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Vom Grobian zum seriösen Aktenfresser

CSU-Chef Markus Söder: der Wandlungsfähige

Als CSU-Generalsekretär war Markus Söder ein rhetorischer Haudrauf. Heute steht er als Ministerpräsident eng an der Seite der Kanzlerin. Reicht das für die Merkel-Nachfolge?

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, nimmt nach der Sitzung des bayerischen Kabinetts an einer abschließenden Pressekonferenz teil. +++ dpa-Bildfunk +++
In den Fußstapfen von Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber: CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident ist er bereits, nun könnte Markus Söder auch noch Kanzlerkandidat der Union werden. Foto: Peter Kneffel/dpa

Die Geschichte hat er oft und gerne erzählt. Im Jahr 1983 erlebt der damals 16-jährige Nürnberger Gymnasiast Markus Söder den legendären CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß live beim Straßenwahlkampf in seiner fränkischen Heimatstadt. Söder, bis dahin eher unpolitisch, ist sofort Feuer und Flamme.

Wenn ich aufgewacht bin, habe ich an der Decke direkt Strauß angeschaut.
Markus Söder, CSU-Vorsitzender

Der Auftritt ist sein persönliches Damaskus-Erlebnis, der Teenager wird zum glühenden Strauß-Fan. In sein Zimmer unter dem Dach hängt er in der Dachschräge ein großes, fast überlebensgroßes Strauß-Plakat, auf die Schultasche klebt er Strauß-Buttons und er tritt der Jungen Union wie der CSU bei.

„Wenn ich aufgewacht bin, habe ich an der Decke direkt Strauß angeschaut“, erzählt der heutige CSU-Chef und mögliche Kanzlerkandidat gerne. „Dieses Kraftuhrwerk, dieser Titan der Worte, hat mir unheimlich gut gefallen.“

Es ist der Anfang einer beeindruckenden Karriere. Markus Söder, ein stiller, zurückhaltender und bei den Klassenkameraden wenig beliebter Schüler, der sich von Jahrgangsstufe zu Jahrgangsstufe zittert, blüht geradezu auf. Er wird selbstbewusster, diskutiert mit seinen Mitschülern und Lehrern über Politik und zeigt erstmals sein rhetorisches Talent.

Söder war immer da, wenn er gebraucht wurde

Bald schon wird er in den JU-Ortsvorstand gewählt, in der Partei ist er immer da, wenn einer gebraucht wird, rasch macht er sich unentbehrlich. Und er ist ehrgeizig, sprudelt vor Einfällen, ständig hat er neue Ideen und vor allem ist er nie um einen flotten oder frechen Spruch verlegen.

Das Abitur schafft der frühere Wackelkandidat locker mit 1,3. Er studiert Jura an der Universität Erlangen-Nürnberg und promoviert 1988 mit einer Arbeit über die Kommunalgesetzgebung im rechtsrheinischen Bayern zwischen 1802 und 1818.

Franz Josef Strauß ist nicht nur sein großes Vorbild, er tritt auch in seine Fußstapfen und arbeitet sich in der CSU stetig nach oben. 1994 wird er erstmals in den Bayerischen Landtag gewählt, von 1995 bis 2003 ist er bayerischer JU-Chef, 2003 macht ihn CSU-Chef Edmund Stoiber zum Generalsekretär, vier Jahre später holt ihn sein fränkischer Landsmann Günther Beckstein als Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten ins Kabinett.

Armin Laschet (r) und Markus Söder beim digitalen Neujahrsempfang der NRW-CDU.
Als CSU-Generalsekretär war sich Markus Söder für keine Attacke zu schade. Als Ministerpräsident steht er eng an der Seite der Kanzlerin und wird neben CDU-Chef Armin Laschet (r.) als möglicher Kandidat für die Merkel-Nachfolge gehandelt. Foto: Federico Gambarini/dpa-POOL/dpa

Es folgen weitere Posten als Minister für Umwelt und Gesundheit von 2008 bis 2011 sowie als Finanzminister von 2011 bis 2018 unter Regierungschef Horst Seehofer. Nach einem langen und zermürbenden Machtkampf und dem Rückzug Seehofers ist der Weg für Söder frei: im März 2018 wird er Ministerpräsident, im Januar 2019 auch CSU-Chef.

