock und Schweinekopf-Würfe

Seit Jahren kommen die deutschen Streitkräfte nicht aus den Schlagzeilen über rechten Hass und Hetze heraus. Zuletzt machte besonders das Kommando Spezialkräfte (KSK) von sich reden, wo seit der berüchtigten Geburtstagsparty mit Rechtsrock und Schweinekopf-Würfen 2017 etwa 50 Soldaten ins Visier des MAD geraten sind.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte die Bereinigung der Elitetruppe in Calw von radikalen Umtrieben zur Chefsache gemacht.

Seitdem wurden dort zahlreiche Soldaten entlassen und insgesamt 39 von 60 geplanten Reformschritten umgesetzt.

Doch das extremistisch motivierte Fehlverhalten ist offensichtlich in der gesamten Truppe heute keine Seltenheit, wovon auch die jüngsten Vorfälle von Rassismus, Gewalt und sexueller Nötigung bei einem deutschen Panzergrenadierzug der Nato-Einsatzkräfte in Litauen zeugen. Kramp-Karrenbauer nannte sie Mitte Juni „einen Schlag ins Gesicht aller, die der Sicherheit in unserem Land dienen“, und kündigte eine harte Bestrafung an. Die Einheit soll nach Deutschland abgezogen werden.

Viele Täter kommen glimpflich davon

Die im Juni veröffentlichte Auflistung der meldepflichtigen rechten Vorfälle in der Bundeswehr im Jahr 2020 deckt erneut die gesamte Bandbreite der bekannten Erscheinungen in der rechten Szene ab: Von Juden- und Ausländerhass, Reichsbürger-Sympathien, rassistischen Beleidigungen, Nazigrüßen und eingeritzten Hakenkreuzen bin hin zu Tattoos mit Symbolen verbotener Organisationen und Mitgliedschaften in rechten Chatgruppen ist alles dabei.

Die Übersicht zeigt, dass manche Verdächtige Zugang zu Waffen hatten und sogar als Ausbilder eingesetzt waren. Die häufigste disziplinarische Maßnahme war demnach die Entlassung. Oft stößt man in der Tabelle jedoch auf Vermerke „Maßnahmen nicht eingeleitet“ und „konnte nicht ermittelt werden“.

MAD kriegt mehr „Augen und Ohren“

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken verweist die Bundesregierung darauf, durch die Einrichtung einer neuen Koordinierungsstelle im Verteidigungsministerium im Herbst 2019 über extremistische Stimmungen bei der Bundeswehr besser informiert zu sein – und diese konsequent zu bekämpfen.

So setze man neben den Strafmaßnahmen auf Weiterbildung des Personals im Umgang mit Rassismus und verfassungsfeindlichen Erscheinungen. Zudem sei die Extremismusabwehr beim MAD gestärkt worden.

Die neue MAD-Präsidentin Martina Rosenberg hatte nach ihrer Ernennung im Februar 2021 angekündigt, die Anzahl der „Augen und Ohren“ ihres 1.200-köpfigen Geheimdienstes wesentlich zu erhöhen.

Soldaten, die sich in WhatsApp-Gruppen Hitlerbilder zuspielen, gehören raus aus der Bundeswehr.
Ulla Jelpke, Die Linke

Diese Maßnahmen gehen allerdings aus Sicht der Linken im Bundestag nicht weit genug – oder sie greifen zu langsam. „Es darf nicht ein Jahr oder länger verstreichen, wenn es darum geht, herauszufinden, ob da womöglich einem Nazi Schießtraining gewährt wird“, kritisiert die innenpolitische Fraktionssprecherin Ulla Jelpke.

„Soldaten, die Kameraden als ‚Kanackenschlampe‘ oder ‚Judennase‘ bezeichnen, die Reichsbürgerflaggen in ihrem Garten hissen oder sich in WhatsApp-Gruppen Hitlerbilder zuspielen – die gehören raus aus der Bundeswehr, und zwar sofort.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang