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Wenn der Strom ausfällt

„Müssen über Notlagen nachdenken“: Bestseller-Autor über Gefahr von Blackouts

Die Region hat in den vergangenen Monaten mehrere große Stromausfälle erlebt. Die Probleme in der Stromversorgung lenken die Aufmerksamkeit auf eine potenzielle Gefahr mit weit gravierenderen Konsequenzen: den Blackout.

Für Stromausfälle vorbeugen: Will man nicht im Dunkeln sitzen, sollte man daheim immer einen Grundvorrat an Kerzen und Teelichtern haben. Experten empfehlen zudem einen Notvorrat für etwa zehn Tage an Wasser und Lebensmitteln.
Für Stromausfälle vorbeugen: Will man nicht im Dunkeln sitzen, sollte man daheim immer einen Grundvorrat an Kerzen und Teelichtern haben. Experten empfehlen zudem einen Notvorrat für etwa zehn Tage an Wasser und Lebensmitteln. Foto: Christin Klose /dpa

Deutschland und andere EU-Staaten sind heute auf einen theoretisch möglichen, langanhaltenden Stromausfall mit verheerenden Folgen noch immer unzureichend vorbereitet: Zu dieser Schlussfolgerung kommen nicht nur zahlreiche Katastrophenschutzexperten, sondern auch der österreichische Bestseller-Autor Marc Elsberg (55), dessen Thriller „Blackout“ bereits vor Jahren das Thema für die breite Öffentlichkeit interessant gemacht hat.

Gefragter Experte: Marc Elsberg hat vor zehn Jahren mit seinem Thriller „Blackout“ für Aufsehen gesorgt, der auch von Wissenschaftlern und Katastrophenschützern gelobt wurde. Der österreichische Autor hat seitdem viele Vorträge zu dem Thema gehalten und trat in dieser Woche vor einem Bundestagsausschuss auf.
Gefragter Experte: Marc Elsberg. Foto: Clemens Lechner / Blanvalet Verlag / dpa

Unser Redaktionsmitglied Alexei Makartsev sprach mit Elsberg darüber, was bei einem Blackout passieren könnte und wie man sich dafür privat am besten rüstet.

Sie haben vor zehn Jahren mit ihrem Buch ein Thema populär gemacht, das bis dahin nur Experten interessiert hat. Die Sicherheit der Energieversorgung ist heute in aller Munde. Überrascht Sie das?
Elsberg

Das Thema war früher unterrepräsentiert und ist vor allem durch die Energiewende in Deutschland in den vergangenen Jahren stärker geworden. Wir sehen aber, dass man sich nicht genug damit auseinandergesetzt hat.

Momentan werden drei mögliche Szenarien diskutiert, die sich in ihrer Dramatik unterscheiden: Das erste ist eine vom Gasdefizit ausgehende Mangellage, die Einfluss auf die Stromversorgung hätte. Zweitens ein Stromausfall aus natürlichen Gründen, also wegen eines technischen Versagens oder wegen des Extremwetters.

Das schlimmste Szenario wäre ein absichtlich herbeigeführter, großflächiger Ausfall der Stromversorgung. Das wäre die Folge eines Krieges oder eines Terroranschlags…

… den wir hoffentlich nicht erleben werden. Das erste Szenario ist aber nicht so unwahrscheinlich.
Elsberg

Ja, die Mangellage wird offensichtlich eintreten. Sie brächte einen Verlust an Komfort und Wohlstand mit sich, aber wir können sie letztlich gut bewältigen, wenn wir uns darauf vorbereiten.

Ein Blackout bedeutete dagegen einen gesellschaftlichen Kontrollverlust. Schlimmstenfalls wäre er in einigen Tagen vorbei, aber das wäre dramatisch genug für unsere Gesellschaften. Denn es wird lange dauern, bis die Logistikketten wiederaufgebaut sind, die Lkw wieder betankt werden können und die Supermärkte öffnen.

Nicht zu unterschätzen ist, dass diese wenigen Tage wohl heftigste Langzeitwirkungen haben würden. Ich vergleiche das mit der Corona-Pandemie: Manche Dinge ändern sich oder funktionieren nicht mehr wie früher. Wie die Behörden eine solche Notlage bewältigen, wirkt sich auch auf das Vertrauen der Menschen in den Staat aus.

Es gibt Experten, die das europäische Stromnetz für gut gewappnet halten und die Angst zu einem großen Teil als Panikmache sehen. Gibt es nicht genügend Sensibilität für diese Problematik?
Elsberg

Auf jeden Fall. Ich habe neulich in Süddeutschland Vorträge vor insgesamt etwa 100 Bürgermeistern gehalten. Irgendwann stellte ich Fragen zu den Plänen der Kommunen für Blackouts und Stromausfälle. Da wurden vielleicht gerade einmal fünf Hände gehoben, die anderen hatten keine Ahnung. In den vergangenen Jahren ist es gerade noch gut gegangen.

