Sind bei der Verwendung des Plurals von „Lehrer“ tatsächlich nur Männer gemeint? Ja – sagen die einen und fordern deshalb eine Ausdrucksweise, die auch die Kolleginnen berücksichtigt. Quatsch – finden dagegen die anderen. Sie wollen, dass in der deutschen Sprache alles bleibt, wie es ist.
Die Diskussion um einer gender-gerechte Sprache ist in vollem Gang. Welche Haltung die sechs größten Parteien in dieser Frage haben, hat unser Redaktionsmitglied Sibylle Kranich anhand ihrer Wahlprogramme untersucht.
CDU/CSU: Chancengleichheit ohne Gendersprache
Das Gendersternchen taucht im Wahlprogramm der CDU/CSU kein einziges Mal auf. Weder als Symbol noch als Thema. Stattdessen bemühen sich die Autoren um Ausgewogenheit. Von „Bürgerinnen und Bürgern“ ist fast überall die Rede. Auch von „Forscherinnen und Forschern“. Beim Thema Wohnen aber tauchen dann doch nur Mieter und Eigentümer auf.
Eine einheitliche Linie fehlt. Eine einheitliche Haltung auch. Im Juni noch hatte der Landesverband der Hamburger CDU Schlagzeilen mit einem Antrag gemacht, der staatlichen Stellen die Verwendung von Gendersprache verbieten sollte. In Hessen erteilte die CDU einem ähnlich lautenden Antrag der AfD eine Absage. Im Wahlprogramm ist viel von Gleichstellung und Chancengleichheit die Rede. Von gender-gerechter Sprache nicht.
SPD: Sternchen als Kür, Quote als Pflicht
In ihrem Wahlprogramm verwendet die SPD das Gendersternchen. Im Verlauf des Programms wird es aber nicht weiter thematisiert. Ob die SPD für das Verwenden gender-gerechter Sprache in offiziellen Texten einstehen wird, bleibt unklar. In puncto Gleichstellung aber versprechen die Sozialdemokraten den „Wähler*innen“ einiges: Etwa „die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen bis 2030.“ In der Politik soll es Paritätsgesetze für sämtliche Parlamente geben.
Mit Blick auf die Wirtschaft heißt es: „Wir wollen, dass an der Spitze von Unternehmen und in den Führungsebenen genauso viele Frauen wie Männer vertreten sind.“ Für börsennotierte Unternehmen, die die Quote nicht erfüllen, soll es Sanktionen geben.
FDP: Keine Quote und keine „Genderpolizei“
„Gendersternchen sind Sprachverhunzung“, wetterte einst der Fraktionsvorsitzende der FDP im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke. Von solch eindeutiger Rhetorik ist man im Wahlprogramm der Bundes-FDP weit entfernt. Aber auch auf Symbole verzichten die Liberalen und sprechen lieber von „Bürgerinnen und Bürgern“.
Das Thema Gleichstellung spielt an mehreren Stellen des Wahlprogramms eine Rolle: Mehr Frauen in Führungspositionen will die FDP aber nicht durch Quoten erreichen, vielmehr durch eine Art Selbstverpflichtung der Unternehmen. Die Freien Demokraten definieren darüber hinaus „einen liberalen Feminismus, der die Selbstbestimmung aller Individuen frei von gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen aufgrund ihres gewählten oder biologischen Geschlechts“ anerkennt.
Grüne: Gender-Check für neue Gesetze
„Liebe Wähler*innen“ – so beginnt das Wahlprogramm der Grünen und schon beim ersten Blick in das 272 Seite lange Schriftstück wird die Haltung der Grünen zum Thema geschlechtergerechter Sprache überdeutlich. Das Sternchen kommt konsequent zum Einsatz. Für die Partei ist das allerdings nichts Neues. Sie hatte den Beschluss zur Verwendung von gender-gerechter Sprache schon im Jahr 2015 gefasst.
Doch im Wahlprogramm steckt noch mehr: Mit einem „Gender-Check“ will die Partei künftig prüfen, ob ein Gesetz auch die Gleichberechtigung voranbringt. Die Bundesstiftung Gleichstellung soll dies kontrollieren. Sie soll, so steht es im Parteiprogramm, zu „einer effektiven Institution“ ausgebaut werden, die „wirksame Maßnahmen für Gleichberechtigung“ entwickelt. „Es wird Zeit für eine feministische Regierung“, schreiben die Grünen in ihrem Wahlprogramm.
Linke will „Feminismus, der an die Wurzel geht“
„Geschlechtergerechte Kommunikation ist einer von vielen Bausteinen zur Herstellung der Gleichstellung in Gesellschaft und Politik.“ So heißt es in einem Leitfaden zur geschlechtergerechten Ansprache, den die Linke bereits im Jahr 2017 aufgestellt hat. Die neutrale Sprache zieht sich durch das Wahlprogramm der Partei.
Dort heißt es auch: „Die Linke steht für einen Feminismus, der an die Wurzeln geht.“ Für die Partei bedeute dies, zuallererst Arbeit und Zeit zwischen den Geschlechtern gerecht zu verteilen. „Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Frauen genauso an politischen Entscheidungen mitwirken können wie Männer.“
Zum Thema Geschlechtsneutralität findet sich weiter hinten im Wahlprogramm noch folgender Satz: „Wir setzen uns für geschlechtsneutrale Toiletten und Waschräume, insbesondere in öffentlichen Gebäuden ein, um Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität abzubauen.“
AfD ist klar gegen „Gender-Ideologie“
Eine sehr klare Meinung zum Thema Gender-Gerechtigkeit in der Sprache hat die AfD. Im Wahlprogramm heißt es: „Alle Fördermittel für die auf der Gender-Ideologie beruhende Lehre und Forschung sind zu streichen. Politisch korrekte Sprachvorgaben zur Durchsetzung der Gender-Ideologie lehnen wir ab.“
Darüber hinaus fordert die AfD, die Gleichstellungsbeauftragten abzuschaffen. Begründet wird die Haltung der Partei mit der Aussage: „Kern der Gender-Ideologie ist die Leugnung von biologischen Unterschieden zwischen Mann und Frau, verbunden mit der Behauptung, dass Geschlechter nur soziale Konstrukte seien. Unterschiede etwa bei der Auswahl und Ausübung von Berufen werden als Beweis einer vermeintlichen Diskriminierung betrachtet und deren Beseitigung gefordert. Behauptungen der Gender-Ideologie stehen im Widerspruch zu Erkenntnissen der Biologie.“