Klausur, das klingt für den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann mit dem Blick auf die Klausurtagung der Grünen-Landtagsfraktion ein bisschen nach Rückzug. „Aber wir wollen nachdenken über die Politik für unsere Mitmenschen. Wir igeln uns ja nicht ein“, so Kretschmann.
Der Grünen-Politiker erinnerte an die Gründung der Partei 1980 in Karlsruhe und zitiert launig einen Kommentar des „Spiegel“, der den Grünen damals kein langes Leben prophezeite. Viel Lob gab es für den Karlsruher Wissenschaftsstandort. „Baden-Württemberg hat nicht nur ein Zentrum, sondern viele. Das macht den Charme unseres Landes aus.“
90 Personen finden im Südwerk in Karlsruhe Platz, die Veranstaltung wird gestreamt, im Vorfeld konnten Fragen eingereicht werden. Vor der Tür gibt es eine kleine Gruppe von Demonstranten mit nur schwer erkennbaren Motiven. Im Saal sitzen viele offizielle Bürger, darunter Regierungspräsidentin Sylvia Felder (CDU), OB Frank Mentrup (SPD), Stadträte, Vertreter von Kulturinstitutionen.
Kretschmann formuliert Aufgaben
Kretschmann verweist auf die neu formierte Landesregierung: „Es geht nicht nur um Kontinuität, sondern um einen neuen Aufbruch.“ Er benennt „drei große Zukunftsaufgaben“: Es gelte jetzt, konsequent Klima und Arten zu schützen, den Strukturwandel der Wirtschaft zu gestalten und den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken.
Das Land bekomme das modernste Klimaschutzgesetz der Republik, kündigte er an. Der technologische Wandel sei nur durch Innovation zu gestalten. Er schildert den strategischen Dialog mit der Automobilindustrie und die Förderung von Start-Ups, etwa um regenerativ hergestellte Treibstoffe zu entwickeln. Und wieder Lob für Karlsruhe: „Welche Power steckt in dieser Stadt!“
Am Schluss seiner Rede sagt Kretschmann: „Wir brauchen eine Bundesregierung, die diesen Weg entschlossen mitgeht.“ Er betont deshalb: „Stimmen Sie bei der Wahl richtig ab.“ Als Wahlkampftermin will man die Veranstaltung zwölf Tage vor den Bundestagswahlen bei den Grünen aber nicht sehen. Grünen-Pressesprecher David Fischer verweist auf Nachfrage auf die langjährige Vorplanung für das Format „Bürgerdialog“, der Termin in Karlsruhe sei seit Jahren ausgemacht. Drei bis vier Mal im Jahr gibt es diese durchs Land rotierende Veranstaltung mit dem Ministerpräsidenten.
Bunter Strauß von Themen
Nach einer kurzen Podiumsrunde mit Kretschmann, dem Fraktionsvorsitzenden Andreas Schwarz und den Karlsruher Landtagsabgeordneten Alexander Salomon und Staatssekretärin Ute Leidig wollen die Bürger reden. Etwa über den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung – ein Stadtrat aus Rheinstetten sieht die Bund-Länder-Einigung skeptisch und vermisst die Strukturen dafür vor Ort. „Es ist jetzt so beschlossen. Mehr war nicht rauszuverhandeln“, so Kretschmann.
Er verwies aber auf Revisionsklauseln im Gesetz. Es geht unter anderem um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan, um Windkraft, um das neue Kommunalwahlrecht, um die Masken- und Präsenzpflicht in den Schulen, die von Ute Leidig argumentativ begründet wird. Mehrfach verteidigt Kretschmann die Corona-Politik des Landes.
Klausurtagung noch bis Donnerstag
Eingebettet ist die Veranstaltung in die Klausurtagung der 58-köpfigen Landtagsfraktion, die sich noch bis Donnerstag in Karlsruhe trifft. Eigentlich würden sich die Abgeordneten unter die Besucher der Veranstaltung mischen. Sie sind aber nur zum kleinen Teil im Südwerk, wie die Abgeordnete Susanne Bay (Heilbronn) zur Begrüßung erklärt. „Der Austausch mit Bürgern ist ein extrem wichtiger Bestandteil für uns. Leider muss er heute noch einmal unter veränderten Bedingungen stattfinden.“
Am Dienstag schwärmten mehrere Mitglieder der Grünen-Landtagsfraktion aus, um rund ein Dutzend Einrichtungen zu besuchen.