Wie seine großen Vorbilder Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber könnte er zum Kanzlerkandidaten von CDU und CSU werden. An Selbstbewusstsein wie an Ehrgeiz mangelt es dem evangelischen Mittelfranken nicht, gleichwohl ist ihm das Scheitern seiner Vorbilder und Ziehväter bewusst. Strauß verlor 1980 gegen Helmut Schmidt, Stoiber 2002 gegen Gerhard Schröder.

Spiderman ist eines von Söders Vorbildern

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied. Beide mussten gegen einen amtierenden Bundeskanzler mit Amtsbonus antreten, beide hatten funktionierende Regierungskoalitionen gegen sich. In diesem Jahr dagegen ist alles offen. Angela Merkel tritt nach 16 Jahren ab, die Koalitionsfrage ist offener denn je.

Und Söder gilt als ebenso pragmatisch wie wendig, flexibel wie anpassungsfähig. Der begeisterte Comic-Leser, seit seiner Jugend ein Fan von „Spiderman“, aber auch von „Star Trek“, „Herr der Ringe“ oder neuerdings „Game of Thrones“, hat die Fähigkeit entwickelt, sich in jedem Amt quasi neu zu erfinden und wie sein Vorbild „Spiderman“ in eine neue Haut zu schlüpfen.

Als Generalsekretär war er der Mann fürs Grobe, teilte kräftig aus und war sich für keine Attacke zu schade. Als Minister wurde er quasi über Nacht seriös, ein fleißiger Aktenfresser, der sich um jedes Detail kümmerte, immer voller Ideen und Aufträge für seine Mitarbeiter.

Und als Ministerpräsident schließlich beendete er den Dauerstreit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, arbeitete eng und vertrauensvoll mit der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zusammen und unterstützte den Corona-Kurs der Bundesregierung.

Den Vorwurf, ein Opportunist zu sein, der sein Fähnlein gerne nach dem Wind hängt, kontert Söder mit einem Zitat seines Vorbilds Strauß: „Der Konservative marschiert an der Spitze des Fortschritts.“

Alles, was wir tun, liegt in Gottes Hand.
Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident

Bis heute wohnt der 54-jährige Söder mit seiner Frau Karin, der Tochter eines Unternehmers, und den drei Kindern in seiner Heimatstadt Nürnberg, der frühe Tod seiner Eltern hat ihn schwer getroffen.

Aus seinem Glauben macht Söder, bis 2018 Mitglied der Landessynode der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern, keinen Hehl, im Auto hört er die Bibel als Hörbuch, in der Staatskanzlei hat er einen Gebetsraum eingerichtet, den er oft aufsucht. Und wenn er sagt, „alles, was wir tun, liegt in Gottes Hand“, ist dies für ihn keine Floskel, sondern Überzeugung.

Seine Forderung, in allen bayerischen Amtsstuben ein Kreuz aufzuhängen, wurde allerdings von führenden Vertretern der katholischen wie evangelischen Kirche scharf kritisiert.

Überholt Söder den Fixstern Strauß?

Und nun Kanzlerkandidat? Dass er sich’s zutraut, steht außer Frage, offen ist jedoch, ob er es auch tatsächlich anstrebt. Dass er als CSU-Chef und Ministerpräsident mit seinem Fixstern Strauß gleichgezogen hat, ist ihm Genugtuung.

Nun aber könnte er ihn gar überholen und als erster CSU-Politiker in der Geschichte ins Kanzleramt einziehen. Und das reizt ihn dann doch…

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