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Nach Leberwurst-Gipfel

Wie drei Tage mit dem ukrainischen Botschafter einen Pfälzer Metzger für immer veränderten

Walter Adam aus Herxheim hat drei Tage mit dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk verbracht. Die Zeit habe ihn für immer verändert, sagt der Metzgermeister. Daraus will er Konsequenzen ziehen.

Freunde: Die Ehepaare Melnyk und Adam in der ukrainischen Botschaft in Berlin.
Leberwurst-Gipfel: Ukraines Botschafter Andrij Melnyk, Marion Adam, Switlana Melnyk und Metzgermeister Walter Adam (von links) in Berlin. Foto: privat

Es begann als augenzwinkernde PR-Aktion für Pfälzer Wurstwaren. Doch inzwischen ist eine ziemlich ernste Sache daraus geworden. Das versteht, wer mit Walter Adam über seinen Aufenthalt in der ukrainischen Botschaft in Berlin spricht. Er sagt: „Es hat sich etwas in mir verändert.“

Von Herxheim bei Landau waren Adam und seine Frau Marion vergangene Woche in die Hauptstadt gefahren – auf Einladung von Botschafter Andrij Melnyk. Der revanchierte sich damit für ein üppiges Leberwurst-Paket, das Adam ihm geschickt hatte – gewissermaßen zur Ehrenrettung der deftigen Wurstspezialität.

Hintergrund war die umstrittene Aussage des Diplomaten, Bundeskanzler Olaf Scholz verhalte sich „wie eine beleidigte Leberwurst“, weil er immer neue Begründungen anführte, warum er die ukrainische Hauptstadt Kiew nicht besuchen wolle.

Manchmal braucht man einen Freund an seiner Seite.
Walter Adam, Metzgermeister

Das Paket aus der Pfalz kommt in Berlin gut an. In einem Fernsehinterview sagt der Botschafter, die Leberwurst habe ihn an das normale Leben erinnert: „Balsam für die Seele“.

Es ist der Beginn einer unwahrscheinlichen Freundschaft. Der streitbare Kriegs-Diplomat und der fröhliche Wurst-Botschafter telefonieren in der Folge mehrfach miteinander, tauschen WhatsApp-Nachrichten aus, schmieden Besuchspläne. Metzger Adam bedauert, dass der oft wenig diplomatisch anmutende Melnyk von vielen in Deutschland so kritisch betrachtet wird. „Andrij macht nur seine Arbeit. In der Ukraine werden jeden Tag viele Menschen getötet. Ist doch klar, dass man da emotional wird.“

Beim Kaffee kommen dem Metzgermeister die Tränen

Emotional geht es dann auch beim Besuch in Berlin zu. Botschafter Melnyk holt Adam und seine Frau Marion persönlich am Bahnsteig ab und bringt sie im Gästebereich der Botschaft im Berliner Regierungsviertel unter. Fernsehbilder zeigen die Melnyks und die Adams bei Kaffee und Gebäck. Als die Rede auf den Krieg kommt, muss der gestandene Metzgermeister seine Tränen mit einer Serviette abwischen.

Neben gemeinsamen Essen und vielen Gesprächen gibt es auch einen Besuch beim Politik-Talk „Maybrit Illner“. Dort ist Melnyk am vergangenen Donnerstagabend eingeladen. Der Tag, an dem der Kanzler nach Kiew fuhr. Fernsehzuschauer und Journalisten wunderten sich an jenem Abend, dass der sonst so streitbare Botschafter ungewöhnlich sanft wirkte.

Hatte es am Ende mit seinem Begleiter auf der Zuschauertribüne zutun? Metzger Adam sagt: „Manchmal braucht man einen Freund an seiner Seite, jemanden, der einen in den Arm nimmt, auch wenn man ihn vielleicht noch gar nicht so lange kennt.“

Wahnvorstellungen vom großrussischen Reich

Die Gespräche mit Melnyk und anderen Botschaftsangehörigen, die Berichte aus erster Hand haben Walter Adam sehr nachdenklich gemacht. Dadurch habe er erst so richtig verstanden, was der Krieg für die Menschen bedeutet.

Diese Erkenntnis will Adam jetzt teilen: „Ich habe den starken inneren Drang dazu.“ Am Montag rief Adam deshalb bei Herxheims Bürgermeisterin Hedi Braun (parteilos) an, um mit ihr zu besprechen, ob er vielleicht einen Vortrag halten könne.

Politisch wolle er nicht werden, stellt der 51-jährige Adam im BNN-Gespräch klar. Auch zum Bundeskanzler, der am Anfang dieser Geschichte steht, will der Metzger sich nicht äußern. „Es liegt mir fern, mich über Personen auszulassen. Wichtig ist nur, dass wir die Menschen nicht vergessen, die solch großes Leid erfahren, nur weil Herr Putin Wahnvorstellungen vom großrussischen Reicht hat.“

Nach der Rückreise aus Berlin haben sich Walter Adam und seine Frau Marion auf ihr Motorrad gesetzt und sind durch den Pfälzer Wald gefahren. Er sagt: „Unsere Heimat ist so schön, so friedlich. Doch nichts daran ist selbstverständlich.“

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