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Amerikanische Profisportler protestieren gegen Polizeigewalt

Nach NBA-Protest US-Sportler fordern Veränderungen

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hatten sich die Basketballer-Spieler zusammengeschlossen, um ein Zeichen gegen Polizeigewalt und Rassismus zu setzen und boykottierten ihre Play-off-Spiele. Was sind die Entwicklungen und Auswirkungen des Protests?

Mit ihrem Spielboykott haben die Milwaukee Bucks eine Protest-Lawine ausgelöst.
Mit ihrem Spielboykott haben die Milwaukee Bucks eine Protest-Lawine ausgelöst. Foto: Kevin C. Cox/Pool Getty Images/AP/dpa

Ruhe im US-Sport. Nicht wegen der Corona-Pandemie. Sondern wegen Rassismus und Polizeigewalt. Der Vorfall aus Wisconsin um den schwarzen US-Bürger Jacob Blake hat die Profis der Basketball-Liga NBA zum Boykott veranlasst. Was fordern die Spieler und steht die NBA-Saison vor dem Aus? BNN-Redakteur Tobias Törkott mit den wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum protestieren die US-Sportler?

Die amerikanischen Sport-Profis, allen voran die der NBA, der stärksten Basketball-Liga der Welt, haben genug. Genug von Polizeigewalt, genug von Rassismus. Drei Monate nach dem Tod von George Floyd und dem Beginn der „Black Lives Matter”-Bewegung brachte der Vorfall um Jacob Blake in Kenosha, im Bundesstaat Wisconsin das Fass zum Überlaufen. Blake wurde von einem Polizisten mit sieben Schüssen niedergestreckt und schwer verletzt. Milwaukee und Kenosha liegen nur eine Autostunde voneinander entfernt. Das dort ansässige NBA-Team der Milwaukee Bucks boykottierte in der Nacht auf Donnerstag geschlossen das Play-off-Spiel gegen die Orlando Magic und blieb in der Kabine. In einem Statement des Teams heißt es: „Wir fordern Gerechtigkeit für Jacob Blake und dass die beteiligten Polizisten zur Rechenschaft gezogen werden.” Dazu bemängelten sie, dass trotz Monaten des Protests in den USA noch immer keine Maßnahmen ergriffen wurden, um die Rechenschaftspflicht der Polizei oder eine Reform der Strafjustiz anzugehen. Der „Bucks-Boykott” ging medial um die Welt.

Wer ist an den Protesten beteiligt?

Vorab: Die Play-offs der NBA finden wegen der Corona-Pandemie derzeit auf dem Gelände des Freizeitparks Disney World in Orlando, Florida, statt. In der sogenannten „Bubble”, also der Blase, machte die Meldung unter den verbleibenden 13 Teams vom Boykott der Bucks schnell die Runde. Alle Mannschaften, wie beispielsweise die LA Lakers um Superstar LeBron James, solidarisierten sich und trafen sich zu gemeinsamen Besprechungen. Zunächst wurden alle drei Partien in der Nacht auf Donnerstag abgesagt - auch die Spiele der Frauen-Basketballliga WNBA fanden nicht statt. Andere Ligen zogen nach, darunter die Baseballer der MLB oder die Fußballer aus der MLS. Um die Welt ging zudem das Zitat der japanischen Weltklasse-Tennisspielerin Naomi Osaka: „Ich bin eine Tennisspielerin, aber noch mehr eine afroamerikanische Frau.” Die 22-Jährige wollte zunächt auf ihre Halbfinal-Teilnahme an den „Western & Southern Open” in New York verzichten. Nach langwierigen Gesprächen mit der WTA und der USTA habe sie aber deren Bitte nachgegeben und werde nun doch antreten, hieß es am Donnerstag. Die Organisatoren des Vorbereitungsturniers auf die US Open sagten alle Spiele am Donnerstag ab. Vor den Basketballern der Bucks bestreikten bereits Spieler des America-Football-Teams Detroit Lions ihr Training. Fast der gesamte US-Sport ruht. Lediglich die Eishockey-Liga NHL spielte zunächst unbekümmert weiter.

Welche Formen des Protestes gab es bislang im US-Sport?

