Geld für alle, und das ohne Bedingungen und ohne Bedürftigkeitsprüfung. Die Idee eines Grundeinkommens ist nicht neu. Doch angesichts der Corona-Pandemie mit ihren ökonomischen Verwerfungen kommen in die Debatte über eine grundlegende Reform der Sozialleistungen neue Argumente. Das Grundeinkommen könnte helfen, Armut zu verhindern und die Wirtschaft anzukurbeln.
Die Resonanz ist beachtlich – und übertrifft sogar die Erwartungen der Initiatoren. „Alle Menschen brauchen ein Einkommen“, heißt es auf einer Online-Petition, die am 14. März auf der Internet-Seite des Bundestags eingestellt wurde. „Durch die Corona-Pandemie brechen momentan bei sehr vielen Bürgerinnen und Bürgern die Einkünfte weg“, die Politik müsse dafür sorgen, „dass niemand durch das bürokratische Raster der Zuständigkeiten fällt und dass niemand in Existenznot gerät“. Daher müsse „kurzfristig und zeitlich begrenzt, aber solange wie notwendig, ein Bedingungsloses Grundeinkommen“ eingeführt werden, das existenzsichernd ist und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. „Vorstellbar ist ein Betrag von 1.000 Euro pro Monat.“
130.000 Bürger haben die Petition unterschrieben
Innerhalb kürzester Zeit verbreitete sich das Anliegen der Petition mit der Nummer 108191 im Netz. Bereits Ende März war das Quorum von 50.000 Online-Mitzeichnern erreicht, das notwendig ist, damit sich der Deutsche Bundestag mit dem Anliegen beschäftigt, mittlerweile haben sich fast 130.000 Menschen dem Anliegen angeschlossen.
Den sozialen Absturz Tausender verhindern
Eine gleichlautende Petition der aus Heidelberg stammenden und in Berlin lebenden Modedesignerin Tonia Merz auf dem Portal „change.org“ wurde in der Zwischenzeit sogar von mehr als 450.000 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt.
Die Regierung mobilisiere „Billionenkredite für die Wirtschaft“, so die selbstständige Unternehmerin mit fünf Angestellten. „Was dem Land aber auch helfen würde, ist die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens von 800 – 1.200 Euro pro Person für sechs Monate.“ Das würde den sozialen Absturz Tausender verhindern und gleichzeitig die Kaufkraft im Land erhalten.
Auch dm-Gründer Götz Werner wirbt für das Grundeinkommen
Geld vom Staat für alle ohne Bedürftigkeitsprüfung oder Gegenleistung zur Sicherung des Existenzminimums – die Idee ist nicht neu, gewinnt aber angesichts der ökonomischen wie finanziellen Probleme infolge der Corona-Pandemie neue Anhänger. Zu den Befürwortern eines bedingungslosen Grundeinkommens, das alle staatlichen Sozial- und Transferleistungen vom Kindergeld über das Bafög bis zu Hartz IV oder die Grundsicherung überflüssig machen und die gesamte Bürokratie abschaffen würde, gehören schon seit langem der Gründer der Karlsruher Drogeriemarktkette dm, Götz Werner , und sein Sohn Christoph.
Unsere arbeitsteilige Gesellschaft kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Grundversorgung mit Geld für alle Bürgerinnen und Bürger sichergestellt ist.Ludwig Paul Häußner, Karlsruher Wirtschafts- und Erziehungswissenschaftler
Und auch der Karlsruher Wirtschafts- und Erziehungswissenschaftler Ludwig Paul Häußner, der sich während seiner Zeit am KIT intensiv mit der Problematik befasst hat, plädiert mit Blick auf die Pandemie für das bedingungslose Grundeinkommen. „Es ist das sozioökonomische Beatmungsinstrument für unsere Volkswirtschaft“, sagt er den BNN. „Unsere arbeitsteilige Gesellschaft kann nur aufrechterhalten werden, wenn die Grundversorgung mit Geld für alle Bürgerinnen und Bürger sichergestellt ist.“
Bürokratie und Sanktionen
Zwar habe man eine Grundsicherung, „aber die ist nicht bedingungslos, sondern mit viel Bürokratie und Sanktionen verbunden“, so Häußner. Richtwert könne die Pfändungsfreibetragstabelle des Bundesjustizministeriums sein – das wären 1.180 Euro pro Monat für einen Single und 2.120 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt.