Unsere komplexen Energiesysteme konnten die Störungen soweit auffangen. In Mitteleuropa haben wir das zuverlässigste System weltweit. Trotzdem müssen wir über Notlagen nachzudenken, die nicht sehr wahrscheinlich sind, aber verheerende Folgen haben könnten, wenn sie eintreten. Das halte ich nicht für eine Panikmache.

Die Sorge vor Strommangel und einem Ausfall des Stromnetzes im Winter treibt laut einer Umfrage die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland um. Ist es ein Szenario, das auch Sie unruhig macht?
Elsberg

Ich wohne in einer Mietwohnung in Wien, in unserem Haus gibt es keinen Notstromgenerator. Immerhin habe ich aber Vorräte für zehn Tage an Wasser, Essen und Licht. Seit den Recherchen für mein Buch befolge ich die Empfehlungen der Behörden für Notsituationen, das kann jeder machen. Man sollte auf einen Ausfall von einigen Tagen vorbereitet sein. Plus eine Anlaufzeit von einigen Tagen, bis alles wieder einigermaßen funktioniert.

Was wäre für Sie das größte Problem bei einem Blackout?
Elsberg

Der Verlust der Kommunikationsmöglichkeit. Es würden schnell sämtliche Kommunikationsmittel außer des Radios ausfallen. Das Internet wäre sofort weg, binnen einer kurzen Zeit wären auch alle Mobilfunknetze tot. Ich würde mich mit den Menschen, die mir lieb sind, nicht in Verbindung treten können und mir Sorgen machen, wie es ihnen geht. Sicher würde das auch bei vielen anderen Menschen zu großer Unsicherheit führen.

Welche Maßnahmen empfehlen Sie, um eine Zeitlang ohne Strom handlungsfähig zu bleiben?
Elsberg

Zum Beispiel ein Radio mit einer Kurbel zu besorgen. Es benötigt keinen Strom, und man könnte es selbst aufladen, um Durchsagen von Behörden hören zu können. Anfangs könnte man sich auch mit einem Autoradio behelfen, das von der Batterie gespeist wird. Im Internet gibt es gute Listen mit Dingen, die man besorgen kann. Leider werden Vorbeugung und Vorbereitung noch nicht ernst genommen. Was die allermeisten Deutschen und Österreicher daheim zu essen und zu trinken haben, reicht bestenfalls für drei bis vier Tage. Nur eine Minderheit hat genug Vorräte…

Die Frage ist, ob diese Menschen sie mit anderen teilen würden. Wir bilden uns ein, soziale Wesen zu sein. Wäre sich in einem Land mit einem langanhaltenden Stromausfall jeder der Nächste?
Elsberg

Die Erfahrungen in zivilisierten Ländern zeigen, dass es in den ersten Tagen von Notlagen eine große Solidarität gibt. Es wird immer vereinzelte Verzweifelte geben, aber der Großteil der Bevölkerung wird sicher versuchen, die Lage gemeinsam und mit Anstand zu bewältigen.

Ich erinnere mich an den Beginn der Pandemie: In meinem Haus mit 50 Mietparteien hingen am Schwarzen Brett und im Fahrstuhl schon am ersten Lockdown-Tag Zettel mit Hilfsangeboten für ältere Menschen. Bei der Flutkatastrophe in Deutschland 2021 haben wir auch eine große Hilfsbereitschaft erlebt. So funktioniert es wahrscheinlich auch bei einem Blackout, solange die Menschen ihre Grundbedürfnisse decken können. Es beginnt dann zu kippen, wenn es um Leben und Tod geht.

Leben wir heute in einer besonders unsicheren Zeit?
Elsberg

Das vielleicht nicht, aber unser Bewusstsein ist in den vergangenen Jahren durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine extrem geschärft worden. Die Menschen im Westen wurden seit Jahrzehnten von Erschütterungen verschont. Katastrophen haben wir nur in Horrorfilmen oder in weit entfernten Ländern gesehen. Wir dachten immer, uns passiert das nicht, und lagen falsch. Das hat ein Bewusstsein dafür geschafft, dass in vielen Bereichen schlimme Dinge passieren können.

Sie haben gerade vor dem Ausschuss für Technikfolgenabschätzung im Bundestag eine Ansprache über einschneidende Veränderungen gehalten. Was liegt Ihnen bei diesem Thema am Herzen?
Elsberg

Es gibt momentan zwei Fragen zu beantworten: Wie kommen wir über den kommenden Winter und über den Winter danach? Das sind kurzfristige Maßnahmen, und man muss zu allen verfügbaren Mitteln greifen. Die wesentlich wichtigere Frage ist aber: Wie können wir langfristig retten, was noch zu retten ist? Wir stehen in vielen Bereichen vor Krisen und ungelösten Problemen, vor allem in der großen Klimakrise. Da geht es um existenzielle Dinge, um die wir uns viel zu wenig kümmern.



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