Auf den Trikots der NBA-Profis prangen Wörter wie „Freedom”oder „Equality”, zu deutsch: Freiheit oder Gerechtigkeit. Dort wo sonst der Name des Spielers steht, haften politische Aussagen. Auch der Hallenboden ist mit dem Spruch „Black Lives Matter” bedruckt. Amerikanische Sportler, allen voran die Basketballer, sind bekannt für politische Statements. 2014 entscheiden sich Spieler der Golden State Warriors und LA Clippers gegen einen Boykott, nachdem rassistische Äußerungen des Clippers-Eigners Donald Sterling publik wurden. Ein Schritt den einige Profis bereuen. Der folgenreichste Protest war bis zum „Bucks-Boykott” der des NFL-Profis Colin Kaepernick. 2016 kniete er beim Erklingen der US-Hymne, um ein Zeichen gegen Polizeigewalt und Rassismus zu setzen. Präsident Donald Trump bezeichnete Kaepernick in der Folge als „Hurensohn”. Der 32-Jährige ist seit 2017 arbeitslos. Kein Team der American-Football-Liga bot ihm je wieder einen Vertrag an. 2019 griff die Kapitänin der amerikanischen Frauen-Fußball-Nationalelf, Megan Rapinoe, Trump öffentlich an und bezeichnete ihn als Sexisten und Rassisten.

Wie fallen die Reaktionen auf die Proteste aus?

Überwiegend positiv. Ex-Präsident Barack Obama zollte seinen Respekt: „Ein Lob für die Spieler der Bucks, dass sie für das aufstehen, woran sie glauben, und für Trainer wie Doc Rivers sowie die NBA und WNBA dafür, ein Vorbild zu sein.” Auch Superstar James twitterte nach der Bekanntgabe des Boykotts: „Wir wollen Veränderung. Genug davon.” Bei den Spielern regiert die Meinung, dass das Rassismus-Problem in den USA größer ist als der Sport selbst. Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden schloss sich dem Zuspruch an: „Diese Spieler antworteten, indem sie aufstehen, ihre Stimme erheben und ihre Plattform für das Gute nutzen.”

Und wie geht es jetzt weiter?

Zunächst kann eine Mannschaft der NBA bei Nichtantritt zu einer Strafe von bis zu fünf Millionen US-Dollar verdonnert werden. Da aber alle Teams am Boykott beteiligt waren und die Liga die Spiele verschoben und nicht abgesagt hat, stehen Strafen nicht zur Debatte. Dass die NBA-Saison überhaupt nach dem Tod von George Floyd wieder angepfiffen wurde, soll einigen Spielern sauer aufgestoßen haben. Fred VanVleet, Leistungsträger beim amtierenden NBA-Meister aus Toronto, erklärte: „Wir reden über Veränderungen, aber irgendwann müssen wir unsere Chips auf den Tisch legen und riskieren, dass wir etwas verlieren.” Zunächst kursierten am Mittwochabend Meldungen, wonach sich die beiden Teams aus Los Angeles für einen Abbruch der Saison ausgesprochen hatten. Experten des US-Senders ESPN vermeldeten per Twitter am Donnerstagabend aber, dass zunächst die Spiele am Donnerstag verschoben werden, die Play-offs insgesamt wohl am Wochenende fortgesetzt werden sollen. Vertreter der Teams wollen sich über weitere Maßnahmen gegen Rassenungerechtigkeit beraten.

Am späteren Abend (Nachmittag Ortszeit) gab auch die Liga offiziell bekannt, dass es am Donnerstag in der nordamerikanische Basketball-Profiliga keine Spiele geben wird. „Wir hoffen, dass es Freitag oder Samstag weitergeht”, wurde NBA-Vizepräsident Mike Bass in einer Mitteilung zitiert. Am Donnerstagabend (Ortszeit) wird es laut Liga eine Videokonferenz geben.

Einige Profis, Vertreter der 13 in den Play-offs verbliebenen Klubs und der Spielergewerkschaft NBPA, Liga-Offizielle sowie die NBA-Legende Michael Jordan werden daran teilnehmen. Der Besitzer der Charlotte Hornets ist Vorsitzender eines Ausschusses für Arbeitsangelegenheiten.

(mit dpa/sid)

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