Das bedingungslose Grundeinkommen ist ungerecht, unfinanzierbar und unverantwortlichKai Whittaker, CDU-Bundestagsabgeordneter (Rastatt)
Gleichwohl stehen die Chancen für eine Einführung schlecht. Auch wenn nach Umfragen rund 50 Prozent der Bürger das Grundeinkommen befürworten, lehnen es die beiden Regierungsparteien CDU/CSU und SPD ab. „Das bedingungslose Grundeinkommen ist ungerecht, unfinanzierbar und unverantwortlich“, sagt der Rastatter CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker den BNN.
Alleine um es zu finanzieren müsste der Bundeshaushalt um knapp 500 Milliarden Euro steigen. „Durch das bedingungslose Grundeinkommen werden auch keinerlei Anreize geschaffen, arbeitslose Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren“, so der Wirtschaftswissenschaftler. Ein Grundeinkommen ohne Leistung ist aus seiner Sicht „eine Ungerechtigkeit, die unseren Wohlstand bedroht und unsere Zivilgesellschaft schwächt“.
Katja Mast (SPD): Betroffene brauchen schnelle und pragmatische Lösung
Aus Sicht der stellvertretenden SPD-Fraktionschefin Katja Mast (Pforzheim) wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen ein „fundamentaler Systemwechsel“, der nicht schnell eingeführt werden könne. „Das hilft also jetzt nicht weiter“, sagt sie den BNN. Wichtiger sei es, gute Arbeit systemisch zu stärken. „Dazu gehören anständige Löhne mit sozialer Absicherung, betriebliche Mitbestimmung und die Vereinbarkeit von Arbeit und Leben.“
Wem wegen der Corona-Krise Aufträge wegbrechen oder Einnahmen ausfallen, brauche „schnelle und pragmatische Lösungen, wie wir sie beim Kurzarbeitergeld, den Soforthilfen für Selbstständige oder der erleichterten Beantragung von Grundsicherung getroffen haben“.
Michael Theurer (FDP) plädiert für ein Bürgergeld
Die Liberalen verweisen auf ihr Konzept des Bürgergeldes, das unter anderem eine Bündelung und unbürokratische Auszahlung der zahllosen steuerfinanzierten Sozialleistungen vorsieht. „Dadurch schaffen wir ein soziales Sicherungsnetz, das die Erwirtschaftung neuen Wohlstands und damit seine eigene Grundlage befördert, statt sie zu beschädigen“, sagt der stellvertretende FDP-Fraktionschef Michael Theurer den BNN.
Durch die Corona-Krise werde „massiv Wohlstand vernichtet“, daher sollte man nach der Krise auf die Konzepte setzen, „die historisch am besten darin waren, Armut zu beseitigen und Wohlstand zu schaffen“.
Michel Brandt (Linke) fordert Abschaffung von Hartz IV
Skeptisch äußert sich der Karlsruher Abgeordnete Michel Brandt von der Linkspartei. Die Konzepte, die diskutiert würden, seien „sehr unterschiedlich“, sagt er. Ein Grundeinkommen dürfe „unter keinen Umständen zu einem Abbau sozialstaatlicher und gewerkschaftlicher Grundpfeiler an anderen Stellen“ führen. Angesichts der enormen Einnahmeausfälle als Folge der Corona-Pandemie sei ein Krisen-Grundeinkommen „eine Möglichkeit“. Wichtiger sei die Abschaffung von Hartz IV und die Einführung einer sanktionsfreien Mindestsicherung von 1.050 Euro.